Tiefseebergbau: US-Präsident Trump erhebt Anspruch auf die Tiefsee

Der Meeresboden in internationalen Gewässern gilt als Erbe der Menschheit. Doch US-Präsident Trump plant, Lizenzen für Tiefseebergbau zu vergeben. Die internationale Gemeinschaft ist empört. Sanktionen gegen die USA sind aber kaum möglich.
06.05.2025 – US-Präsident Trump hat eine Executive Order unterschrieben, die es Unternehmen wie der Metals Company erlauben soll, Rohstoffe am Meeresboden der Tiefsee abzubauen. Er setzt sich damit über die Internationale Gemeinschaft hinweg, die seit Jahren um gemeinsame Regeln für einen möglichen Tiefseebergbau diskutiert.
Der Meeresboden gehört allen
Die Tiefsee gilt dem Völkerrecht nach als Erbe der Menschheit und gehört keinem Land, sondern allen Menschen der Erde gleichermaßen. Die ISA, die 1994 durch das Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) gegründet wurde, verwaltet dieses Erbe. Seit Beginn des Jahres steht mit der brasilianischen Ozeanographin Leticia Carvalho Michael Lodge eine Meeresexpertin an der Spitze der ISA. Rund 169 Staaten sowie die Europäische Union gehören der ISA an – die USA ist allerdings nie beigetreten.
Seit Jahrzehnten diskutieren Staaten, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen ein Rohstoffabbau in der Tiefsee zugelassen werden soll. Der Druck stieg im vergangenen Jahr, da explizite Anträge eingegangen waren, denen die ISA eine Antwort schuldig blieb. Eine wachsende Gruppe, darunter auch Deutschland und die EU sowie internationale NGOs fordern ein vorläufiges Moratorium für den Tiefseebergbau. Auch im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird das Ziel einer Pause zur Erforschung der Tiefsee explizit genannt.
Kaum Sanktionen möglich
Das Dekret bezieht sich ausdrücklich auf Tiefseeboden außerhalb des Festlandsockels, das heißt mehr als 12 Seemeilen vom Festland entfernt in der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone. Auch Tiefseebergbau vor den eigenen Küsten wäre brisant: Im vergangenen Jahr bereitete Norwegen erstmals den Weg, um Tiefseebergbau zuzulassen, und erntete internationale Kritik. Das Vorgehen Norwegens verstößt allerdings nicht gegen geltenden Völkerecht – Trumps Dekret, das Tiefseeboden in internationalen Gewässern freigibt, hingegen schon.
Gegen die USA gibt es jedoch kaum Sanktionsmöglichkeiten, denn die Basis des Völkerrechts ist freiwillige Kooperation. „Die Möglichkeiten, dem Einhalt zu gebieten, sind gering“, sagt Nele Matz-Lück, Professorin und Geschäftsführende Direktorin am Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. „Vor einen internationalen Gerichtshof, wie den IGH in Den Haag, kann man die USA ohne ihre Zustimmung nicht zitieren. Gegenmaßnahmen als Reaktion auf einen Völkerrechtsverstoß sind unwahrscheinlich und würden sich voraussichtlich in Handelsmaßnahmen erschöpfen. Gegen einen Präsidenten, der gezielt völkerrechtliche Regelungen torpediert und aus dem Multilateralismus aussteigt, greifen die schwachen Durchsetzungsmechanismen des Völkerrechts nicht.“
„Sollte der Vorstoß Trumps einen demnächst beginnenden Tiefseebergbau zur Folge haben, und gegebenenfalls andere Interessenten diesem Beispiel folgen, könnten damit die jahrzehntelangen Bemühungen der ISA und der weiteren an den Workshops beteiligten Personen und Gruppen weitgehend zunichte gemacht werden, die eigentlich ein bemerkenswertes Beispiel für die internationale Zusammenarbeit unter dem Dach der UN sind“, sagt Andrea Koschinsky, Professorin für Geowissenschaften, Constructor University Bremen, und MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Bremen. „Es wurde nicht nur an Umweltregeln gearbeitet, sondern auch Wert darauf gelegt, einen Abbau im Sinne des Wohles der gesamten Menschheit zu entwickeln, so dass auch ärmere Länder, die bisher stark vom Landbergbau profitieren, Kompensationen für ihre Verluste durch Tiefseebergbau erhalten können. Unabhängig von politischen Systemen waren alle größeren Stakeholder an diesem Prozess beteiligt.“
Trump stößt mit seinem Vorgehen einmal mehr die Weltgemeinschaft vor den Kopf. Auch Staaten, die dem Tiefseebergbau positiv gegenüberstehen und sich in der Vergangenheit für einen regulierten Rohstoffabbau eingesetzt haben, wie China, kritisieren den Alleingang der USA. Das US-amerikanische Dekret eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, den internationalen Rahmen des Seerechtsübereinkommens zu umgehen.
“Trotz weltweitem Widerstand plant die US-Regierung mit Tiefseebergbau zu beginnen – und nimmt sich damit das Recht heraus, den letzten unberührten Lebensraum der Erde zu zerstören. Dieses Vorgehen verstößt gegen jegliche Absprachen der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), die offizielle Grundlage internationaler Zusammenarbeit“, kritisiert Greenpeace-Meeresexpertin Daniela von Schaper. „US-Präsident Donald Trump kündigt de facto ein gemeinsames Vorgehen auf und verwandelt die Tiefsee mit Partnern wie The Metals Company in den Wilden Westen. Das Unternehmen versucht schon seit vielen Jahren, Zugang zum Meeresboden zu erzwingen – bislang erfolglos.“ The Metals Company stellte nur einen Tag nach Bekanntwerden des Dekrets vergangene Woche einen Antrag auf Abbau von Manganknollen in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ).
Einen der letzten kaum berührten Lebensräume zerstören
Die Staaten haderten auch deshalb mit einem Regelwerk für den Tiefseebergbau, weil noch so große Bereiche in den Tiefen unerforscht sind. Bei Explorationen und Tests wurden hingegen zahlreiche neue Lebensformen entdeckt, und gezeigt, dass die Eingriffe des Rohstoffabbaus die Ökosysteme der Tiefsee langfristig schädigen würden. Die Tiefsee-Ökosysteme entwickeln und regenerieren sich sehr langsam – teils über Millionen von Jahren.
Die Erforschung der Manganknollen hat zuletzt eine erstaunliche Erkenntnis hervorgebracht. Eine Studie verschiedener Institute, unter anderem des Geomar, der Universität Bremen und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe konnte zeigen, dass die Manganknollen in der Clarion–Clipperton Zone an der Sauerstoffproduktion für das Ökosystem der Tiefsee beteiligt sind. Die Entdeckung stellt den Konsens darüber, wie Sauerstoff entsteht und somit auch, wie das Leben auf der Erde begonnen hat, in Frage.
Nutzen fraglich
Es besteht außerdem Zweifel daran, ob die Rohstoffe aus der Tiefsee sinnvoll eingesetzt werden können. „Der Verweis auf die angeblich so große Vielfalt an kritischen Rohstoffen ist trügerisch“, sagt Andreas Manhart Senior Researcher im Forschungsbereich Produkte & Stoffströme, Öko-Institut, Freiburg. „Zwar sind zahlreiche Elemente in Spuren in den Knollen enthalten, realistischerweise können aber nur sehr wenige davon tatsächlich aus diesen Knollen gewonnen werden. Eigentlich geht es nur um Kupfer, Kobalt und Nickel. Nicht einmal beim Mangan kann man mit Sicherheit sagen, ob die Gewinnung aus den Knollen überhaupt wirtschaftlich wäre. Seltene Erden werden die Knollen jedenfalls nicht liefern – egal wie viel Forschung noch in die Förder- und Verarbeitungstechnik gesteckt wird.“
Ähnlich argumentiert eine Studie von Greenpeace, die die Wirtschaftlichkeit der Rohstoffgewinnung aus der Tiefsee in Frage stellt. Ein weiteres Problem stellt sich, weil die äußere Schicht der Knollen natürliche radioaktive Stoffe enthält, deren Strahlungswerte deutsche Grenzwerte um das Hundert bis Tausendfache überschreiten. Der Strahlenschutz bei Abbau und Verarbeitung solcher Rohstoffe müsste also ebenfalls mitgedacht werden. jb