Deep Sea Mining: Norwegen stoppt Tiefseebergbau-Pläne
Über ein Jahr lang hat Norwegen Tiefseebergbau-Pläne in seinen Hoheitsgewässern vorangetrieben. Nun erfolgte überraschend ein vorläufiger Stopp. Die Pause könnte Zeit schaffen, um die wissenschaftlichen Grundlagen der Entscheidung zu prüfen.
03.12.2024 – Norwegens Tiefseebergbaupläne liegen vorerst auf Eis. Bis Ende 2025 sollen entgegen vorherigen Ankündigungen keine Lizenzen für Erkundung oder Abbau von Tiefseebodenschätzen in den norwegischen Hoheitsgewässern vergeben werden. Der vorläufige Stopp sei ein Zugeständnis der Minderheitsregierung an die Sozialistische Linkspartei, um den Haushalt für 2025 zu verabschieden, berichtet der Deutschlandfunk.
“Dies ist ein entscheidender Sieg im Kampf gegen den Tiefseebergbau in der Arktis. Norwegens Entscheidung kommt gerade noch rechtzeitig, denn schon im Frühjahr 2025 sollten die ersten Abbaulizenzen an diese zerstörerische Industrie vergeben werden“, sagt Greenpeace-Meeresexpertin Daniela von Schaper. Viel zu lange habe Norwegen versucht, die Ausbeutung der Tiefsee im Schnellverfahren durchzuwinken, ohne die katastrophalen Konsequenzen zu bedenken.
Norwegens Alleingang
Erst Anfang des Jahres hatte das norwegische Parlament als erstes Land der Welt den Weg freigemacht für Tiefseebergbau in seinen Hoheitsgewässern. Der kommerzielle Abbau von Mangan- und Kobaltkrusten sollte in einem rund 281.200 Quadratkilometer großen Gebiet um die arktische Inselgruppe Svalbard erkundet werden.
Bisher ist der Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee noch nirgendwo erlaubt. Über mögliche Rahmenbedingungen in internationalen Gewässern wird seit Jahrzehnten verhandelt. Eine größer werdende Gruppe von Ländern, darunter auch Deutschland und die EU, fordern ein Moratorium für den Tiefseebergbau. Über 30 Mitglieder der Internationalen Meeresbehörde, die internationale Forschungsgemeinschaft sowie zahlreiche Umwelt- und Klimaschutzorganisationen und Umweltbehörden kritisierten Norwegens Alleingang scharf.
Umweltauswirkungen nicht ausreichend berücksichtigt
Besonders die strategische Folgenabschätzung des Energieministeriums beanstandeten WWF und Greenpeace als mangelhaft. Greenpeace kritisiert in einer Analyse, dass Norwegen die Auswirkungen auf die Umwelt nicht ausreichend geprüft habe, bevor es die Gebiete freigab. Der norwegische „Seabed Minerals Act“ sei nicht detailliert genug, Auswirkungen auf die Tiefsee würden nur oberflächlich und unzureichend abgehandelt.
„Diese strategische Folgenabschätzung ist so schlecht, dass sie illegal ist“, sagt WWF-Norwegen-Geschäftsführerin Karoline Andaur. Die Folgeabschätzung entspreche nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen des Meeresbodenmineraliengesetzes und sei als Entscheidungsgrundlage zur Öffnung der Gebiete für den Tiefseebergbau untauglich. Der WWF Norwegen hat bereits vor einigen Monaten rechtliche Schritte gegen seine Regierung eingeleitet. Das Verfahren hatte erst vor wenigen Tagen begonnen.
Tiefsee – Erbe der Menschheit
„In diesem Rechtsstreit geht es nicht darum, ob wir Tiefseebergbau betreiben sollten, sondern darum, wie viel Wissen vorhanden sein muss, bevor Politiker wichtige Entscheidungen mit möglicherweise katastrophalen Folgen treffen“, sagt Andaur. Die schnelle Öffnung der norwegischen Gewässer zeige, dass andere Prioritäten Vorrang vor wissensbasiertem Naturmanagement hätten.
Forscher sind sich einig, dass nicht einmal ausreichend Wissen über die Tiefsee vorhanden ist, um wissenschaftlich begründete Regeln zu ihrem Schutz aufzustellen. Bekannt ist hingegen, dass bei nahezu jedem Tauchgang neue Arten entdeckt werden, dass die Ökosysteme der Tiefsee sich unendlich langsam entwickeln und damit auch regenerieren, und dass Tiefseebergbau – wie er bisher geplant ist – mit gewaltigen Maschinen dass Innere dieser Ökosysteme nach außen kehren würde.
„Es ist gut, dass dieser rücksichtslose Kurs gestoppt wird“, sagt Schaper. „Tiefseebergbau zerstört wertvolle Lebensräume, die sich über Jahrmillionen entwickelt haben – Lebensräume, die für das Überleben zahlloser Arten unverzichtbar sind. Diese Entscheidung darf kein Einzelfall bleiben, sondern muss der Anfang vom Ende des Tiefseebergbaus sein.” jb