Bergbau: Umstrittene Lithium-Mine in Serbien
Serben protestieren gegen den geplanten Lithium-Abbau im Jadar-Tal. Die Mine soll Europa mit Lithium für Batterietechnik versorgen. Auch Deutschland unterstützt das Vorhaben. Serbische Umweltschützer warnen vor den Auswirkungen.
15.08.2024 – In Serbien soll eine der größten Lithium-Minen Europas entstehen. Das Projekt gilt auf der einen Seite als großer Hoffnungsträger für Europas Lithiumversorgung. Auf der anderen Seite stehen Anwohner mit erheblichen Umweltbedenken. Nach einer vorsorglichen Pause im Jahr 2022 treibt die Regierung das Projekt im Jadar-Tal in Westserbien nun erneut voran – und Serben auf die Straßen.
Lithium für Europas E-Mobilität
Der britisch-australische Bergbaukonzern Rio Tinto führt bereits seit fast zwei Jahrzehnten Explorationen in Serbien durch. Seinen Schätzungen nach könnte eine Mine dort rund 58 000 Tonnen Lithium produzieren, was den Bedarf von mehr als einer Millionen Elektrofahrzeuge bzw. 17 Prozent der europäischen Produktion decken könnte, berichtet die Tagesschau.
Die EU steht hinter dem Projekt, und auch Deutschland ließ zuletzt keinen Zweifel am Zuspruch für die Mine. Bereits 2023 vereinbarten Serbien und Deutschland eine strategische Kooperation. Mitte Juli dieses Jahres reiste Bundeskanzler Olaf Scholz dann nach Belgrad und unterzeichnete eine Absichtserklärung zur Förderung nachhaltiger Rohstoffe, im Besonderen von Lithium. Auch Konzerne wie Mercedes Benz bekundeten dabei Interesse.
Die europäischen Länder hoffen auf einen Lithiumlieferanten aus Europa und damit mehr Unabhängigkeit von China. Obwohl die größten Lithiumvorkommen in Südamerika liegen, dominiert China den Markt für den Rohstoff. Serbien ist assoziiertes Mitglied der EU und offizieller Beitrittskandidat. Neben einer Annährung an die EU könnte das Projekt einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung für die Region und ganz Serbien bringen.
Sauber abbauen?
Lizenzanträge für den Lithium-Abbau im Jadar-Tal lagen seit 2022 auf Eis. Grund dafür waren unter anderem Massenproteste in Serbien sowie fehlende Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Rio Tinto auch nach wiederholter Fristverlängerung nicht eingereicht hatte. Das serbische Verfassungsgericht kassierte erst im vergangenen Monat das Urteil zum Stopp des Bergbauvorhabens. Kurz darauf kündigte die Regierung grünes Licht für das Projekt an.
Seither protestieren Serben im ganzen Land gegen das Vorhaben. Serbische Umweltorganisationen betonen, dass Umweltauflagen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht eingehalten und Grundwasser wie Flüsse im fruchtbaren Jadar-Tal verseucht werden könnten. Von Rio Tinto vorgelegte Dokumente taugten nicht für eine ernsthafte Diskussion, da nicht versucht worden sei Umfang und Auswirkungen der Bergbauaktivitäten realistisch abzubilden.
Das Lithium in Serbien ist in anderen Gesteinen gebunden, die Jadarit getauft wurden. Rio Tinto plant ein konventionelles Bergbauverfahren: Große Mengen an Gesteinsschichten müssen abgetragen werden, um an das Jadarit zu kommen. Einmal abgebaut, wird es zerkleinert und chemisch behandelt, um das Lithium herauszulösen. Das so gewonnene Lithium wird wiederum mit Säuren behandelt, um marktfähiges Lithiumkarbonat zu gewinnen. Bei all diesen Schritten, besonders dem letzten, fällt eine große Menge Abhub an, der umweltgerecht entsorgt werden muss.
Für nichts garantieren
Umweltaktivisten zweifeln an, dass der Konzern plant, die ätzenden Abbaureste ohne Umweltschäden zu entsorgen. Ihre Sorge ist nicht unbegründet. Ein zuletzt veröffentlichtes Dokument zu Umweltauswirkungen von Rio Tinto gibt ausdrücklich keine Garantie für Genauigkeit, Angemessenheit, Aktualität, Vollständigkeit und Zuverlässigkeit des Inhalts. Eine faktenbasierte Diskussion könne auf dieser Grundlage nicht geführt werden, kritisieren Mirko Popović, Programmdirektor und Jovan Rajić, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Erneuerbare Energien und Umweltregulierung (RERI) in Serbien.
Die Aktivisten weisen auch auf Präzedenzfälle anderer strategischer Abbauprojekte hin, die mit erheblicher Umweltverschmutzung einhergingen. Sie fordern, dass die EU bindende Richtlinien verabschiedet, und nachhaltig prüft, ob Umwelt- und Menschenrechtsstandards eingehalten werden. jb