Foto: Bergwaldprojekt e.V.

Meinung 05.11.2024

Waldumbau – Mammutaufgabe und Chance

Resiliente Mischwälder aufzubauen, bedeutet neue Wege zu gehen. Dazu gehört auch, auf großflächigen Kalamitätsflächen nicht alles Totholz zu entfernen. Dazu gehört auch ein ökologisches Jagdmanagement, um junge Triebe vor Verbiss zu schützen.

Peter Naumann, Förster und Vorstand Wald- und Umweltpolitik des Bergwaldprojekt e.V.


Meinung 05.11.2024

Waldumbau – Mammutaufgabe und Chance

Resiliente Mischwälder aufzubauen, bedeutet neue Wege zu gehen. Dazu gehört auch, auf großflächigen Kalamitätsflächen nicht alles Totholz zu entfernen. Dazu gehört auch ein ökologisches Jagdmanagement, um junge Triebe vor Verbiss zu schützen.

Foto: Bergwaldprojekt e.V.

Peter Naumann, Förster und Vorstand Wald- und Umweltpolitik des Bergwaldprojekt e.V.



05.11.2024 – Über 600.000 Hektar Wald sind in den vergangenen Jahren durch die Folgen des massiv fortschreitenden Klimawandels abgestorben. Hitze, Trockenheit, Borkenkäferkalamitäten und oft auch ein verbesserungswürdiges Management der riesigen Schadflächen führten laut der aktuellen Bundeswaldinventur IV zum Verlust des Waldökosystems als Kohlenstoffsenke. Der Wald ist zu einer CO2-Quelle geworden. Das macht entschiedenes und konsequentes Handeln dringend notwendig.

Um zukünftig der alarmierenden Entwicklung des Waldes entgegenzuwirken und wieder resiliente und klimaangepasste Mischwälder zu generieren, lohnt sich ein Blick auf ökosystembasierte und praxisnahe Ansätze zur Wiederbewaldung der Kalamitätsflächen und zum naturnahen Umbau labiler Altbestände, vor allem aus Fichte und Kiefer. Wir müssen unsere Waldökosysteme wiederherstellen. Wälder liefern nicht nur unser Bau-, Möbel- und Industrieholz, sondern speichern und generieren unser Trinkwasser, schützen vor Erosion, sind natürliche Kühlaggregate in der Landschaft und beherbergen das Immunsystem unserer Erde: die Biodiversität.

Wie gelingt der richtige Umgang mit Schadflächen?

Traditionell lernen wir Förster, befallene Borkenkäferfichten möglichst schnell aus den Beständen zu entnehmen, um eine weitere Ausbreitung des Käfers zu verhindern und die Absterbeprozesse in den labilen Fichtenaltbeständen zu begrenzen. In den entstandenen Lücken lassen sich dann gut Lichtbaumarten wie z. B. Bergahorn einbringen. Wenn die Käferkalamitäten sich bei warmer Witterung aber exponentiell vermehren und auf riesigen Flächen gleichzeitig auftreten, ergibt diese Waldhygienemaßnahme nur noch bedingt Sinn, da dadurch große verjüngungsfeindliche Kahlflächen entstehen.

Die gerodeten Freiflächen sind Hitze und Kälte ausgesetzt, der noch vorhandene Humus wird mineralisiert. Bei großen Flächen können Staubteufel (kleinräumige, schnell rotierende Luftwirbel) entstehen, die diesen Prozess der Aushagerung weiter befeuern. In nährstoffärmeren Bereichen kommt es zur dichten Vergrasung, in der sich große Mauspopulationen schnell über die aufkommende Naturverjüngung hermachen. Dort, wo viel Stickstoff in den Boden gelangt, kommt es nach und nach zu einer Kaskade, in der Brom- und Himbeeren die Flächen erobern und so nicht nur das Nahrungsangebot für Schalenwild explosionsartig verbessern, sondern auch zur massiven Verdämmung möglicher Pflanzungen führen. Damit steigt der Rehwildverbiss gewaltig an, sodass die natürliche Verjüngung verhindert wird und die Wiederbewaldung durch Pflanzung ohne Zaun nicht möglich ist. Darüber hinaus führt die Verkrautung der Flächen zu enormen Kulturkosten, da die Pflanzungen nicht ohne Pflege aufkommen können.

Komplette Flächenräumung vermeiden

Um besser im Einklang mit den natürlichen Systemen zu arbeiten, ist es ratsam einen Teil der abgestorbenen Fichten auf den Flächen zu belassen. Die Erfahrung zeigt, dass ein Anteil von mindestens 30 Prozent praktikabel ist. Privatwaldbesitzer und Forstbetriebsgemeinschaften hadern jedoch mit dieser Maßnahme, da sich der „letzte Holzerlös“ der Fläche zusätzlich verringert.

Was spricht also dafür?

Wird der verbleibende „Totholzbestand“ gleichmäßig über die Schadfläche verteilt, kühlt er die Freiflächen, speichert Feuchtigkeit und verhindert so den flächigen Humusabbau. Zudem entsteht ein schmales einjähriges Zeitfenster, in welchem auch Schattenbaumarten wie Buche und Tanne unter diesem Schutz gedeihen können. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist jedoch eine deutliche Verbesserung des Jagdmanagements auf diesen Flächen. Die Schwerpunktbejagung in den Pflanzbereichen muss auf Dauer sicherstellen, dass die Kulturen möglichst ohne Zaun gedeihen können. Sinkt die meist enorme Wilddichte durch die Bejagung von beispielsweise Rehwild, kann mit Hilfe von Verbissschutzmitteln die Pflanzung gesichert werden.

In den Freibereichen zwischen den Totholzflächen werden, je nach Standortbedingungen wie Klima, Lage und Boden, Lichtbaumarten gepflanzt. Auf eichenfähigen Standorten hat sich die trockenheitsresiliente Mischung aus Traubeneiche, Winterlinde und Esskastanie bewehrt. Ist ein konsistentes Jagdmanagement gewährleistet – also eine regelmäßige, gezielte Regulierung der Wildbestände in den festgelegten Jagdzeiten – reicht es, die Pflanzen auf Teilflächen zunächst mit einem Verbissschutzmittel zu behandeln und dies jährlich zu wiederholen.

Liegt das Jagdmanagement jedoch nicht in der eigenen Hand, müssen umzäunte Clusterflächen mit den entsprechenden Baumarten diese Schutzfunktion übernehmen. Eine flächendeckende Pflanzung ist aufgrund des starken Wildverbisses und der hohen Zaunbaukosten nicht realisierbar. Unbedingt anzuraten ist die Verwendung von Topfballenpflanzen, da diese besser anwachsen und eine hohe Resilienz gegenüber Trockenheit aufweisen.

In den Folgejahren ist ein Aussicheln oder Freischneiden der Kulturen leider unerlässlich, da diese sonst im „Brombeermeer“ untergehen würden.

Bei feuchten oder nassen Standorten eignet sich die Schwarzerle als ideale Pionierbaumart. Sie wird auch vom Rotwild kaum verbissen, verhindert durch intensive Bewurzelung schnell die Erosion und verbessert durch Strahlenpilze (Actinomyceten) den Boden für kommende Baumarten, die im Schutz der Erlen nachfolgen können.

Durch diese naturnähere Flächenbehandlung werden Pflanz-, Kultur-, Wildverbiss- und Pflegekosten auf den Kahlflächen stark verringert, während gleichzeitig die Fruchtbarkeit des Standorts erhalten und verbessert wird.

Umgang mit Fichten- und Kiefernaltbeständen

Beim Waldumbau der noch bestehenden großflächigen, jedoch oft labilen Fichten- und Kiefernaltbestände ist es von besonderer Bedeutung, den schützenden Schirm der Altbäume möglichst lange zu bewahren. Dies ist entscheidend, um zunächst die standortheimischen Schattenbaumarten wie Weißtanne, Eibe und Buche zu etablieren. Wird der schützende Schirm zu schnell aufgelichtet, steigen die Bestand-Innentemperaturen, Alt- und Jungbäume geraten in Trockenstress und werden anfällig für Schadpathogene wie Pilze und Insekten.

Schalenwildbejagung als Schlüssel zum Erfolg

Für eine erfolgreiche Wiederbewaldung und einen naturnahen Waldumbau ist ein ökologisch ausgerichtetes Jagdmanagement von entscheidender Bedeutung. Historisch bedingt, gibt es in Deutschland durch die Hegezucht in der Kaiserzeit sowie vor allem im Nationalsozialismus sehr hohe Wilddichten von Reh-, Rot- und im Gebirge Gamswild, die vielerorts die natürliche Verjüngung und das ungestörte Aufwachsen von Pflanzungen verhindern. Vor allem das Rehwild profitiert von energiereicher Nahrung in Wiesen und Maisfeldern, die Schadflächen haben hier durch ein großes Aufkommen von Himbeere und Brombeere eine ähnliche Wirkung auf die Populationsdichte. Eine angepasste Bejagung muss gewährleisten, dass Pflanzungen und Naturverjüngungen ohne Zaunschutz wachsen können.

Daher ist es dringend erforderlich, die ökosystemaren Erkenntnisse (also solche, die das gesamte Ökosystem als Einheit betrachten) der letzten Jahrzehnte in den Novellierungen des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) und des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) zu adressieren, um einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der eine naturnahe Waldentwicklung und eine erfolgreiche Wiederbewaldung ermöglicht – denn intakte und naturnahe Wälder sind unsere Lebensgrundlage.

Der Bergwaldprojekt e.V. organisiert seit über 30 Jahren Freiwilligeneinsätze im Wald, Moor und in Offenlandschaften. Ziel der Arbeitseinsätze ist es, die Ökosysteme zu erhalten und wiederherzustellen, den beteiligten Freiwilligen die Bedeutung und die akute Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen bewusst zu machen und daran mitzuarbeiten, die notwendige sozial-ökologische Transformation in der Gesellschaft umzusetzen.

Die nächsten Pflanztage finden am 09.11. in Alt-Buchhorst und am 16.11. in München, Unterdill statt. Eine Übersicht über alle Pflanz- und Pflegetage in diesem Jahr finden Sie hier

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