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KlimawandelNeue Hitzewelle bedroht Sibirien

Satellitenbild von der Region um Norilsk, mit rotgefärbten Flusläufen aufgrund der Ölkatastrophe.
Wahrscheinlich ausgelaufen am 28. Mai, war die Ölkatastrophe am 31. Mai auf Satellitenbildern sichtbar. Flussläufe wurden durch den ausgetretenen Diesel rot gefärbt. (Bild: ESA, Copernicus Programme, CC BY-SA IGO 3.0)

Im Mai lagen die Temperaturen in Teilen Sibiriens 10 Grad über dem bisherigen Durchschnitt. Tauende Permafrostböden sorgten bereits für eine Ölkatastrophe und im Sommer könnte es verheerende Waldbrände geben. Weitere langfristige Folgen drohen.

15.06.2020 – Schon wieder ein neuer Hitzerekord. Noch nie war es global gesehen im Mai so heiß wie dieses Jahr. 0,63 Grad wärmer war der Monat als im bisherigen Durchschnitt. Dabei gab es zum Teil große regionale Unterschiede, wie das europäische Forschungszentrum Copernicus Climate Change Service ermittelt hat. Während in Deutschland der Mai vergleichsweise kühl war, sah es in Teilen Sibiriens ganz anders aus. 10 Grad über dem Durchschnitt lagen die Temperaturen dort im vergangenen Monat.

In Norilsk wurden am 23. Mai 23 Grad gemessen. Normalerweise liegt die Temperatur im Mai dort durchschnittlich bei Minus 4,8 Grad. In diesem Jahr fiel das Thermometer nur stundenweise unter Null, wie t-online recherchiert hat. Seit einiger Zeit schreitet der Klimawandel in Sibirien besonders rasant voran. Schon 2019 verzeichnete Russland das bislang wärmste gemessene Jahr. Das bedroht die Permafrostböden Sibiriens – mit fatalen Folgen für Umwelt- und Klimaschutz.

Zwar leben in den Permafrostgebieten des Landes nur wenige Menschen, aber ein Großteil der Bodenschätze und deren Förderung befinden sich dort. Nahe Norilsk liegt solch ein Industriegebiet. Und der tauende Permafrostboden sorgte kürzlich für einer der schlimmsten Umweltkatastrophen des Landes. Ein Tank mit 21.000 Tonnen Diesel kippte Ende Mai und entlud seinen giftigen Inhalt in die Umgebung. Er war auf Pfeilern im Permafrostboden befestigt. Doch durch den aufweichenden Boden wurden die Pfeiler instabil und konnten den Tank nicht mehr halten. Der Diesel gelangte in den Fluss Ambarnaja, der nach Schätzungen von Umweltschützern inzwischen auf mehr als 20 Kilometern verseucht ist. Die Säuberung wird Wochen dauern, die Rekultivierung Jahre.

Schon droht die nächste Katastrophe

Die hohen Temperaturen fördern ebenfalls die Gefahr verheerender Waldbrände. Bereits im Sommer 2019 wüteten monatelange Brände in den Wäldern Sibiriens. Am Ende waren neun Millionen Hektar abgebrannt – eine Fläche doppelt so groß wie Nordrhein-Westfalen. Waldbrände sind für die Region nicht ungewöhnlich und fördern bis zu einem gewissen Grad die natürliche Erneuerung der Natur. Doch durch starke Winde, Dürre und hohe Temperaturen war das Ausmaß im letzten Jahr fatal.

Auch in diesem Jahr ist das Waldbrandpotenzial enorm. In normalen Wintern sorgt eine dicke Schneedecke dafür, dass die Böden bis in den Sommer hinein nicht austrocknen. Doch dieses Jahr gab es aufgrund eines milden Winters nicht genug Schnee. Dazu kommt der ungewöhnlich heiße und trockene Frühling, der die Böden zusätzlich austrocknet. Sogenannte „Zombie-Feuer“, die seit letztem Sommer unter der Erde schwelen, könnten unter den aktuellen Bedingungen wieder zu verheerenden Bränden in Sibirien führen.

Und damit nicht genug

Der auftauende Permafrostboden wird indes riesige Mengen an Treibhausgasen freisetzen. Weltweit halten Permafrostböden schätzungsweise 1.300 Gigatonnen Kohlenstoff unter Verschluss, etwa doppelt so viel wie in unserer Atmosphäre enthalten ist. Allein in Russland sind zwei Drittel der Landesfläche von Permafrostböden bedeckt. Experten schätzen, dass bis 2080 ca. 25 Prozent dieser Böden aufgetaut seien könnten.

Permafrostböden gelten als einer der Kippelemente unserer Erde: Das Auftauen der Böden führt dazu, dass Treibhausgase freigesetzt werden, die wiederum die globale Erwärmung antreiben. Das wiederum führt zu einem beschleunigten Auftauen des Permafrosts. Doch wie bereits Anfang des Jahres im Zuge eines vorgelegten Klimaplans deutlich wurde, setzt Russland auf wirtschaftliche Vorteile durch ein wärmeres Klima, wie einen erweiterten Zugang zu Ressourcen und bessere landwirtschaftliche Nutzbarkeit der Fläche. Die Dieselkatastrophe von Norilsk sollte Ihnen jedoch auch wirtschaftlich zu denken geben. mf


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