Tiefseebergbau: Unternehmen will Tiefsee durch die Hintertür ausbeuten

Die internationale Meeresbodenbehörde diskutiert seit Jahrzehnten, ob die Tiefsee für den kommerziellen Bergbau freigegeben wird. Nun droht ein Unternehmen aus Kanada durch die Hintertür Fakten zu schaffen.
01.04.2025 – Das kanadische Tiefseebergbauunternehmen The Metals Company (TMC) versucht seit Jahren, eine Genehmigung für Tiefseebergbau zu bekommen. Als Lobbyist warb das Unternehmen um die Unterstützung von Mitgliedern der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), einem UN-Organ, das über ein Regelwerk für einen möglichen Tiefseebergbau entscheiden soll.
Nun will der Konzern aus Kanada internationale Abmachungen umgehen und plant, eine Genehmigung für den Tiefseebergbau in den USA zu beantragen. Grundlage ist wohl eine US-amerikanische Bergbauvorschrift aus den 1980er-Jahren.
TMC hat es auf Manganknollen in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) abgesehen, einem Gebiet im östlichen Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii. Auf dem Meeresbodenbehörde der Tiefsee sind dort große Mengen der polymetallischen Knollen zu finden, die über Millionen Jahre entstanden sind. Sie enthalten Rohstoffe wie Mangan, Kobalt, Kupfer und Nickel, die für die Technik der Digitalisierung und Energiewende gebraucht werden.
“Jahrelang hat TMC Druck auf die Internationale Meeresbodenbehörde ausgeübt“, kritisiert Greenpeace-Meeresbiologin Franziska Saalmann. „Mit falschen Versprechungen hat das Unternehmen Regierungen manipuliert, um sich eine Abkürzung zum Tiefseebergbau zu verschaffen. Nachdem TMC damit gescheitert ist, greift es nun die internationale Zusammenarbeit an. Hinter dieser Eskalation steckt Verzweiflung und rücksichtslose Profitgier.“
Unentdeckte Ökosysteme
Forscher sind sich einig, dass nicht einmal ausreichend Wissen über die Tiefsee vorhanden ist, um wissenschaftlich begründete Regeln zu ihrem Schutz aufzustellen. Bekannt ist hingegen, dass bei nahezu jedem Tauchgang neue Arten entdeckt werden. Die Ökosysteme der Tiefsee entwickeln sich unendlich langsam. Eine Regeneration dauert dementsprechend ebenso lange, nämlich teils Millionen von Jahre. Tiefseebergbau würde mit gewaltigen Maschinen das Innere dieser Ökosysteme nach außen kehren.
Die Erforschung der Manganknollen hat zuletzt eine erstaunliche Erkenntnis hervorgebracht. Eine Studie verschiedener Institute, unter anderem des Geomar, der Universität Bremen und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zeigt, dass die Manganknollen in der Clarion–Clipperton Zone an der Sauerstoffproduktion für das Ökosystem der Tiefsee beteiligt sind. Die Entdeckung stellt den Konsens über Sauerstoffproduktion und möglicherweise die Frage, wie Leben auf der Erde begonnen hat, auf den Kopf. Es gibt noch viel zu erkunden.
Bisher keine Regeln für Tiefseebergbau verabschiedet
Tiefseebergbau ist noch nirgendwo auf der Welt erlaubt. Die Tiefsee gilt dem Völkerrecht nach als Erbe der Menschheit und gehört keinem Land, sondern allen Menschen der Erde gleichermaßen. Die ISA, die 1994 durch das Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) gegründet wurde, verwaltet dieses Erbe. Rund 169 Staaten sowie die Europäische Union gehören der ISA an – die USA ist allerdings nie beigetreten.
Bisher hat die ISA weder Regeln für Tiefseebergbau verabschiedet noch Anträge genehmigt. Mitte vergangenen Jahres ist allerdings die offizielle zweijährige Frist eines Antrags auf Tiefseebergbau abgelaufen. Der Antrag hängt nun in der Schwebe, da unklar ist, ob dieser auch ohne Regelwerk genehmigt werden kann. Zuletzt hatte Chile beantragt, den Umgang mit derartigen Anträgen, die eingehen, während noch kein Regelwerk existiert, in der ISA zu diskutieren und festzulegen.
Eine größer werdende Gruppe von Ländern, darunter auch Deutschland und die EU sowie internationale NGOs fordern ohnehin ein Moratorium für den Tiefseebergbau. Zu Beginn des Jahres löste die brasilianische Ozeanographin Leticia Carvalho Michael Lodge an der Spitze der ISA ab, dem zu viel Nähe zu Bergbauunternehmen vorgeworfen wurde.
Arktische Tiefsee in Gefahr
Unabhängig von der ISA plante Norwegen im vergangenen Jahr, den Rohstoffabbau in seinen Hoheitsgewässern zu erlauben. Aus der europäischen Union, von Umweltverbänden und aus der Forschungsgemeinschaft hagelte es Kritik. Nachdem Norwegen seine Tiefseebergbau-Pläne über ein Jahr energisch vorangetrieben hatte, erfolgte überraschend ein vorläufiger Stopp. Die Pause, die voraussichtlich noch bis Ende dieses Jahres dauern soll, könnte Zeit schaffen, um die wissenschaftlichen Grundlagen der Entscheidung zu prüfen. Die strategische Folgenabschätzung des Energieministeriums hatten WWF und Greenpeace als mangelhaft beanstandet. jb