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Verstrahlte KlimaretterWeshalb die Atomenergie das Klima retten soll

Kühlturm eines Atomkraftwerks mit Wasserdampfaustritt
Sonnenaufgang oder -untergang? Erlebt die Kernenergie schon bald ihre Renaissance? (Foto: Thomas Millot auf Unsplash)

In Deutschland ist der Atomausstieg längst beschlossene Sache. Trotzdem fordern Klimaaktivisten der „Nuclear Pride“-Bewegung auf der ganzen Welt die Rückkehr zur Kernenergie. Sie berufen sich dabei auf Berechnungen des Weltklimarats.

08.12.2018 – Auf der ganzen Welt formiert sich seit einigen Monaten eine ganz neue Gruppe von Umweltaktivisten. Sie gehören der „Nuclear Pride“ Bewegung an. Der Name ist dabei ganz bewusst an die „Gay Pride“-Bewegung von Schwulen und Lesben angelehnt. Dadurch wolle man zeigen, dass ein öffentliches Bekenntnis zur Atomkraft heutzutage in der Gesellschaft als Tabu angesehen und stigmatisiert werde, so Michael Shellenberg, Initiator der Bewegung und Präsident des Instituts „Environmental Progress“.

Hierzulande ist der Ruf der Kernenergie spätestens seit dem Reaktorunglück in Fukushima ramponiert – auch wenn es die Anti-Atom-Bewegung schon sehr viel länger gibt. Atomkraftwerke werden nicht ohne Grund als teuer, unsicher und gefährlich wahrgenommen. Wohin mit den hochradioaktiven Abfällen, die bei der Energieerzeugung entstehen? Kann das Restrisiko einer solchen Technologie gesellschaftlich toleriert werden? Zufriedenstellende Antworten gibt es auf diese und andere Fragen nicht. Die verzweifelte Suche nach einem langfristig angelegten Endlager für Atommüll in Deutschland zeigt, welche Probleme die Kernkraft zukünftigen Generationen auferlegt.

Pro-Atomenergie-Demo in München

Trotzdem gingen im Herbst auch hierzulande Menschen in München auf die Straße, um für die Rückkehr der Kernenergie zu protestieren. Neu war hierbei, dass die erste Pro-Atomenergie-Demo ihre Anliegen mit Umweltschutz-Argumenten rechtfertigte. Das lag vermutlich auch daran, dass die Atomlobby mitsamt den AKW-Betreibern nicht zu den Organisatoren des „Nuclear Pride Fests“ gehörte. EnBW, E.ON SE und Co haben das Kapitel vermutlich schon längst abgeschlossen.

Offensichtlich will „Nuclear Pride“ eine Umorientierung der Energiepolitik erreichen. So soll die Atomenergie nicht nur als klimafreundliche Energiequelle wahrgenommen werden, sondern auch ihr schlechtes Image in der Bevölkerung verlieren. „Über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg ist Kernenergie nämlich genauso CO2-arm wie Windkraft und emittiert nur ein Viertel so viel CO2 wie Photovoltaik“, sagt Rainer Klute, Diplom-Informatiker, Nebenfach-Physiker und Vorsitzender des Nuklearia e. V.

„Berufung“ zur Kernenergie

Seine „Berufung“ zur Kernenergie habe Klute 2011 durch das Reaktorunglück in Fukushima erfahren, von dem auch sein Sohn betroffen war. Andere Menschen würden sich gerade dann von der Atomenergie abwenden. Nicht jedoch Rainer Klute, bei ihm scheint das Ereignis genau das Gegenteil ausgelöst zu haben. Er wettert nun gegen „Fakenews“ vom Bundesumweltministerium und schwärmt von stolzen Kernkraftfreunden sowie der Begeisterung auf dem „Nuclear Pride Fest“ in München.

Für die Anhänger der „Nuclear Pride“-Bewegung ist die Atomenergie deshalb so „grün“, weil sie fast keine CO2-Emissionen verursache. Im Betrieb seien die Atomkraftwerke komplett emissionsfrei. Betrachte man den gesamten Lebenszyklus, werde ebenfalls nur sehr wenig CO2 ausgestoßen. Deshalb passt diese Form der Energieerzeugung aus ihrer Sicht auch so gut zum Sonderbericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen. Folgerichtig müsse auch der starke Ausbau der Kernenergie als Lösung zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels anerkannt werden.

IPCC: Ausbau der Kernenergie

In der Tat beinhalten fast alle Szenarien des IPCC-Berichts eine deutliche Ausweitung der weltweiten Atomstromproduktion. Je nach Pfad müsse im Jahr 2030 die Steigerung gegenüber 2010 zwischen 59 Prozent und 106 Prozent liegen.

Auch wenn eine solche Entwicklung in Deutschland undenkbar erscheint, ist sie global betrachtet gar nicht so unrealistisch. Schließlich entschieden sich nach der Reaktorkatastrophe in Japan nur fünf Ländern für einen Atomausstieg. 30 andere Länder hielten dagegen an ihren Plänen fest oder bauten sogar neue Kernkraftwerke. So werden in China derzeit gleich 14 neue Meiler errichtet, weltweit sind es insgesamt fast 50 – man schaue nur einmal ins Nachbarland Frankreich. So könnte die „Nuclear Pride“-Bewegung tatsächlich eine Debatte darüber entfachen, auf welchem Weg die Weltgemeinschaft ihre Klimaschutzziele zukünftig erreichen will. jk


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