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Die Versicherer der polnischen Kohle-Expansion

Kohleprotest vor dem Reichstag: Kohle schaufeln für den Profit – ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt. Eine neue Studie macht die Verantwortung europäischer Versicherer für die klima- und gesundheitsschädliche Kohle-Industrie deutlich. (Foto: © BBEn)
Kohleprotest vor dem Reichstag: Kohle schaufeln für den Profit – ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt. Eine neue Studie macht die Verantwortung europäischer Versicherer für die klima- und gesundheitsschädliche Kohle-Industrie deutlich. (Foto: © BBEn)

Vor der UN-Klimakonferenz COP24 in Polen macht eine Studie die Verantwortung europäischer Versicherer für die klima- und gesundheitsschädliche Kohle-Industrie deutlich. Allianz und Munich Re-Tochter gehören dabei zu den wichtigsten Versicherern.

08.02.2018 – Trotz schwerer Klimalasten und Gesundheitsrisiken unterstützen europäische Versicherungskonzerne den aggressiven Ausbau von Kohlekraftwerken und -minen in Polen, berichtet die Umweltorganisation urgewald. Es ist das Ergebnis einer heute publizierten Studie der internationalen NGO-Kampagne Unfriend Coal zu der auch urgewald gehört.

Während immer mehr Länder Kohleausstiegspläne verkünden und sich beim letzten Klimatreffen in Bonn in einer Kohleausstiegsallianz zusammengeschlossen hatten (Deutschland war nicht dabei), um ihrer Verantwortung für das Klimaziel von Paris gerecht zu werden, planen polnische Unternehmen die Errichtung neuer Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von mehr als 10 Gigawatt, 3,2 Gigawatt davon sind bereits im Bau. Gleichzeitig wollen sie gewaltige neue Kohleminen erschließen, darunter besonders klimaschädliche Braunkohleminen. Damit steht Polen für die größte Kohle-Expansion in der Europäischen Union mit jahrzehntelangen Auswirkungen auf das Klima und die öffentliche Gesundheit. Die polnische Regierung fördert diese Entwicklung. Gleichzeitig ist sie Gastgeber des nächsten UN-Klimagipfels im Dezember in Kattowitz.

Sicher mit Kohle – Milliardengeschäfte der Versicherer

Das Ergebnis der neuen Recherche zeigt, dass europäische Versicherer über ihre polnischen Tochtergesellschaften mehr als 1,3 Milliarden Euro in den Kohlesektor in Polen investiert haben. Außerdem haben sie seit dem Jahr 2013 mindestens 21 Verträge für die Versicherung bestehender und neuer Kohleprojekte unterzeichnet. Neben weiteren Konzernen wie Generali aus Italien sind die Allianz und ein Tochterunternehmen des Rückversicherers Munich Re, Ergo Hestia, aus Deutschland besonders stark am Geschäft mit der polnischen Kohle beteiligt. Seit 2013 hat die Allianz mindestens 9, Ergo Hestia mindestens 12 Versicherungsverträge für polnische Kohlefirmen abgeschlossen. Solche Unterstützung ist für Kohlefirmen, die in vielen Fällen mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen, überlebenswichtig.

Allianz steht unter anderem an der Spitze eines Konsortiums von Versicherern für den derzeit größten Kohlekraftwerks-Neubau innerhalb der EU im polnischen Opole. Dieser wird vom Staatskonzern PGE geplant. Er soll eine Leistung von 1.800 Megawatt haben und den Betrieb im nächsten Jahr aufnehmen. Schon jetzt liegen die klimaschädlichen CO2-Emissionen des Kraftwerks bei rund 5,8 Millionen Tonnen pro Jahr. Zum Konsortium gehört auch die Munich-Re-Tochter Ergo Hestia. PGE hatte das milliardenschwere Projekt wegen finanzieller Risiken 2013 auf Eis gelegt, das Bauprojekt jedoch auf politischen Druck hin wieder aufgenommen – mit Deckung der ausländischen Versicherer, deren Verträge laut einem Medienbericht 34 Millionen Euro wert sind.

Außerdem haben Allianz und Ergo Hestia zusammen mit zwei weiteren Versicherern 2016 die Absicherung der Kraftwerke und Minen des Konzerns ZE PAK bis 2019 verlängert. Sie bieten somit einem Konzern finanzielle Planungssicherheit, der drei neue Tagebaue mit insgesamt mehr als 1 Milliarde Tonnen Braunkohle eröffnen will, in etwa so viel wie im deutschen Braunkohletagebau Garzweiler lagert.

Scheinbarer Klimavorreiter treibt die Kohle-Expansion voran

„So unterstützt der selbst ernannte ‚Klima-Vorreiter’ Allianz ausgerechnet die größte Kohle-Expansion Europas“, kritisiert Regine Richter, Campaignerin bei urgewald. „Dass Munich Re trotz der eigenen Studien zu den Folgen des Klimawandels so massiv Polens Kohlefetisch bedient, ist schizophren. Hier zeigt sich, dass zwischen Sonntagsreden fürs Klima und der Realität im Versicherungsgeschäft der Konzerne immer noch eine riesige Lücke klafft.“

Im Jahr 2015 hatte die Allianz in einem vielgelobten Schritt zahlreiche Kohlefirmen aus ihrem Investitionsportfolio ausgeschlossen. Der Schritt umfasst jedoch nur die Eigenanlagen, nicht die Investitionen, die die Allianz in Auftrag für Dritte tätigt, etwa über ihre Tochter Pimco. So kommt es, dass sie laut dem Report über lokale Tochtergesellschaften rund 38 Millionen Euro in sechs polnische Kohlefirmen investiert hat. Ein ähnliches Problem zeigt sich beim französischen Konzern AXA, der zwar Kohleunternehmen noch konsequenter als Kunden ausschließt, dies aber nur auf einen Teil seiner für Dritte verwalteten Investitionen anwendet. Im Gegensatz zu Allianz und Munich Re schließen AXA und weitere Versicherer inzwischen jedoch auch Versicherungen für Kohle aus. Richter attestiert Allianz und Munich Re daher „deutlichen Nachholbedarf beim Klimaschutz“.

Ein schmutziges Geschäft mit verheerenden Folgen

Die Geschäfte der Versicherer in Polen haben dramatische Gesundheitsfolgen: Die polnische Kohle-Industrie ist laut einer Studie für geschätzte 5.800 vorzeitige Todesfälle pro Jahr durch ihre gesundheitsschädlichen Emissionen verantwortlich, rund 4.700 davon in benachbarten Ländern wie Deutschland. Versicherer, die polnische Kohle unterstützen, fördern eine Industrie, die Tausende vorzeitige Todesfälle pro Jahr verursacht“, sagt Lucie Pinson, Campaignerin bei Unfriend Coal und Autorin des Reports. „Sie stellen sich auf die falsche Seite im Kampf gegen den Klimawandel und riskieren das Geld ihrer Aktionäre.“ Für die Unterstützung neuer Kohlebergwerke und -kraftwerke gebe es keine Entschuldigung. Pinson appeliert an die Konzerne, ihre Versicherungen und Investitionen aus bestehenden Projekten schnellstmöglich abzuziehen.

„Polnische Kohleunternehmen gefährden mit ihren aggressiven Wachstumsplänen die globalen Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels“ warnt auch Kuba Gogolewski, von der polnischen NGO-Stiftung Development YES Open-Pit Mines NO „Unternehmen, die sie versichern und finanzieren, können sich nicht länger wegducken und müssen jetzt handeln, wenn sie ihren Ruf wahren wollen.“ Die Unfriend Coal-Kampagne fordert daher alle Versicherungskonzerne auf, ihre Absicherungen neuer und bestehender Kohlekraftwerke, Bergwerke und zugehöriger Infrastrukturprojekte einzustellen. Darüber hinaus sollten sie ihre eigenen Investitionen, aber auch die im Auftrag Dritter verwalteten Geldanlagen in Kohle veräußern. 


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