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Umweltsauerei in DeutschlandBundesländer torpedieren Gewässerschutz

Grüne Algen an Wasseroberfläche
Mit Nitrat und Nährstoffen überlastete Gebiete und Gewässer werden in Deutschland nicht korrekt ausgewiesen. (Foto: !Koss auf flickr / CC BY-ND 2.0)

Die Bundesländer haben ihre überarbeiteten Düngeverordnungen vorgelegt. Das Ergebnis ist niederschmetternd. Die EU-Vorgaben werden nicht erfüllt, stattdessen sogar bestehende Schutzgebiete weiter reduziert.

28.01.2021 – Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat die vorgelegten Entwürfe der Bundesländer zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie analysiert und festgestellt, dass die Länder die Vorgaben und damit die Ziele der EU-Nitratrichtlinie nicht erfüllen. Im Gegenteil: „Die Bundesländer wollen die bestehenden Schutzgebiete sogar weiter reduzieren und ermöglichen damit eine noch umfangreichere Düngung landwirtschaftlicher Flächen als bisher. Das ist ein Schritt rückwärts im Gewässerschutz“, kommentiert Martin Weyand, Geschäftsführer Wasser/Abwasser beim BDEW. 

Zukünftig sollen die mit Nitrat belasteten Gebiete, die auch als rote Gebiete bezeichnet werden, nicht mehr aufgrund der tatsächlichen Messwerte ausgewiesen werden, sondern auf Basis von Modellrechnungen. Grundlage für solche Berechnungen sind Standortfaktoren wie Bodenart, Nitrateintragsrisiken und Witterungsverhältnisse.

In der Praxis führe das zu erheblich weniger nitratgefährdeten Flächen. Schleswig-Holstein plane zum Beispiel eine Reduzierung seiner roten Gebiete um rund 50 Prozent, Nordrhein-Westfalen um 23 Prozent - obwohl die Grundwasserbereiche nach der Wasserrahmenrichtlinie in „schlechtem Zustand“ sind. Bisherige Nitrat-Überschreitungen im Grundwasser, die im Gegensatz zu den Modellierungsergebnissen stehen, werden „wegdefiniert“ oder als Ausreißer deklariert. „So bekommen wir die steigende Nitratbelastung der Gewässer nicht in den Griff“, warnt Weyand. Erst wenn per Messung die Nitratbelastung im Grundwasser tatsächlich gesunken sei und die Grenzwerte eingehalten würden, dürften nitratgefährdete Gebiete verkleinert werden.

Gelbe Gebiete überhaupt nicht ausgewiesen

Ein weiterer schädlicher Einfluss ist der Phosphateintrag durch die Landwirtschaft. Er führt zur übermäßigen Anreicherung der Nährstoffe Stickstoff und Phosphor in Gewässern. Diese Überlastung mit Nährstoffen wird Eutrophierung genannt. Sie führt zu massiver Algenblüte, Sauerstoffmangel und schließlich zum Verlust von Artenvielfalt. Die Ausweisung von eutrophierten Gebieten (gelbe Gebiete) und Maßnahmen zur Reduzierung des Phosphateintrags wollen viele Bundesländer nur sehr lax handhaben.

Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern haben eutrophierte Gebiete bisher noch gar nicht ausgewiesen, obwohl seit Jahren deutliche Hinweise auf überhöhte Phosphatbelastungen vorliegen. Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz lehnen die Ausweisung gelber Gebiete aufgrund fehlender oder unzureichender Messdaten sogar gänzlich ab. Baden-Württemberg hingegen geht davon aus, dass der Anteil der Phosphateinträge aus der Landwirtschaft erst 20 Prozent des Gesamtphosphateintrags ausmachen muss, bevor Ausweisungen erfolgen und Maßnahmen getroffen werden. Weder die EU-Nitratrichtlinie noch die Oberflächenwasserverordnung sehen diese Ausnahmen vor. Eutrophierte Gebiete sind vollumfänglich auszuweisen, auch zum Schutz von Nord- und Ostsee.

Großzügige Ausnahmen

Darüber hinaus versuchen nach Analyse des BDEW etliche Bundesländer mit umfangreichen Ausnahmeregelungen eine Hintertür für große Teile der Landwirtschaft offen zu halten. So plant Bayern über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe pauschal von den Aufzeichnungspflichten zu befreien, selbst wenn sie in einem nitratbelasteten Gebiet liegen.

Auch Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wollen Ausnahmen zulassen und begründen dies mit Bürokratieabbau. Weitere Ausnahmen sind geplant für belastete Gebiete, die zum Teil in Wasserschutzgebieten liegen. So planen Hessen und Baden-Württemberg für nitratbelastete Wasserschutzgebiete, dass die landwirtschaftlichen Flächen nur dann als nitratbelastet gelten sollen, wenn ihre im Wasserschutzgebiet liegende, nitratbelastete Fläche über 50 Prozent beträgt. „Diese Ausnahmen widersprechen nicht nur der EU-Nitratrichtlinie, sondern auch dem logischen Menschenverstand: Das betroffene Grundwasser und sein Schutz sind nicht teilbar“, erklärt Weyand.

Vielmehr sei endlich eine vollumfängliche Anpassung der Düngeverordnungen an die europäischen Vorgaben und eine Transparenz bei Düngedaten das Gebot der Stunde. Die EU-Kommission hat bereits angekündigt, die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie zu prüfen. Wenn es hier nicht zu substanziellen Fortschritten kommt, könnte die Europäische Kommission bei weiter bestehender Nicht-Einhaltung der Vorgaben das derzeit ruhende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder aufnehmen und Strafzahlungen verhängen.

Seit 2013 drückt sich Deutschland vor der Umsetzung der Nitratrichtlinie der EU. Zuerst setzte die EU auf den guten Willen Deutschlands, dann rief sie den Gerichtshof an, der die Verstöße 2018 auch gerichtlich feststellte. Die Bundesregierung novellierte daraufhin die Düngeverordnung und forderte die Bundesländer per Verwaltungsvorschrift auf, die mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebiete auszuweisen. Das Ergebnis ist mehr als enttäuschend. Konkreter Umweltschutz vor der eigenen Haustür scheint in Deutschland mächtige Gegner zu haben. pf


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Georg Bicher 29.01.2021, 10:50:33

Das ist ja unfaßbar! Wo sind die Namen der Verantwortlichen Entscheidungsträger und wer zieht diese zur Rechenschaft?

Entscheidungen fällen nach dem Motto „..sowar mit Gott oder Geld helfe!?“

Gerhard Buchen 29.01.2021, 12:54:42

Traurig,aber es zeigt sich immer wieder die Lobbyarbeit der mächtigen Landwirtschaftsverbände der einzelnen Länder mit ihrer seit Jahren betriebenen Beeinflussung der Politiker-ohne Rücksicht auf Agrarflächen und Gewässer.Es bleibt nur die Umsetzung der Strafmaßnahmen durch die EU,und dann zusätzlich sollte auch bei Nichteinhaltung der Grenzwerte eine Bestrafung direkt der Landwirte bzgl.der EU-Umweltverteilungsprämien erfolgen.Nur so werden dann positive Reaktionen und entsprechende Maßnahmen der meisten größeren Landwirtschaftsbetriebe erfolgen.Es wird bei abnehmender Betriebsfläche durch Bebauungsmaßnahmen etc.besonders in Deutschland zwangsweise immer mehr Dünger zugesetzt,um den Ertrag pro ha zu generieren.Ein Grundübel liegt seit vielen Jahren in der Verteilungspraxis der Gelder durch die EU,indem die Großgrundbesitzer mit ihren meist gut zu bewirtschafteten Flächen mindestens genauso viel Subventionsgelder pro ha erhalten wie mittelständige und kleinere Landwirte mit häufig schwierigeren Ertragsbedingungen.Deshalb gibt es halt immer weniger Landwirte in unseren besonders zu schützenden Landschaften mit Mittelgebirgscharakter.Das Problem ist zwar schon lange unseren politischen Entscheidungsträgern bekannt,aber hier fehlt eben der Mut vieler Politiker sich gegen die allmächtige Lobby der Landwirte zu stellen,den Großbetrieben bei Nichteinhaltung der Grenzwerte die Subventionen EU weit zu kürzen und den kleineren Landwirten,die nachweislichlich unsere Landschaften schützen,den daraus anfallenden Bonus zusätzlich zu gewähren!Dies könnte manch kleineren Landwirt evtl.dann noch von einer Aufgabe seines Betriebes abhalten.Dies bleibt jedoch wohl Träumerei und Entwicklung als Einbahnstraße in Richtung landwirtschaftlicher Agrargroßbetriebe,Kolchosen westlicher Prägung.Den Bauernstand der unsere Versorgung auch und vor allem in Krisenzeiten früher gesichert hat,wird es leider dann nicht mehr geben.Die Politiker und Verbände denken leider zu kurz,zum Nachteil aller!

Georg Beer 29.01.2021, 15:20:21

Die Landwirtschaft ist nicht alleiniger Verursacher des Nitratproblems. Undichte Abwässerkanäle und die legale Praxis der Kläranlagen, bei Starkniederschlägen Abwässer ungeklärt in die Flüsse zu leiten spielen eine Rolle, die leider durch geeignete Untersuchungen noch nicht quantifiziert sind. Problematisch ist auch das Messstellennetz in Deutschland, deren Werte nicht mit anderen Ländern vergleichbar sind. Zu fragen wäre auch, ob Grundwasser wirklich zu jeder Zeit und überall Trinkwasserqualität haben muss?


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