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Früher raus aus Kohle und AtomDeutsch-französische Energiewende besser koordinieren

Grenzübergang Frankreich / Deutschland (Foto: Wikimedia commons / qwesy qwesy / CC BY 3.0)

Schluss mit Kohle auf deutscher Seite, weniger Atom im Hexagon: Beide Länder sollten sich rasch auf eine Reduzierung bei Kohleverstromung und Atomenergie einigen und gemeinsam an der europäischen Energiewende arbeiten, so das Fazit einer Studie.

22.03.2018 – Die gemeinsame Studie von Agora Energiewende und dem französischen Institute for Sustainable Development IDDRI macht noch einmal deutlich, wie eng miteinander verzahnt die Stromsysteme von Frankreich und Deutschland sind. Energiewirtschaftliche Entscheidungen in dem einen Land haben daher erhebliche Konsequenzen im anderen. Frankreich und Deutschland sollten daher ihre künftige Energiepolitik besser gemeinsam gestalten, „damit die Stromversorgung auf beiden Seiten des Rheins zuverlässig, nachhaltig und möglichst günstig bleibt“, raten die Autoren der Studie. Bis 2030 bedeute das gleichermaßen einen starken Ausbau von Erneuerbaren Energien – vor allem Windkraft und Photovoltaik –  sowie eine deutliche Reduktion der Stromerzeugung konventioneller Kraftwerke: in Deutschland bei der Kohlekraft, in Frankreich bei der Kernenergie.

Schreiten Deutschland und Frankreich nicht im Gleichschritt voran, so könnte es in beiden Ländern bald schon zu großen energiewirtschaftlichen Verwerfungen kommen, warnen die Experten: In Deutschland zu einem noch größeren Verfehlen der Klimaziele; in Frankreich könnten Alleingänge zu teuren und unnötigen Investitionen in einen überdimensionierten Kernkraftwerkspark führen. Der dringende Rat an die Regierungen beider Länder lautet daher, bei der Umsetzung ihrer jeweiligen Energiewende intensiv zu kooperieren und sich über die nächsten Schritte im Detail auszutauschen.

Fossile und Atom reduzieren, CO2-Preis stärken für mehr Erneuerbare

Was wären also die nächsten sinnvollen Schritte? Frankreich solle, so die Studie, aus wirtschaftlichen Gründen bis 2030 die Leistung seiner Kernkraftwerke von derzeit 63 auf 50 Gigawatt reduzieren, Deutschland aus Klimaschutzgründen seine Kohleverstromung halbieren. Parallel dazu sollten beide Länder die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien wie geplant erhöhen: Bis 2030 soll den aktuellen politischen Zielen 40 Prozent des produzierten Stromes in Frankreich aus Erneuerbaren Energien stammen, in Deutschland soll ihr Anteil am Strommix laut Koalitionsvertrag auf 65 Prozent wachsen.

Und genau da hakt es – Frankreich hält an der Atomenergie fest und hat seine Abbaupläne wieder revidiert, baut sogar neue AKWs, in Deutschland ist mit der Fortsetzung der GroKo ein rascher Ausstieg aus der Kohle auch erst mal verschoben.

Bei einem CO2-Preis von 30 bis 50 Euro pro Tonne könnte die Stromerzeugung aus den erneuerbaren Energien Windkraft und Photovoltaik weitgehend am Strommarkt finanziert werden führt die Studie weiter aus.  Einseitige Maßnahmen würden der Studie zufolge unvermeidlich zu Schieflagen führen.

Ein Festhalten an der Atomenergie führt zu einem Umwelt- und wirtschaftlichen Desaster

Sollte Frankreich im Jahr 2030 weiterhin Kernkraftwerke mit einer Leistung von 63 Gigawatt betreiben und dafür sämtliche bestehenden Kernkraftwerke mit großem Kostenaufwand modernisieren, im gleichen Zuge aber auch die Erneuerbaren Energien ausbauen, so wäre ein erheblicher Stromüberschuss die Folge. Dieser würde sowohl zu einem Preisverfall am Strommarkt in Frankreich und der EU führen als auch zu erheblichen Stromexporten nach Deutschland und in andere europäische Länder.

Eine Export-Strategie Frankreichs würde jedoch nicht genügend Einkommen generieren, um die Modernisierungen der Kernkraftwerke zu refinanzieren. Bereits Modernisierungen in einem Umfang von mehr als 50 Gigawatt Leistung würden zu Stranded Assets in Frankreich führen, wobei der wirtschaftliche Schaden mit jedem zusätzlichem Gigawatt modernisierter Kernkraftwerksleistung überproportional wachsen würde. Zu wachsenden Stromexporten Frankreichs würde es bereits kommen, wenn das Land mehr als 40 Gigawatt Kernkraftwerke im Jahr 2030 in Betrieb hielte. Zudem würde Frankreich sein Ziel, den Kernenergieanteil im Strommix auf 50 Prozent zu reduzieren, erst nach 2030 erreichen können.

Für Deutschland zeigt die Studie, dass CO2-Preise von 30 bis 50 Euro zwar helfen, die Verstromung von Kohle zu reduzieren, allerdings nicht in dem Maße das nötig wäre, um Deutschlands Klimaziel 2030 zu erreichen. Eine Erhöhung der CO2-Preise oder ein Kohleausstieg würde jedoch die Refinanzierung von Strom aus Erneuerbaren Energien am Markt bis 2030 deutlich verbessern. „Höhere CO2-Preise zum Beispiel durch einen CO2-Mindestpreis im Emissionshandel wären aus Klimaschutzsicht zentral. Sie würden zu einem moderaten Anstieg der Strompreise für die Verbraucher führen – übrigens in beiden Ländern gleich“, ist Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende, überzeugt. „Auf der Erzeugungsseite sind die Effekte unterschiedlich: Während französische Kernkraftwerksbetreiber von höheren CO2-Preisen wirtschaftlich profitieren, liegt auf deutscher Seite der Nutzen bei Gaskraftwerksbetreibern sowie bei der Umwelt durch geringere Kohleverstromung.“ Damit dies nicht zu sehr hohen Kernenergie-Stromexporten von Frankreich führe, besonders nach Deutschland, wäre eine politische Vereinbarung zwischen den beiden Ländern sinnvoll: „Frankreich würde sich verpflichten, die Überkapazitäten seiner Kernkraftwerke zu verringern. Im Gegenzug würde Deutschland eine deutsch-französische Initiative für einen CO2-Mindestpreis aktiv unterstützen.“


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