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Fossilfrei über die OzeaneSeeverkehr dekarbonisieren – auf großen Routen zuerst

Containerschiff auf dem Meer
Der internationale Schiffsverkehr verursacht viele Emissionen, mit steigender Tendenz. (Foto: Rob auf Pxhere / CC0 1.0)

Zwei wichtige Handelswege, die als grüne Korridore den emissionsfreien Seeverkehr in die Tat umsetzen, könnten für die Dekarbonisierung des Sektors den entscheidenden Impuls bringen. Eine Machbarkeitsstudie zeigt, was dafür notwendig ist.

13.01.2022 – Bis Ozeanriesen emissionsfrei über die Weltmeere schippern, wird noch etwas Zeit vergehen. Doch nötig ist es allemal und wie bei allen anderen Klimaschutzmaßnahmen gilt: lieber heute als morgen.

Der internationale Schiffsverkehr verursacht rund drei Prozent der weltweiten Emissionen – die Frachter auf den globalen Handelsrouten werden nach wie vor mit Schweröl oder Diesel angetrieben. Mitunter machen die Megaliner sogar große Umwege, um preiswert zu tanken. Die Reedereien sparen damit Hunderttausende Euro. Die Emissionen steigen, denn der Frachtverkehr ist in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen, und dieser Trend wird anhalten.

Ähnlich wie im Flugverkehr ist der Emissionsminderung in einem solch internationalem Geschäft mit unzähligen Akteuren nur gemeinsam beizukommen. Geht ein Land oder eine Region mit gutem und kostspieligem Beispiel voran, können sich Marktteilnehmer den Vorgaben leicht entziehen. Die internationale Seeschifffahrtsorganisation hat sich denn auch eher bescheidene Ziele gesetzt: eine Emissionsreduktion von 50 Prozent bis 2050.

Aber es gibt auch Länder, die im gleichen Zeitraum eine vollständige Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs erreichen wollen, darunter Japan, Großbritannien und die USA. Weil die Ozeanriesen mehrere Jahrzehnte auf See unterwegs sind, müsste schon in den nächsten zehn Jahren eine nennenswerte Flotte von emissionsfreien Schiffen vom Stapel laufen, alternative Treibstoffe bereitstehen und die notwendige Infrastruktur zur Betankung geschaffen werden. 

Grüne Korridore mit eigener Infrastruktur und eigenen Regeln

Eine Machbarkeitsstudie des Beratungsunternehmens McKinsey stellt ein Konzept vor, das vielversprechend klingt: Zwei ausgewählte wichtige Handelsrouten werden als grüne Korridore etabliert, auf denen emissionsfreie Lösungen im Schiffsverkehr unterstützt werden. Die grünen Korridore würden es der Politik in den beteiligten Ländern ermöglichen, ein System mit Regulierung, finanziellen Anreizen und Sicherheitsvorschriften zu schaffen. Parallel könnten Anreize zur Produktion grüner Kraftstoffe gesetzt werden, was wiederum die Nachfrage nach grünen Schiffen mobilisieren könnte. Die geschaffene Infrastruktur könnte später auf anderen Routen genutzt bzw. auf diese ausgedehnt werden.

Zwei Routen sind nach Meinung der Analysten die Favoriten für die ersten grünen Korridore: die Eisenerzroute von Australien nach Japan und die Containerschiffsroute von Asien nach Europa.

Eisenerzroute von Australien nach Japan

Auf der Eisenerzroute wurden im Jahr 2019 etwa 65 Millionen Tonnen Eisenerz von australischen Minen zu japanischen Stahlherstellern exportiert. Insgesamt 111 Massengutfrachter auf dieser Route verbrauchten im Jahr 2019 rund 550.000 Tonnen Heizöl – das entspricht 1,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Um den gesamten Eisenerzhandel zwischen Australien und Japan zu dekarbonisieren, wären 41 vollständig emissionsfreie Schiffe erforderlich.

Angesichts des Umfelds der Interessengruppen und der starken politischen Zusammenarbeit halten die Analysten die Umwandlung dieser Route in einen grünen Korridor machbar. 90 Prozent des australischen Eisenerzes, das nach Japan exportiert wird, wird bereits von Unternehmen mit Netto-Null-Verpflichtungen abgebaut, und japanische Stahlhersteller untersuchen Optionen zur Produktion von grünem Stahl und zur Dekarbonisierung ihrer Lieferketten - was eine Zusammenarbeit zwischen Bergbauunternehmen, Schiffsbetreibern, Stahlwerken, Brennstoffherstellern und politischen Entscheidungsträgern ermöglichen sollte.

Ebenso wichtig ist, dass Australien über gute Bedingungen und geplante Kapazitäten für eine umfangreiche Produktion von emissionsfreien Kraftstoffen verfügt, insbesondere von grünem Wasserstoff und grünem Ammoniak. Ammoniak-Motoren werden voraussichtlich 2024 verfügbar sein, und das erste Schiff wird 2025 in Betrieb gehen; bis dahin müssten die Sicherheitsstandards und die Bunkerinfrastruktur auf dieser Strecke eingerichtet sein.

Dennoch wird ein mit grünem Ammoniak betriebenes Eisenerz-Frachtschiff im Jahr 2030 immer noch 65 Prozent höhere Betriebskosten haben als ein mit fossilem Schweröl betriebenes, den größten Block machen die kohlenstofffreien Kraftstoffe aus. Damit diese Alternative attraktiv wird, müssten die Akteure der gesamten Wertschöpfungskette zusammenarbeiten: die Nachfrage bündeln, die Kostenlücke bei den Kraftstoffen schließen und das Risiko der hohen Kapitalkosten teilen.

Die Containerroute Asien – Europa

Die Containerroute von Asien nach Europa ist die größte der drei großen Ost-West-Containerschiffsrouten und bietet das größte Potenzial zur Emissionsminderung. 2019 wurden auf dieser Route rund 24 Millionen Standard-Container-Äquivalente auf 365 Schiffen umgeschlagen. Die Schiffe verbrauchten rund 11 Millionen Tonnen Treibstoff, was etwa drei Prozent der weltweiten Schifffahrtsemissionen entspricht, mehr als auf jeder anderen globalen Handelsroute. 70 Prozent der gesamten Kapazität der Route werden von fünf Reedereien abgedeckt, die sich alle verpflichtet haben, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um die Hälfte oder mehr zu reduzieren.

Diese Route hat ein weitaus komplexeres Umfeld als die Eisenerz-Route. Viele Schiffsbetreiber und jedes Schiff mit der Frachte mehrerer Eigentümer beladen. Doch die Klimaschutzbemühungen der Europäischen Union erhöhen die Erfolgschancen. Die EU will die Emissionen aus dem Schiffsverkehr in das Emissionshandelssystem aufnehmen, über einen Preismechanismus fossile Antriebe verteuern. Das europäische Parlament hat bereits Eckdaten für eine Regulierung vorgegeben, beschlossene Sache ist das Paket indes noch nicht.

Die Analysten von McKinsey sehen in den angekündigten Green-Fuel-Projekten eine ausreichend große Masse, um 50 emissionsfreie Schiffe auf See zu bringen, die bis 2030 1,2 Millionen Container und damit 17 Prozent der Güter auf der Strecke umweltfreundlich transportieren. Nachhaltige Kraftstoffe könnten auf der Strecke an mehreren Bunkerstandorten verfügbar gemacht werden, darunter in Europa, dem Nahen Osten, Nordafrika und Singapur.

Aber auch auf dieser Linie werden die Kosten für die nachhaltige Lösung höher sein als für die derzeitige fossile – um 45 Prozent. Abhilfe könnten ein größerer Anteil der emissionsfreien Schifffahrt insgesamt und mehrjährige Abnahmevereinbarungen von grünen Kraftstoffen schaffen. Anreize von politischer Seite könnten den Übergang unterstützen.

Grundlage für die emissionsfreie Schifffahrt – zuerst auf ausgewählten Routen, später weltweit – sind nach Ansicht der Analysten neben starken Partnerschaften von Frachteigentümern, Kraftstoffherstellern und Schiffsbetreibern glaubwürdige Kraftstoffpfade und Anstrengungen auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette.

Mehrere grüne Treibstoff-Kandidaten

Bei den in Frage kommenden grünen Kraftstoffen gibt es aktuell noch keinen klaren Favoriten. Neben Atomkraft, die wenig gesellschaftliche Akzeptanz findet, Biokraftstoffen, grünem Wasserstoff und synthetischem Diesel, die aus verschiedenen technischen Gründen im Nachteil sind, scheinen grünes Methanol und grünes Ammoniak – bei aus grünem Wasserstoff gewonnen – erfolgreiche Kandidaten. Sie haben einen Kostenvorteil, sind skalierbar und haben das Potenzial, einen großen Teil der weltweiten Nachfrage bedienen zu können.

Eine weitere enorme Emissionsreduktion in der Schifffahrt ergibt sich nicht zuletzt aus folgendem Fakt:  Knapp 40 Prozent der Fracht, die die Ozeanriesen heute mit fossilem Antrieb transportieren, sind wiederum fossile Energieträger: Kohle, Öl, Ölprodukte und Gas. Geht die Welt wirklich den Weg zur Klimaneutralität sollten diese Fahrten eigentlich nicht mehr notwendig sein. pf


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