UN-Biodiversitätskonferenz: Land nachhaltig nutzen, Biodiversität schützen
Bis 2030 sollen 30 Prozent aller Land-, Wasser- und Meeresflächen der Welt unter Schutz gestellt werden. Wie das gelingen kann, wird in den kommenden Wochen auf der Weltnaturkonferenz der Vereinten Nationen in Kolumbien verhandelt.
23.10.2024 – Anfang der Woche ist die 16. UN-Biodiversitätskonferenz (COP16) in Calí, Kolumbien gestartet. Über zwei Wochen diskutieren knapp 200 teilnehmende Länder über nationale Biodiversitätsstrategien, Aktionspläne und deren Finanzierung. Forscher und NGOs hoffen auf klare Zusagen.
Die Erde schützen
Weltweit gilt ein Viertel aller Tier- und Pflanzenarten als bedroht. In Europa allein sind über 80 Prozent der Ökosysteme degradiert. Um gegen die weltweite Biodiversitätskrise anzugehen, einigten sich die Staaten bei der letzten Biodiversitätskonferenz 2022 in Montréal auf ein umfassendes Abkommen zum Schutz der Umwelt. Bis 2030 sollen insgesamt 30 Prozent aller Land-, Wasser- und Meeresflächen der Welt geschützt werden.
Im Vorfeld der Konferenz sollten Länder bereits ihre nationalen Biodiversitätsstrategien einreichen. Getan haben dies nur wenige. Forscher und Umweltaktivisten kritisieren, dass der Biodiversitätsschutz bisher oft ein Papiertiger blieb, und erhoffen sich vom COP16 konkrete Maßnahmen, um das Montréal-Abkommen umzusetzen.
„Durch das Artensterben und die Naturzerstörung droht ein ökologischer Kollaps“ warnt Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND. „Der neue Plan zum Schutz der globalen Biodiversität ist gut, doch es braucht auch den politischen Willen, diesen umzusetzen. Die Bundesregierung muss sich in Cali für klare Vorgaben zur Überwachung des Zustands der Natur, für eine gesicherte Finanzierung des weltweiten Biodiversitätsschutzes und für die Wahrung der Menschenrechte aller Beteiligten beim Naturschutz einsetzen“, fordert Bandt.
Die stille Krise
„Haupttreiber der Biodiversitätsverluste auf globaler Ebene ist die sogenannte Landnutzung-Änderung, etwa durch Rodungen, Ausbau der Landbewirtschaftung, Infrastrukturprojekte, Zersiedlung und so weiter“, sagt Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität der Tiere an der Universität Hamburg und Wissenschaftlicher Projektleiter am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Hamburg. Vielfach seien die Schutzgebiete zu klein und zu isoliert und verinselt. Sie müssten erweitert und vernetzt – und vor allem sehr viel stärker von wirtschaftlicher Nutzung ausgenommen werden – auf 30 Prozent der Erdoberfläche. Und: Genutzte Flächen müssten renaturiert werden, und zwar in der gleichen Größenordnung: 30 Prozent.
„Die Effektivität wird davon abhängen, inwieweit Schutzgebiete von verschiedenen Ressortpolitiken berücksichtigt und die Gefahren für Biodiversität reguliert werden“, gibt Yves Zinngrebe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department Naturschutzforschung, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig zu denken. Finanzierung sei sinnlos, wenn sie zum einen mit anderen Finanzierungsmechanismen konkurriere und wenn es zum anderen keine effizienten Strukturen für ihre Verteilung gebe. „Wenn Landwirte zum Beispiel mehr Finanzierung für Intensivierung bekommen, wird die Förderung von nachhaltiger Nutzung in den Entscheidungen hinten runterfallen. Statt viel neues Geld auszugeben, erscheint eine verstärkte Arbeit an der Abschaffung schädlicher Anreize noch wichtiger.“
Zusammen die globale Biodiversität schützen
Um diese Aufgaben zu bewältigen, verpflichteten sich die Industrienationen unter anderem, bis 2025 jährlich 20 Milliarden US-Dollar, und anschließend bis 2030 jährlich 30 Milliarden US-Dollar für den Biodiversitätsschutz im Globalen Süden bereitzustellen. Die Finanzierung der Gelder für den Globalen Süden blieb weitgehend unklar. Deutschland sicherte bis 2025 jährlich 1,5 Milliarden zu – umgesetzt wurde dies allerdings bisher nicht.
Das UN-Abkommen kann grundsätzlich nur symbolisch verpflichten, Sanktionsmöglichkeiten gibt es nicht. Als Leitlinie dient es zur Zielsetzung und Gestaltungshilfe politischer Ziele. Die EU hat die 30x30-Vereinbarung in diesem Jahr nach langen Verhandlungen im europäischen Renaturierungsgesetz verankert. Auch in Deutschland steht die Ausarbeitung einer Biodiversitätsstrategie auf der Agenda.
Verhandeln im Auge des Sturms
Die Menschenrechtsorganisation Global Witness mahnte bereits im Vorfeld der Konferenz, dass Kolumbien das wohl tödlichste Land für Umweltschützer sei. Im vergangenen Jahr registrierte die Organisation 79 Morde an Naturschützern, die höchste jährliche Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen 2012. Der Biodiversitätsschutz wird im Auge des Sturms verhandelt. jb