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Power-to-Gas tut sich noch schwer

Der Energiepark Mainz ist eine von über 35 Power-to-Gas-Anlagen in Deutschland. (Grafik: Stadtwerke Mainz)
Der Energiepark Mainz ist eine von über 35 Power-to-Gas-Anlagen in Deutschland. (Grafik: Stadtwerke Mainz)

Neben der direkten Elektrifizierung hat auch die Umwandlung von erneuerbarem Strom zu Power-to-Gas hohes Potenzial, die Sektorenkopplung voranzubringen. Doch die hohe Strompreisbelastung durch Abgaben, Umlagen und Entgelte bremst die Zukunftstechnologie aus. Zudem fehlt eine Markteinführungsstrategie.

24.07.2017 – Dass bei der Energiewende Strom, Wärme und Verkehr zusammen betrachtet werden müssen ist mittlerweile Konsens bei Experten und der Politik. Sektorenkopplung ist dafür das „Buzzword“. Im Fokus steht meist die direkte Verwendung erneuerbaren Stroms auch für das Laden von Elektrofahrzeugen und für Power-to-Heat Technologien wie Wärmepumpen.

Efficiency first

Vor allem die Frage der kurzfristigen Bedeutung der strombasierten Heiz- und Kraftstoffe wird jedoch kontrovers diskutiert. „Wir sehen die direkte Elektrifizierung im Verkehrs- und Wärmesektor als vorrangig an“, so Karsten Sach, Leiter der Abteilung Klimaschutzpolitik im Bundesumweltministerium (BMUB), jüngst beim Auftakt der Dena Jahreskonferenz Power-to-Gas. Dies entspreche dem Grundsatz „Efficiency first“. Denn beim momentanen Stand der Technik seien die Umwandlungsverluste von erneuerbarem Strom zu Power-to-Gas (PtG) und Power-to-Liquid (PtL) noch sehr hoch und die Elektrolysetechnik sehr teuer. „Die Marktreife ist hier im Gegensatz zu Wärmepumpen und E-Fahrzeugen noch längst nicht erreicht“, so Sach.

Das BMUB veranschlagt die momentanen Kosten für den Betrieb von LKWs mit PtG aus Windstrom auf 70 Cent pro Kilometer, für Batterieantrieb auf 20 Cent/km und für Electric Road Systems (Oberleitung) auf 19 Cent/km. Deshalb müsse es nun darum gehen, die FuE-Aktivitäten zu verstärken, um Kosten und Wirkungsgrade von PtX weiter zu erhöhen, so Sach. Wichtige künftige Anwendungsbereiche sieht er ab den 2030er und 2040er Jahren im Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr, als saisonaler Energiespeicher sowie in der Grundstoff- und chemischen Industrie.

Über 35 Pilotanlagen

Auch Dena-Geschäftsführerin Kristina Haverkamp räumt ein, dass die Wirtschaftlichkeitsschwelle bei PtG und PtL noch nicht erreicht ist. Doch müsse es darum gehen, die Zukunftstechnologie schon jetzt voranzubringen und zu nutzen. Denn mit über 35 Pilotanlagen sei Deutschland derzeit weltweit Technologieführer. Dieses Pfund sollte nicht aus der Hand gegeben werden. „Wir brauchen jetzt schon PtG, beispielsweise um erneuerbaren Überschussstrom angesichts eines verzögerten Stromnetzausbaus zu nutzen“, fordert auch Constantin Alsheimer, Vorstandsvorsitzender der Mainova.

Er verweist auch auf die optimistische Einschätzung der verbesserten Wirtschaftlichkeit. So erwarten Betreiber Kostendegressionen von mindestens 50 Prozent bis 2030, wie eine von Zukunft Erdgas initiierte Befragung ergab. Prof. Michael Sterner von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) erwartet Kostensenkungen bei der Elektrolyse auf 500 Euro pro Kilowatt (kW) bis 2020, von derzeit 1000-2000 Euro/kW. Die Erzeugungskosten für PtG liegen momentan zwischen 30-40 Cent pro Kilowattstunde (kWh).

Aufpreismodell für Windgas

PtG-Anlagen betreiben unter anderem die Stadtwerke Haßfurth und Mainz sowie Enertrag in Prenzlau. Greenpeace Energy vertreibt den dort erzeugten regenerativen Wasserstoff als Windgas. Das ist Erdgas, dem momentan rund ein Prozent grüner Wasserstoff beigemischt ist. Die derzeit 15.000 Kunden bezahlen einen freiwilligen Aufpreis von 0,4 Cent/kWh brutto.

Über Next Kraftwerke wird das Windgas aus Haßfurth auch als Sekundärregelenergie vermarktet. Ein Antrag zur Qualifizierung für die Primärregelenergiebereitstellung läuft. Die Mainzer vermarkten den Wasserstoff auch per LKWs als technisches Gas an den Kooperationspartner Linde, berichtet Sprecher Michael Theurer. Aussagen zur Wirtschaftlichkeit des kommerziellen Betriebs der Anlage, die als Forschungsvorhaben gestartet wurde, seien jedoch noch verfrüht. „Wir können Power-to-Gas unter den jetzigen Marktbedingungen nicht zur dezentralen Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch nutzen“, sagt Marco Krasser, Geschäftsführer der Stadtwerke Wunsiedel. Vermarktungsmöglichkeiten sieht er momentan nur für die entstehenden Nebenprodukte wie Sauerstoff. Doch planen die Wunsiedler, die einen möglichst hohen Autarkiegrad der eigenen erneuerbaren Energieerzeugung anstreben, trotzdem eine Anlage, um den Fuß rechtzeitig in der Türe zu haben.

Preisverzerrung als Blockierer

Wichtigstes Hemmnis für die Markteinführung von PtG sowie für andere Formen der Sektorenkopplung ist die hohe Strompreisbelastung durch Abgaben, Umlagen und Entgelte. Sie summieren sich pro Kilowattstunde verbrauchten Stroms auf 18,7 Cent, während Diesel nur mit 4,7 Cent/kWh, Erdgas mit 2,2 Cent/kWh und leichtes Heizöl mit 0,6 Cent/kWh belastet wird. „Aufgrund dieser Preisverzerrung kann kein effizienter Klimaschutz über die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr stattfinden“, so Dr. Patrick Graichen, Chef von Agora Energiewende.

Nötig wäre eine Regulierung, welche die jeweils kostengünstigste Klimaschutzoption in allen Sektoren voranbringt. Agora schlägt hierfür vor, die klimarelevanten Abgaben über die Sektorengrenzen hinweg auf einer gemeinsamen CO2-Basis zu vereinheitlichen und die Stromnetzentgelte verursachergerecht umzustrukturieren. Relevante Steuern bei Verkehr und Wärme sollen aufkommensneutral nach CO2-Kriterien umgestaltet werden. Flankiert werden sollte dies von einem CO2-Mindestpreises im EU-Emissionshandel. Dazu kommen weitere Maßnahmen wie ein Fahrplan zum Kohleausstieg, eine Markteinführungsstrategie für PtG und PtL, die Reform des Speicherrechts sowie die Streichung des Zubaudeckels für Wind und Sonne. Die Politik hat also noch etliche Hausaufgaben vor sich. Hans-Christoph Neidlein

Wie funktioniert Power-to-Gas?

Der Ansatz der Sektorkopplungstechnologie Power-to-Gas ist, Wasser mithilfe von Strom aus Erneuerbaren Energien durch Elektrolyse aufzuspalten. Der gewonnene Wasserstoff wird dann entweder direkt oder indirekt zu Methan oder flüssigen Kraftstoffen (Power-to-Liquid) weiterverarbeitet. Das erneuerbare Gas kann gespeichert und anschließend in verschiedenen Anwendungsbereichen genutzt werden. Aus erneuerbarem Strom werden so gasförmige oder flüssige Energieträger.


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Volkert Harpprecht 27.07.2017, 05:33:00

+439 Gut Antworten

Arno A.Evers hat lange und viel darüber diskutiert. Www.hydrogenambassadors.com

Eitel Heck 27.07.2017, 22:37:06

+535 Gut Antworten

Für einen Chemiker gehören die unter der englischen Bezeichnung genannten Bezeichnungen

-Power to Gas:

Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Umsetzung von Wasserstoff mit Kohlendioxid zu Methan,

-Power to Liquid:

Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff und Umsetzung von Wasserstoff mit Kohlendioxid zu Methanol,

zum Elementarwissen. Diese Synthesen sind in deutschen Chemie-Lehrbüchern seit Jahrzehnten unter deutschen Bezeichnungen zu entnehmen.

Die Kosten des synthetisch hergestellten Methans sind um ein Vielfaches höher gegenüber dem natürlichen Methan im Erdgas.

Für die Methanolherstellung, das in der chemischen Industrie sehr vielseitig einsetzbar ist, gibt es gegenüber Power to Liquid wesentlich kostengünstigere Synthesen.

Eitel Heck 27.07.2017, 23:17:34

+449 Gut Antworten

Denkbar wäre auch, die Kopplung der Wasserstoffherstellung durch Elektrolyse mit überschüssigem Strom mit der Energieerzeugung durch Wasserstoff-Brennstoffzellen

-zur Stromproduktion,

-in Kraftfahrzeugen mit Brennstoffzellen,

auf der Grundlage einer ökonomischen Wasserstoffwirtschaft.

Auch Methanol ist in Wasserstoff-Brennzellen einsetzbar zur Energieerzeugung mit geringer CO2-Emission.

Entscheidend sind die Kosten für diesen Vorschlag oder Power to Gas und Power to Liquid.


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