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Dasgupta ReviewDie Ökonomie der biologischen Vielfalt

Pilz im Moosgeflecht, im Hintergrund Wald
Biologische Artenvielfalt ist kein Luxusgut, sondern existenziell für die Menschheit. (Foto: Rick Hoppmann auf Wikimedia / CC BY 4.0)

Für die Wohlstandsentwicklung beutet die Menschheit die Natur über Gebühr aus. Doch Wirtschaft und Natur existieren nicht unabhängig voneinander: Die Folgen werden uns alle betreffen. Der Dasgupta-Bericht zeigt Ursachen und Wege aus dem Dilemma.

09.02.2021 – Biodiversität ermöglicht es der Natur, produktiv, widerstandsfähig und anpassungsfähig zu sein. Genauso wie die Vielfalt innerhalb eines Portfolios von finanziellen Vermögenswerten das Risiko und die Unsicherheit reduziert, erhöht die Vielfalt von natürlichen Vermögenswerten die Widerstandsfähigkeit der Natur gegenüber Schocks und reduziert Risiken.

Einzelpersonen, Unternehmen, Regierungen und internationale Organisationen beeinflussen die natürlichen Vermögenswerte durch Ausgaben- und Investitionsentscheidungen. Jedoch hat die Menschheit es bis heute versäumt, dieses globale Portfolio nachhaltig zu verwalten. Vielmehr hat das Wachstum der letzten Jahrzehnte verheerende Folgen für die Natur. Wie der von der britischen Regierung beauftragte Dasgupta-Bericht zeigt, hat sich das produzierte Kapital pro Kopf zwischen 1992 und 2014 verdoppelt, das Naturkapital pro Kopf ist hingegen um fast 40 Prozent zurückgegangen. Der Bericht zeigt die ökonomischen Wechselwirkungen und die Zukunftsrisiken auf, die damit einhergehen, er benennt auch Ursachen dieser Fehlentwicklung.

Unser nicht nachhaltiger Umgang mit der Natur gefährdet den Wohlstand heutiger und zukünftiger Generationen. Die biologische Vielfalt nimmt schneller ab als je zuvor in der Geschichte der Menschheit, heißt es im Bericht. Viele Ökosysteme, von tropischen Wäldern bis hin zu Korallenriffen, sind bereits irreparabel geschädigt oder stehen kurz vor einem Kipppunkt. Es ist kostspielig und schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ein Ökosystem wieder in Ordnung zu bringen, wenn es zerstört wurde. Jetzt zu handeln, ist wesentlich kostengünstiger als ein „Weiter so“.

Institutionelles Versagen in unserer Beziehung zur Natur

Der Bericht benennt als Kernproblem ein tief verwurzeltes, weit verbreitetes institutionelles Versagen. Der Wert der Natur für die Gesellschaft - der wahre Wert der verschiedenen Güter und Dienstleistungen, die sie bereitstellt - spiegelt sich nicht in den Marktpreisen wider, da ein Großteil davon allen Menschen ohne finanzielle Gegenleistung zur Verfügung steht. Diese Preisverzerrungen haben dazu geführt, dass wir verhältnismäßig mehr in andere Vermögenswerte investieren und zu wenig in unsere natürlichen Vermögenswerte. Jedoch handele es sich nicht nur um ein Marktversagen, sondern auch um ein umfassenderes institutionelles Versagen.

Viele Institutionen haben sich als ungeeignet erwiesen, die externen Effekte zu managen. Fast überall verschärfen Regierungen das Problem, indem sie Menschen mehr dafür bezahlen, die Natur auszubeuten, als sie zu schützen; nicht nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten genießen Vorrang. Eine vorsichtige Schätzung der globalen Gesamtkosten von Subventionen, die die Natur schädigen, beläuft sich auf etwa 4 bis 6 Billionen US-Dollar pro Jahr.

Eine einfache Wahrheit akzeptieren

Laut dem Bericht beginnt die Lösung mit dem Verständnis und der Akzeptanz einer einfachen Wahrheit: Unsere Volkswirtschaften sind Teil der Natur und existieren nicht außerhalb von ihr. Zwar erkennen unsere Modelle die Endlichkeit natürlicher Ressourcen, aber sie implizieren auch, dass der technische Fortschritt diese Erschöpfbarkeit prinzipiell überwinden könne.

Dieses Denken gelte es zu überwinden. Wenn wir uns und all unsere Aktivitäten als Teil der Natur begreifen, können wir auch verstehen, dass die menschliche Wirtschaft begrenzt ist und was eine nachhaltige Entwicklung tatsächlich ausmacht – die vollständige Berücksichtigung der Auswirkungen all unserer Interaktionen mit der Natur.

Fast Fashion als Beispiel

Eines der Beispiele, anhand derer im Bericht Wirkungszusammenhänge deutlich gemacht werden, ist die Bekleidungsindustrie. Die globale Fast-Fashion-Industrie setzt auf billige Herstellung, um zu häufigeren Käufen anzuregen. Kleidungsstücke werden weit vor ihrer physischen Lebensdauer ausrangiert. Dadurch werden große Mengen an Textilien verbraucht – genannt wird ein Anstieg pro Kopf von 5,9 kg auf 13 kg zwischen 1975 und 2018. Im Jahr 2019 war die Branche weltweit etwa 36 Milliarden US-Dollar wert und wird voraussichtlich im Jahr 2023 etwa 38 Milliarden US-Dollar wert sein. Zu ihren Umwelteinflüssen gehören Wasserverbrauch, chemische Verschmutzung, Kohlendioxidemissionen und Textilabfälle. Es wird geschätzt, dass die Industrie jährlich 8 bis 10 Prozent der globalen CO2-Emissionen produziert und über 79 Billionen Liter Wasser verbraucht. Färben und Aufbereiten der Textilien machen 20 Prozent der weltweiten industriellen Wasserverschmutzung aus. Darüber hinaus verursacht die Bekleidungsindustrie 35 Prozent der Verschmutzung der Ozeane durch Mikroplastik – 190.000 Tonnen pro Jahr. Über 92 Millionen Tonnen Textilabfälle landen jährlich auf der Deponie oder werden verbrannt.

Es gelte die Art und Weise zu ändern, wie wir denken, handeln und Erfolg messen. Konsum- und Produktionsmuster müssten grundlegend umstrukturiert werden, Standards für Wiederverwendung, Recycling und gemeinsame Nutzung entlang der gesamten globalen Lieferketten politisch durchgesetzt werden. Das Finanzsystem muss Investitionen – öffentliche und private – in wirtschaftliche Aktivitäten lenken, die unseren Bestand an Naturgütern verbessern und nachhaltige Konsum- und Produktionsaktivitäten fördern. Diese und weitere umfassende transformative Veränderungen seien möglich. Derselbe Einfallsreichtum, der die Menschen dazu gebracht habe, der Natur in so kurzer Zeit einen so immensen Schaden zuzufügen, könne für diese existenzielle Aufgabe genutzt werden.

Hintergrund: Der Dasgupta-Bericht ist nach dem Leitautor des Berichts benannt, dem renommierten Wirtschaftswissenschaftlers Partha Dasgupta, emeritierter Professor für Ökonomie an der britischen University of Cambridge. Der Bericht wurde von der Regierung Großbritanniens in Auftrag gegeben und erschien am 2. Februar 2021 in London. Er bewertet den wirtschaftlichen Nutzen der biologischen Vielfalt weltweit sowie die wirtschaftlichen Kosten und Risiken des Biodiversitätsverlustes. Darüber hinaus werden Maßnahmen identifiziert, die die biologische Vielfalt verbessern und gleichzeitig wirtschaftlichen Wohlstand schaffen sollen. Hierfür werden konkrete Beispiele angeführt, bei denen Institutionen bereits erfolgreich Ökosysteme an verschiedenen Orten wiederherstellen und erhalten. pf


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