Entwaldung: Keine Rodung für Kaffee und Co.
Mit einem neuen Gesetz will die EU entwaldungsfreie Lieferketten schaffen. Bisher wiesen vor allem freiwillige Nachhaltigkeitslabel auf weniger Waldzerstörung hin. Doch eine Studie weckt Zweifel an den Praktiken der Zertifizierer.
21.08.2024 – Die Landwirtschaft ist hauptverantwortlich für das Verschwinden der Wälder weltweit. Noch immer wird Wald gerodet, um zusätzliche Flächen für die Landwirtschaft zu schaffen. Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk, Soja und Holz gehören zu den größten Treibern der Entwaldung.
Nach mehreren Jahren Verhandlungen verabschiedete die EU vor etwas mehr als einem Jahr die Verordnung für entwaldungsfreie Rohstoffe und Produkte (EU Deforestation Regulation, EUDR). Seit Ende Juni 2024 tritt die Verordnung nun in Kraft, zunächst nur für große Unternehmen, und bis Mitte 2025 dann für alle Betriebe. Ab dann müssen alle Unternehmen Informationen einholen, bewerten und abwägen, ob für das Produkt Wälder gerodet wurden. Dabei ist unerheblich, ob die Rodung im Herkunftsland legal oder illegal war. Entwaldungsfrei bedeutet, dass die Produkte nicht von Flächen stammen dürfen, die nach Ende 2020 gerodet wurden. Ziel ist, Umwelt, Klima und Biodiversität umfassender zu schützen.
Siegel schützen nur mäßig
Die Nachweispflicht ist neu, doch es gibt bereits seit Jahrzehnten freiwillige Nachhaltigkeitssiegel, die mehr Schutz für Wälder garantieren sollen. Für die Bewertung der Umsetzung der EUDR werden diese Zertifizierungen als unterstützendes Instrument anerkannt. Eine Studie stellt nun in Frage, wie vertrauenswürdig die großen Nachhaltigkeitszertifizierer FSC, RTRS, RSPO, Fairtrade International and Rainforest Alliance im Hinblick auf Entwaldung sind.
Die im Forest Policy and Economics journal veröffentlichte Studie befand, dass die Regeln der Label hinter den Anforderungen der EUDR zurückblieben. Zudem wird der Umgang der Label mit Verstößen bemängelt. Auch bei offensichtlichen Verstößen hätten Unternehmen in der Vergangenheit die Zertifizierung behalten dürfen.
Einhaltung der Standards mängelbehaftet
Keines der Zertifizierungssysteme biete Schutz vor Entwaldung und Waldschädigung wie vom EUDR gefordert. Zwar würden größere Teile der notwendigen Indikatoren abgedeckt, aber eben nicht genug, um dem EUDR gerecht zu werden. Zudem täten die Label nicht genug, um die Einhaltung der Standards zu sichern. Audit Reports und Berichte über Non-Compliance seien beispielsweise nicht immer öffentlich einsehbar, und schon gar nicht nachvollziehbar zusammengefasst und präsentiert. Auch räumten die Systeme oft Spielräume ein, die etwa Entwaldung auf bis zu fünf Prozent der Flächen erlaubten.
Zusammenfassend befindet die Studie, dass die Zertifizierungen zwar herangezogen werden könnten, um Marktteilnehmer und ihre Praktiken zu prüfen. Für einen Nachweis, dass die Anforderungen des EUDR eingehalten würden, reiche es jedoch nicht. Earthsight und Friends of the Earth sowie verschiedene andere Organisationen hatten bereits in den vergangenen Jahren gewarnt, dass freiwillige Zertifizierungssysteme den Wald nicht ausreichend schützten. In einer Analyse von 2021 zeigte Earthsight, wie wenig das Forest Stewardship Council (FSC) seine eigenen Standards nachhält.
Den Wald leben lassen
Wälder nehmen CO2 auf, filtern Schadstoffe aus der Luft und produzieren Sauerstoff. Sie stabilisieren die Böden, regulieren Wasserkreisläufe und bieten vielfältigen Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum.
Die Abholzung von Wäldern setzt hingegen ehemals gebundenes CO2 frei. Wird ein zu großer Anteil eines Waldes abgeholzt, kann das Ökosystem des Waldes sich nicht mehr selbst generieren und seine ökologischen Funktionen nicht mehr erfüllen. Dies ist bei Teilen des Amazonas-Regenwaldes der Fall, die bereits mehr CO2 ausstoßen als sie speichern. Der Amazonas-Regenwald wird auch die grüne Lunge der Erde genannt, ein Name, der leider immer weniger zutrifft.
Bäume in Deutschland schützen
Auch in Deutschland wird derzeit über den Wald diskutiert. Die Koalitionsregierung hatte vereinbart, das veraltete Bundeswaldgesetz an Herausforderungen wie die Klimakrise, Artensterben und Ressourcenknappheit anzupassen. Besonders die wirtschaftliche Nutzung von Wäldern soll nachhaltiger gestaltet werden. NGOs wie der BUND und der NABU befürworten, dass eine Gesetzesnovelle vorangetrieben wird, zeigten sich jedoch enttäuscht von den Inhalten.
„Mit dem heute bekannt gewordenen Entwurf rückt ein starkes Waldgesetz in weite Ferne“, kritisiert Patrick Rohde, interims Geschäftsführer Politik beim BUND am Dienstag. „Ökologische Mindeststandards Fehlanzeige, wirksames Kahlschlagverbot Fehlanzeige, Schutz von Waldboden und heimischen Baumarten Fehlanzeige.“ Der Entwurf für dieses Gesetz sei eine zahnlose Mikro-Novelle und müsse dringend nachgebessert werden.
Konkret fordert der BUND, grundlegende Funktionen des Waldes im Gesetzeszweck zu ergänzen. Dazu gehöre, die Gemeinwohlfunktion der öffentlichen Wälder zu stärken, Kahlschläge und übermäßige Auflichtung des Kronendaches zu verbieten, Mindeststandards für Biotopbäume, Totholz und Bodenschutz einzuführen, den Waldumbau voranzutreiben und Naturverjüngung zu schützen. jb