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Atombombentests auf den MarshallinselnDie Vertreibung aus dem Paradies

Mann misst Strahlung auf den Marshallinseln
Greenpeace kehrte im März mit der Rainbow Warrior III anlässlich des 40. Jahrestags der Evakuierung von Rongelap, die am 17. Mai 1985 begann, zu mehreren Atollen der Marshallinseln zurück, begleitet von einem Wissenschafts- und Strahlungsteam (Bild: © Greenpeace / Chewy C. Lin).

Die US-Atombombentests im Pazifik nach dem zweiten Weltkrieg wirken bis heute nach. Viele Inseln sind weiterhin kontaminiert und der Atommüll unzureichend gelagert. Betroffene warten noch immer auf Aufarbeitung.

26.05.2025 – Die US-Atombombentests auf den Marshallinseln in den 1940er und 1950er Jahren hatten verheerende gesundheitliche, soziale und ökologische Folgen vor Ort. Alle bewohnten Atolle der Inselgruppe wurden radioaktiv konterminiert. Eine Studie von Greenpeace zeigt die Folgen auf, die bis heute nachwirken.

Nuklear verseucht

Die Studie The Legacy of U.S. Nuclear Testing in the Marshall Islands des Institute for Energy and Environmental Research (IEER) im Auftrag von Greenpeace analysiert offizielle Dokumente aus US-Militärdaten, wissenschaftlichen Analysen und medizinischen Quellen von 1945 bis heute.

Zusammengenommen wurde auf den Marshallinseln eine Gesamtsprengkraft von 108 Megatonnen gezündet. Das entspricht dem Abwurf einer Hiroshima-Bombe an jedem einzelnen Tag über zwanzig Jahre. Die Daten zeigen, dass die Marshallinseln den Kriterien des US-Militärs für Atombombentest nicht entsprachen. Demnach sollten Atombombentests bereits seit 1945 nicht in einem Umkreis von 240 Kilometern von bewohnten Orten durchgeführt werden. Die ersten Tests am Bikini Atoll lagen jedoch nur 180 Kilometer von der bewohnten Insel Rongelap entfernt. Bereits nach drei Tests kam das Militär 1948 zu dem Schluss, dass die Marshallinseln auch meteorologisch nicht für Atombombentests geeignet seien. Fortgesetzt wurden die Nukleartests trotzdem.

Radioaktiver Regen

Radioaktivitätsmessungen und Dosisabschätzungen der US-Regierung zeigten bereits damals, dass in der gesamten Region radioaktiver Regen fallen würde. In Folge der Tests wiesen selbst die Menschen auf als ‚gering belastet‘ eingestuften Atollen durchschnittlich 60 Prozent höhere Strahlenbelastung der Schilddrüse auf als die evakuierte Bevölkerung von Pripjat nach Tschernobyl 1986. Von 24 bewohnten Inseln erhielten nur drei auch nur ein Krebs-Screening.

1954 zündete das US-Militär im Bikini Atoll zwei Meter über dem Erdboden die sogenannte Bravo-Bombe. Sie hatte eine Sprengkraft von etwa 1300 Hiroshima-Bomben und ist bis heute die größte von den USA gezündete Atombombe. Die Bewohner von Inseln wie Rongelap wurden nicht vorgewarnt oder über Gefahr und Auswirkung der Strahlung informiert. Es wurde entschieden, auf verschiedenen Inseln zu beobachten, wie sich die Strahlung auf Umwelt und Bewohner auswirkte, anstatt sie zu schützen.

Zwei Tage nach dem Atombombentest – viel zu spät – wurden die Bewohner von Rongelap vorläufig evakuiert, medizinisch untersucht und erstversorgt. Drei Monate später kehrten sie auf ihre Inseln zurück. Über die folgenden Jahrzehnte hatte die nukleare Kontamination katastrophale Folgen für die Bewohner. Viele erkrankten an Krebs, Frauen berichteten von zahlreichen Komplikationen in der Schwangerschaft und Missbildungen von Kindern. Da diese nie wissenschaftlich erhoben wurden, lässt sich die Kausalität der Erkrankungen nicht abschließend nachweisen. Ähnliche Berichte gab es jedoch auch im Nachgang von Bewohnern um Hiroshima.

Das Erbe der Atombombentests im Pazifik

Erst Ende der 1970er Jahre gab das US-Umweltministerium zu, dass die Inseln noch immer hochgradig verstrahlt waren. Die US-Regierung lehnte es jedoch ab, den Menschen zu helfen. 1985, also 40 Jahre nach dem Beginn der Atomtests, evakuierte die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Greenpeace die indigenen Bewohner der Insel Rongelap auf eigenen Wunsch und brachte sie auf die zuvor unbewohnte Insel Mejato, wo viele noch heute leben.

„Die Tests auf Rongelap stehen exemplarisch für eine menschenverachtende, imperiale Politik, die Menschenleben bewusst geopfert und pazifische Kulturen ignoriert hat”, sagt Thomas Breuer, Leiter des Friedensteams von Greenpeace. “Die Betroffenen verdienen endlich Anerkennung, Aufarbeitung und Gerechtigkeit.”

Die Sanierung der Inselgruppe, besonders der am stärksten betroffenen Inseln, bleibt schwierig. Sämtliche radioaktiven Abfälle wurden auf den Inseln zurückgelassen, und erst in den 1970er Jahren schrittweise zusammengetragen. Ein Teil des Atommülls wurde dabei in einem nicht ausgekleideten Atomtestkrater im als Runit Dome bekannten Betonbunker in der Enewetak-Lagune entsorgt. Der Runit Dome war nie als Endlager gedacht, und das verstrahlte Material kommt dort regelmäßig mit Meerwasser in Kontakt. Forscher warnen seit langem, dass der Runit  Dome bereits Risse aufweist, und nicht auf den steigenden Meeresspiegel oder Umweltkatastrophen ausgelegt ist.

Radioaktivität verbreitete sich weltweit

Die Analyse zeigt auch, dass die bei den nuklearen Tests freigesetzte Radioaktivität sich weltweit verbreitete. Die oberirdischen Tests auf den Atollen Bikini und Enewetak verursachten bis zu 100.000 zusätzliche Krebstote weltweit.

Anlässlich des 40. Jahrestags der Evakuierung kehrte Greenpeace dieses Jahr nach Rongelap zurück, um auf das Erbe der Atombombentests auf den Marshallinseln aufmerksam zu machen. jb

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