Gewässerschutz: Mehr tun für saubere und artenreiche Flüsse

Viele Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen an Flüssen verbessern die Biodiversität nicht oder nur wenig, so das Fazit einer internationalen Studie. Auch der Schutz der europäischen Fließgewässer liegt im Argen, die Politik tut zu wenig.
07.02.2025 – Zahlreiche Länder und Regionen haben Gesetze erlassen, die die Verschmutzung von Flüssen reduzieren sowie Ökosysteme wieder herstellen sollen. Dazu gehören der Clean Water Act in den USA, die europäische Wasserrahmenrichtlinie oder das Kunming-Montreal-Abkommen zur globalen Biodiversität. Renaturierung, Abwasseraufbereitung oder weniger Düngereinsatz sollen die Biodiversität an Flüssen erhalten oder verbessern. In einer Studie hat ein internationales Forschungsteam die Effektivität dieser Maßnahmen unter die Lupe genommen und ist zunächst zu ernüchternden Ergebnissen gekommen.
„Vielerorts reichen die Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen nicht aus, um die Belastungen unserer Flüsse auszugleichen“, berichtet Peter Haase vom Senckenberg Forschungsinstitut. „Der Verlust der biologischen Vielfalt in Flüssen ist weitaus stärker als in terrestrischen oder marinen Ökosystemen: 88 Prozent der Megafauna wie Flussdelfine, Schildkröten und Störe sind vom Aussterben bedroht.“ Das Forschungsteam hat insgesamt 7.195 Projekte in 26 Regionen der Welt, verteilt über verschiedene Kontinente, Länder und Flusseinzugsgebiete im Hinblick auf ihre Effektivität zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Flüssen ausgewertet. „Die große Mehrzahl dieser Schutzmaßnahmen erzielte entweder keine oder nur geringe Verbesserungen der Biodiversität“, resümiert Haase.
Dass die Maßnahmen nur geringe Verbesserungen für die Artenvielfalt brächten, bedeute aber nicht zwangsläufig, dass sie keinen Nutzen hätten. Vielmehr fehle es vielfach an Konzepten, die mehrere Stressfaktoren gleichzeitig in den Blick nehmen. Es gelte diffuse Verschmutzungen, invasive Arten und den richtigen geografischen Maßstab in den Fokus zu nehmen, über Ländergrenzen hinweg zu kooperieren und soziale Aspekte einzubeziehen.
Auch Gewässer in Europa sind in keinem guten Zustand
Zum Zustand der Gewässer in der EU hat erst kürzlich die Europäische Kommission einen aktuellen Bericht veröffentlicht. Europas Gewässern geht es demnach nicht gut: sie sind verschmutzt, die Wasserversorgung ist bedroht, die Hochwasservorsorge unzureichend – diese Befunde weisen allerdings große regionale Unterschiede auf.
Deutschland gehört eher zu den Ländern mit großem Handlungsbedarf: Die Oberflächengewässer weisen hierzulande einen schlechten ökologischen und chemischen Zustand auf. Zum Bewirtschaftungsplan für Flusseinzugsgebiete stellt der Bericht fest, dass Deutschland sich schwertut, die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Es wird mehr Ehrgeiz angemahnt: Ausnahmen von der Wasserrahmenrichtlinie sollten besser begründet werden, die Verschmutzung angegangen und mehr Investitionen in die Wiederherstellung von Gewässern fließen.
Bei der Umsetzung der Hochwasserrichtlinie sieht der Bericht deutliche Verbesserung beim Hochwasserrisikomanagement, bemängelt jedoch, dass die meisten Pläne keine quantitativen Ziele enthielten. Die Wirksamkeit der Maßnahmen sei deshalb kaum zu beurteilen.
Politik soll Revitalisierungen von Flüssen priorisieren
Mit dem Appell, Flussrevitalisierungen als wichtige strategische Zukunftsinvestition nicht hintenanzustellen, wenden sich Forschende des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) an Politik und Behörden. Sie empfehlen der Politik in enger Zusammenarbeit mit den Bundesländern die Revitalisierung von Flüssen stärker zu priorisieren und zu unterstützen.
Die Forschenden weisen auf das große Umsetzungsdefizit bei der Durchsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie hin. Nur acht Prozent der Fließgewässer in Deutschland erreichen demnach den geforderten sehr guten oder guten ökologischen Zustand. Dabei müssten alle berichtspflichtigen Gewässer dieses Ziel bereits 2027 – im übernächsten Jahr – erreicht haben. „Das ist utopisch und zeigt, dass schon seit zwei Jahrzehnten ein großes praktisches Umsetzungsdefizit bei Verbesserungsmaßnahmen herrscht“, unterstreicht Jörn Gessner, IGB-Forschungsgruppenleiter und Mitautor des Policy Briefs.
Jessner benennt als Ursachen fehlendes Geld, Personal und Flächen. Aber er benennt auch Interessenkonflikte mit anderen Politikfeldern wie Landwirtschaft, Verkehr und Energie. Gefordert wird neben einer offiziellen Priorisierung mit klaren Zielvorgaben ein gesunder Pragmatismus. Eine konstruktive Fehlerkultur statt des alleinigen Primats auf absoluter Rechtssicherheit würde wertvolles Revitalisierungswissen schaffen und zukünftige Umsetzungen verbessern helfen. Außerdem haben die Forschenden an der Konfliktlinie zwischen natürlichen Flussläufen und kleinen Wasserkraftanlagen einen klaren Standpunkt: Fehlanreize sollten vom Gesetzgeber dringend neu bewertet werden. Gleiches gelte für Baumaßnahmen an als Wasserstraßen eingestuften Flüssen, die viel kritischer auf ihre Notwendigkeit geprüft und in deren Kosten-Nutzen-Bilanz schädliche ökologische Effekte viel transparenter dargelegt werden müssten. pf