Power-to-X für die Schiffahrt: Pionier-Produktionsstätte für erneuerbares E-Methanol in Dänemark
Im dänischen Kassø startet die weltweit erste kommerzielle Anlage zur Herstellung von E-Methanol ihre Produktion mit dem Ziel, die internationale Schifffahrt auf klimaverträglichere Kraftstoffe umzustellen.
04.01.2025 – Kassø? Den Ort kennt außer Dänemark-Liebhaber wohl kaum jemand, doch wird sich dies schon bald ändern. Denn in Kassø, auf der jütländischen Geest, beginnt ein neues Kapitel in der Geschichte umweltfreundlicher Kraftstoffe für die internationale Schifffahrt: Zum Jahreswechsel nimmt dort die weltweit erste kommerzielle Anlage zur Herstellung von E-Methanol (CH4O) ihre Produktion auf. Dabei kommt der grüne Strom zum einen aus einem benachbarten 350 Hektar großen Freiflächen-Solarpark und zum anderen aus dänischen Windparks. Das für die grüne Methanol-Erzeugung notwendige CO2 wird derweil von einer Biogasanlage bei Tønder geliefert. Dort wird das Rohbiogas in Biomethan, welches ins Gasnetz eingespeist wird, und in CO2 getrennt.
Pioniertat in Sachen grünem Methanol
Mit Hochdruck ist unter der Regie vom Betreiber European Energy die Power-to-X-Anlage gebaut worden. Seit Oktober läuft der Testbetrieb erfolgreich, nun soll nach den Worten von Unternehmenssprecherin Paula Carstensen die reguläre Produktion angefahren werden. „Es ist wie bei der Mondlandung vor mehr als 50 Jahren“, greift Jaime Casasus-Bribian, Projektleiter der European Energy indes zum Superlativ.
In der Tat ist das, was in Kassø errichtet worden ist, eine Pioniertat in Sachen grünem Methanol, das die EU mit ihrem Innovation-Fonds mit rund 55 Millionen Euro unterstützt hat. Welche industriepolitische Tragweite das Pionierwerk hat, zeigt allein der Umstand, dass ein industrieller Riese wie Mitsui sich große Chancen für die Zukunft zu versprechen scheint. So sind die Japaner mit einem Anteil von 49 Prozent an den millionenschweren Investitionen der Produktionsstätte rund 40 Kilometer nördlich der deutsch-dänischen Grenze beteiligt.
Elektrolyseure im großen Maßstab
Die eigentliche Herausforderung, so Jaime Casasus-Bribian beim Rundgang durch die neue E-Methanolanlage, „ist der Bau von Elektrolyseuren in diesen großen Dimensionen.“ Am Standort von Kassø sind am Ende drei 17,5 Megawatt große PEM-Elektrolyseure von Siemens Energy verbaut worden, schließlich sollen am Standort jährlich rund 6.000 Tonnen Wasserstoff erzeugt werden.
Um diese Menge herzustellen, braucht es große Mengen an grünem Strom. Und zwar konstant verfügbar, also auch in den sogenannten Zeiten der „Dunkelflaute“. So liegt der bisherige Wirkungsgrad eines Elektrolyseurs bei rund 75 Prozent, und es braucht für ein Kilogramm Wasserstoff rund 53 Kilowattstunden Strom. Wenngleich höhere Effizienzen für die Zukunft erwartet werden, erstaunt es nicht, dass aktuell allein die grüne Strombeschaffung rund 70 Prozent der Erzeugungskosten von E-Methanol ausmacht.
Aber das ist bei Weitem nicht die einzige Herausforderung, die sich European Energy in Kassø bei einer angepeilten Jahresproduktion von rund 35.000 Tonnen stellen muss. Ganz abgesehen von dem Aspekt der ständigen Verfügbarkeit von ausreichend Wasser für die Wasserstoffproduktion, muss auch immer genügend CO2 aus Biogasanlagen zur Verfügung stehen, um nonstop produzieren zu können.
Dies ist zumindest in Dänemark praktisch schon jetzt möglich, weil der weitaus größte Teil aller Biogasanlagen das Rohbiogas schon heute zu Biomethan aufbereitet und daher ein potenziell großes Angebot an CO2 besteht; wenngleich bis dato erst ein Bruchteil davon technisch aufbereitet auch weiter verwertet wird.
Biomethan-Markt in Deutschland nicht wettbewerbsfähig
In Deutschland sieht es bekanntlich anders aus; ihr stockt es im Biomethan-Markt, die gegenwärtigen Preise erlauben keine tragfähigen Geschäftsmodelle. Hinzu kommt, dass illegale Machenschaften auf dem Kraftstoffsektor den Biomethanpreis unter Druck gesetzt haben. Dies ist auch der Grund dafür, dass European Energy derzeit keine konkreten E-Methanol-Projekte in Deutschland auf der Agenda hat, wie Simon Schrickel, PtX-Projektentwickler bei European Energy, einräumt.
Wärmeabnehmer gesucht
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Suche nach einem geeigneten Standort sei ein nachhaltiges Wärmekonzept, denn allein bei einer Produktionsmenge von 35.000 Tonnen E-Methanol fallen jährlich rund 50 Gigawattstunden Wärme an, die sowohl durch die Elektrolyseure als auch bei der anschließenden Fusion von H2 und CO2 anfallen. Daher ist ohne direkte Wärmabnehmer oder Fernewärmenetze keine Nachhaltigkeit gegeben.
In Kassø hat man aber einen direkten Anschluss zur Fernwärme der Stadt Aabenraa, ebenso ist der Absatz vom Endprodukt langfristig – noch bevor die Investitionsentscheidung fiel – geklärt. Denn die erwartete Erzeugungsmenge haben sich vier prominente Kunden schon vor Produktionsstart vertraglich abgesichert: Zuallererst ist die weltweit größte Reederei Maersk zu nennen, die ihr mit Methanol-Antrieb ausgestattetes Containerschiff „Laura Maersk“ mit dem klimaneutralen, grünen Treibstoff von Europe Energy im rund 15 Kilometer entfernten Hafen von Aabenraa betanken will. Die drei weiteren Abnehmer sind Circle K, Lego und der Medikamentenhersteller Novo Nordisk.
Alle vier Unternehmen wollen zur grünen Avantgarde gehören, die den Einstieg in eine nonfossile Wirtschaft jetzt wagen und dafür einen mehr als zweifach höheren Preis für das „grüne Methanol“ bezahlen, als wenn sie fossil Erzeugtes akquirieren würden. Nur zum Vergleich: Es kursieren rund 60 Millionen Tonnen fossil erzeugtes Methanol auf den globalen Märkten.
„Die E-Methanol-Produktion braucht langfristige Kontrakte, ansonsten wird, egal wo auf der Welt, nicht in den Bau von entsprechenden Anlagen investiert“, macht Casasus-Bribian klar und verweist überdies auf die noch enge Konkurrenz zum Kraftstoff Bio-LNG aber auch zu Ammoniak (NH3).
Wann Maersk seine „Laura“ in den Hafen von Aabenraa fürs erste Auftanken bugsieren wird, ist zwar noch nicht bekannt, doch stehen die mit E-Methanol betankten Lkw schon bereit. Obschon noch nicht klar ist, wohin sich die Märkte letzten Endes entwickeln werden, beabsichtigt die European Energy nach ihrem Pionierwerk Kassø den Bau noch größerer Anlagen mit einem Output von 100.000 Tonnen pro Jahr. Geplant sind Erzeugungsstätten in Litauen, Spanien, Schweden, USA und im dänischen Padborg, unmittelbar nördlich der deutsch-dänischen Grenze in der Nähe zu Flensburg.
Die Zielsetzungen mit diesen neuen Anlagen sind jedoch nicht ohne Kohlenstoff zu realisieren. Und da sind alle Akteure wieder beim Biogas, bei Biomethan und dem biogenen CO2, die den Kreislauf zur Erzeugung von nachhaltigen Kraftstoffen für den Schwertransport-Bereich zu schließen vermögen. Kein Zweifel: Die Nachfrage nach CO2 wird in Zeiten der Klimakrise – paradoxerweise – wachsen. Und ganz bestimmt nicht nur nördlich der dänisch-deutschen Grenze. Dierk Jensen