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Erdgas-Projekt in BayernEine Gemeinde gegen die fossile Besitznahme

drei Menschen knien vor zwei Plakaten, auf denen steht: 1. "Trennt euch von der fossilen Lobby, Wintershall raus" 2. Stoppt die Gasbohrung in Halfing, unser Wasser ist in Gefahr.
Protest der Bürgerinitiative Pro Halfing und Unterstützer:innen am Hauptquartier von Wintershall Dea in Kassel im November 2021. (Bild: Pro Halfing)

Der Öl- und Gasproduzent Wintershall Dea will im bayerischen Halfing Erdgas fördern und wähnt das geltende Bergrecht auf seiner Seite. Doch die Gemeinde kämpft mit vielen Unterstützer:innen und juristischen Mitteln gegen das Erdgas-Projekt an.

05.01.2022 – Zehn Jahre lang wurde in Irlach, nahe Halfing in Oberbayern, bereits Erdgas gefördert. Zwischen 1986 und 1996 wurden hunderte Millionen Kubikmeter Süßgas aus dem Boden entnommen. 2004 übernahm die damalige RWE Dea AG, die heute als Wintershall Dea firmiert, die Explorationslizenz und führte 2008 seismische Untersuchungen durch, die auf weitere Erdgasvorkommen im Boden schließen ließen. Entsprechende Aufsuchungserlaubnisse erteilte die zuständige Behörde, das Bergamt Südbayern, erstmals 2004 und verlängerte diese in den darauffolgenden Jahren insgesamt sieben Mal.

Die grundsätzliche Erlaubnis zur Erdgasförderung auf deutschem Boden regelt das geltende Bergrecht. Im dazugehörigen Bundesberggesetz ist eine sogenannte Rohstoffsicherungsklausel festgelegt, wonach öffentlich-rechtliche Vorschriften, die der Aufsuchung und der Gewinnung von Rohstoffen entgegenstehen, nur so weit anzuwenden seien, dass der Bergbau in möglichst geringem Maße beeinträchtigt wird. Zur Versorgungsicherheit der Bevölkerung habe der Abbau von Rohstoffen Vorrang. In Nordrhein-Westfalen im Rheinischen Revier etwa, pochen Landesregierung und der Energiekonzern RWE auf die geltende Rechtslage, um Enteignungen für den Abbau der Braunkohle durchzuführen.

Der Widerstand wächst

Doch ebenso wie im Rheinischen Revier ist im bayerischen Halfing der Widerstand gegen Abbau und Förderung fossiler Brennstoffe groß. Seit Wintershall Dea 2020 die Planungen für die erneute Förderung in Irlach intensivierte, wuchs auch der Widerstand. Im März 2021 startete Andrea Aicher von der Bürgerinitiative Pro Halfing eine Petition an die Bayerische Staatsregierung. „Anders als von Wintershall DEA behauptet, sind wir überzeugt, dass das Gas nicht auf sichere und umweltverträgliche Weise gefördert und aufbereitet werden kann“, so Aicher in der Petition.

Zuvor hatte Wintershall Dea ein Biomonitoring eingereicht, dass nach Ansicht von Aicher einige Lücken aufwies. „Das angrenzende Egger Moos sowie einige Bachläufe und Quellen wurden nicht berücksichtigt“, so Aicher gegenüber energiezukunft. Die Bürgerinitiative fürchtet vor allem um die Zukunft des Trinkwassers in der Region. Schon bei vorherigen Bohrungen habe es Probleme mit Grundwasser gegeben, das in höheren Schichten vorkommt. Auch schützenswerte Flora und Fauna-Gebiete seien durch Erdgasbohrungen gefährdet.

Im Sommer erreichte die Bürgerinitiative dann, dass eine Resolution gegen die Wiederinbetriebnahme des Gasfeldes im Gemeinderat von Halfing auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Mitte Juli wurde die Resolution mehrheitlich vom Gemeinderat angenommen. Auch die politische Mehrheit in Halfing stellt sich damit gegen die Planungen von Wintershall Dea. Mit dem Beschluss wurde auch eine Resolution an das Bergamt Südbayern übergeben, sich nochmalig mit dem Thema zu befassen und die Genehmigung für dieses Vorhaben nicht zu erteilen.

Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich

Die Resolution zeigte Wirkung. Ende Oktober teilte das Bergamt mit, dass eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung ergeben habe, dass eine eingehende Umweltverträglichkeitsprüfung nach europäischem Recht erforderlich sei. Der Bohrplatz liege zu nah an umliegenden Schutzzonen. Entsprechende fehlende Prüfungen hatten schon zu einem vorübergehenden Stopp des Braunkohletagebaus Jänschwalde geführt und sind aktuell Gegenstand eines Prozesses um den Weiterbetrieb des Tagebaus Turów auf polnischem Staatsgebiet.

Zusätzlich hat die Bürgerinitiative Pro Halfing gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe und dem Klimaaktivisten Andy Gheorghiu am 21. Dezember ein Schreiben an den bayerischen Minister für Wirtschaft und Energie Hubert Aiwanger verschickt, mit der Aufforderung die immer wieder verlängerte Aufsuchungserlaubnis zu widerrufen. Aus ihrer Sicht ist die verlängerte Erlaubnis rechtswidrig.

Laut Bundesberggesetz ist die Erlaubnis zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen auf höchstens fünf Jahre zu befristen. Sie kann um jeweils drei Jahre verlängert werden, allerdings nur, wenn das Erlaubnisfeld „trotz planmäßiger, mit der zuständigen Behörde abgestimmter Aufsuchung noch nicht ausreichend untersucht werden konnte“. Nachdem der Erstbescheid 2005 ausgestellt wurde, gilt die aktuelle Verlängerung bis 31. März 2022. Die Verfasser des Schreibens an Herrn Aiwanger bezweifeln, dass es glaubhafte Gründe für eine zusätzliche Verlängerung der Aufsuchungserlaubnis um 17 Jahre gibt. Untersuchungen müssten längst abgeschlossen sein.

Darüber hinaus monieren die Bürgerinitiative und ihre Mitstreiter die fehlende Gemeindebeteiligung. Laut Bundesberggesetz sei eine Aufsuchungserlaubnis zu versagen, wenn unter anderem öffentliches Interesse im Aufsuchungsfeld überwiegen. Dazu gehören Natur- und Gewässerschutz. In einem früheren Schreiben aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium heißt es dazu, dass in einem solchen Stadium noch keine Betroffenheit für die Planungshoheit der Gemeinde vorliege. Doch Bürgerinitiative und Co. verweisen hierzu auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1998, wonach sehr wohl vor der Entscheidung über die Verleihung einer Bergbauberechtigung Gemeinden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist.

Bergrecht soll modernisiert werden

Eine Antwort des bayerischen Wirtschaftsministers auf das Schreiben steht noch aus, ebenso wie die Umweltverträglichkeitsprüfung. Nicht nur Klima- und Umweltaktivist:innen fordern derweil eine grundsätzliche Reform des geltenden Bergrechts. Im Koalitionsvertrag hat das Ampel-Bündnis bereits angekündigt, das Bergrecht modernisieren zu wollen. Karl Bär, Abgeordneter der Grünen im Bundestag aus Oberbayern, hat dabei die Menschen aus Halfing im Blick, wenn er im Gespräch mit der energiezukunft sagt: „Aus grüner Sicht heißt das für mich, dass dieses übergeordnete Recht, Bodenschätze für alles andere auszubeuten, der Vergangenheit angehören muss. Auch diese Ignoranz gegenüber den Wünschen der Bevölkerung vor Ort muss ein Ende haben.“

Zuletzt im Jahr 1982 überarbeitet und im Kern aus der Nazizeit stammend, sei das geltende Bundesberggesetz mit einem modernen Rechtsstaat nicht vereinbar, so Bär. Darüber hinaus verweist Bär auf landesrechtliche Vorgaben in Bayern, wonach die Unternehmen angehalten sind ihre sogenannten „Claims“, also grundsätzlichen Abbaugenehmigungen für ein Gebiet zu nutzen, da sie diese sonst verlieren und andere Firmen vergeben werden. „Das führt eigentlich zu einer Pflicht zur Ausbeutung von Bodenschätzen. Hier muss sich auch das bayerische Landesrecht an modernere Zeiten anpassen“, sagt Bär.

Ob sich die bayerische Landesregierung einer entsprechenden Reform annehmen wird, ist offen – ebenso wann sich die Bundesregierung um eine Modernisierung des Bergrechts kümmern wird. Zuständig für einen entsprechenden Gesetzesentwurf ist das von den Grünen geführte Wirtschafts- und Klimaschutzministerium. Manuel Först


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