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EnergiekriseEuropas Energiefresser Plastik

Plastikmüllberg vor einem Gebäude
2019 demonstrierte Greenpeace Polen mit 350 kg abgeladenen Plastik gegen den Plastikverbrauch von Nestlé. (Bild: Greenpeace Polska, flickr, CC BY-ND 2.0)

Der Energiebedarf der Plastikproduktion stellt alle anderen industriellen Prozesse in Europa in den Schatten, wie ein neuer Bericht zeigt. Besonders drei Staaten stechen hervor. Dabei könnten schnell umzusetzende Maßnahmen enorm helfen.

27.09.2022 – Fast neun Prozent des gesamten Gasverbrauchs und acht Prozent des gesamten Ölverbrauchs in der Europäischen Union entfallen auf die Produktion von Plastik. Das geht aus einem Bericht von Break Free From Plastic hervor, einem internationalen Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Aktivist:innen. Der Bericht wurde am heutigen Dienstag veröffentlicht und lag der energiezukunft vorab vor. Zum Vergleich: Die verbrauchte Menge an Erdgas für die Plastikproduktion ist etwa dreimal höher als der gesamte Verbrauch der EU-Stahlindustrie. Auch Automobilbau, der Maschinenbau sowie Nahrungsmittel und Getränke kommen nicht an den fossilen Energiebedarf von Plastik heran.

Unterstützt wurde der Bericht unter anderem vom Energie-Campaigner und Aktivisten Andy Gheorghiu. „Ich habe mir schon gedacht, dass wir spannenden Erkenntnissen auf der Spur sind, aber dass der Energieverbrauch industrieller Prozesse zur Herstellung von Plastik in der EU so hoch sein wird, hätte ich nicht erwartet“, so Gheorghiu gegenüber energiezukunft. Grundlage des Berichts sind die neusten verfügbaren Daten von Eurostat, dem statistischen Amt der EU, die das Jahr 2020 abbilden. Für die Produktion von 55 Millionen Tonnen Plastik bedurfte es demnach 25 Milliarden Kubikmeter Gas und 35 Millionen Tonnen Öl und Petroleum-Produkte. Das ist etwa gleichzusetzen mit dem Gasverbrauch in den Niederlanden und fast so viel wie der Ölverbrauch Italiens im Jahr 2020.

Allein ein Viertel des europäischen Gasverbrauchs für die Plastikproduktion entfiel dabei auf Deutschland, ein Fünftel allein auf die Niederlande. Beim Ölverbrauch für die Plastikproduktion wiederum liegt die Niederlande mit einem Anteil von über einem Drittel vorn, gefolgt von Belgien und Deutschland. Neben den drei genannten Staaten sieht der Bericht vor allem Spanien, Frankreich, Italien und Polen in der Verantwortung. Die sieben europäischen Mitgliedsstaaten sind zusammen für 77 Prozent aller Kunststoffverpackungsabfälle in der EU verantwortlich. Eine Verringerung von 50 Prozent bei Kunststoffverpackungsabfällen und eine Recycling-Rate von 90 Prozent würden demnach zu einer Verringerung von rund 6,2 Milliarden Kubikmeter Gas und 8,7 Millionen Tonnen Öl auf EU-Ebene führen, so die Autor:innen des Berichts.

„Plastik ist Teil unseres Alltags und etwa bei elektronischen und medizinischen Geräten von Nutzen, aber wenn man sich den Markt genauer ansieht, stellen wir fest, dass 40 Prozent der Plastikproduktion für Einwegplastik draufgeht. Das ist ein Markt, der keinen profunden Nutzen hat und der nur da ist, damit einzelne privatwirtschaftliche Unternehmen Produkte haben, die sie dauerhaft produzieren können“, sagt Gheorghiu. Immerhin hat die Europäische Union mit dem Verbot von Plastikstrohhalmen und Plastikbesteck sowie dem Teilverbot von Plastiktüten erste wichtige Schritte unternommen und eine Studie aus dem letzten Jahr zeigt, dass eine wachsende Treibhausgasbilanz vor allem auf die boomende Plastikproduktion in kohlebasierten Schwellenländern zurückzuführen ist. Doch der zivilgesellschaftliche Zusammenschluss Break Free From Plastic fordert auch von der EU und ihren Mitgliedsstaaten weitere sofortige Maßnahmen den Konsum von Einwegplastik einzudämmen und damit zudem etwas gegen die Energiekrise zu tun.

So müsse etwa die „Waste-Framework“ und „Single-Use-Plastics“-Direktive ausgeweitet und deren Umsetzung beschleunigt werden. Enthalten sein sollten etwa höhere Annahme-Vermeidungs- und Wiederverwendungsziele. Dafür müsste auch die sogenannte „Packaging and Packaging Waste Directive“ – kurz PPWD – überabeitet werden. Darin sollte eine Obergrenze für Einwegverpackungen enthalten sein, die mit der Zeit abnimmt. Auch sollten Verpackungen, wie Portionsbeutel für Obst und Gemüse und Überverpackungen verboten werden, fordern die Autor:innen des Berichts.

„Es gilt jetzt im Eiltempo Mehrweg zur Norm zu machen“, so Gheorghiu, der in Deutschland zudem eine Debatte darüber anmahnt, wem bei drohender Gefahr eines Mangels weiterhin Energie zusteht und wem nicht. „Ich finde wir müssen durchaus Überlegungen darüber anstellen, ob man nicht bestimmte energie- und rohstoffintensive Industriesektoren im Winter in den Lockdown schickt, wenn der Mangel da ist und diese Sektoren nicht essenziell notwendige Produkte herstellen.“ Auch vor dem Hintergrund einer Debatte um neue LNG-Terminals müsse nun genau überprüft werden, wie hoch der künftige Bedarf an Flüssiggas für die Einweg-Plastik-Produktion ist und in wie weit sich dieser minimieren ließe, fordert Gheorghiu. Manuel Grisard


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Kommentare

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Schäfer 27.09.2022, 16:02:43

Ist schon Wahnsinn, dass die Verpackungsindustrie einem immer vorrechnet, dass dies so viel CO2 einspart, wenn man Dinge in Tetra Pack o.ä. verpackt.

Meiner Meinung nach müsste auf jedem Produkt draufstehen, wie viel kWh in der Verpackung stecken. Manchmal ist es ja wirklich absurd wie was verpackt wird und am Schluss sind die Kalorien innerhalb der Verpackung für den Verzehr weniger als das Zeug drumherum.

 

Kleine Anmerkung zum Text oben: Ich denke die 25 Millionen Kubikmeter Gas müssten 25 Milliarden heißen

Manuel Grisard 28.09.2022, 11:34:54

+41 Gut

Vielen Dank für den Hinweis! Sie haben natürlich recht mit den 25 Milliarden Kubikmetern. Ich habe die entsprechende Stelle korrgiert. Mit besten Grüßen Manuel Grisard von der Redaktion der energiezukunft

H.-H.Gerke 28.09.2022, 10:00:08

Es ist erschreckend wo überall die Ressourcen verbraucht werden die eigentlich woanders nützlicher einzusetzen sind. In dem Fall Verpackungsmaterial kommt ja auch noch hinzu das große Mengen nach dem Gebrauch in Drittländer entsorgt werden.

Statt im eigenen Land mit moderner Technik zu recyceln und neue Produkte herzustellen, wird die Umwelt nach dem Export das zweite Mal belastet. Eine irre Welt in der nur Gewinnmaximierung im Vordergrund steht!


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