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Energieintensive IndustrieWettbewerbsfähig mit Kreislaufwirtschaft

Nahaufnahme einer Person mit Arbeitshandschuhen, die mit einer Kelle frischen Zement oder Mörtel auf eine Mauer aufträgt. Der Fokus liegt auf der Hand und dem Baustoff, im Hintergrund sind Ziegel unscharf erkennbar.
Zement ist sehr ressourcen- und energieintensiv in der Herstellung. Kreislaufwirtschaftstechnologien können helfen den Gebrauch zu verringern (Bild: Getty Images für Unsplash+)

Der Fokus liegt auf den besonders energieintensiven Industrien Stahl, Zement und Chemie. Eine neue Analyse zeigt, wie die in Deutschland unter Druck stehenden Unternehmen durch Kreislaufwirtschaft international wieder wettbewerbsfähig werden können.

28.05.2025 – Seit Anfang der Woche ist klar, der Industrie-Konzern Thyssenkrupp wird zerschlagen. Die verschiedenen Geschäftsbereiche des Mischkonzerns sollen verselbstständigt und für die Beteiligung Dritter geöffnet werden, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. In den letzten beiden Geschäftsjahren wurden Verluste von 1,5 und 2,1 Milliarden Euro gemacht. Die energie- und CO2-intensive Produktion von Stahl im Duisburger Thyssenkrupp-Werk etwa, kann im internationalen Markt nicht mehr mithalten. Auch der Chemiekonzern BASF oder Zement von Heidelberg Materials stehen unter harten globalen Konkurrenzdruck.

Nicht zuletzt befeuern die aktuellen Produktionsverfahren bei Stahl, Zement und Chemie die Klimakrise und sind für 25 bis 30 Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen verantwortlich. 25 Prozent der CO2-Emissionen könnten durch Kreislaufwirtschaftstechnologien reduziert werden, so die zentrale Erkenntnis einer Analyse von Systemiq, einem nachhaltigen Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen, im Auftrag der Umweltschutzorganisation WWF. Betrachtet wurden Technologien, die Rohstoffe in den energieintensiven Industrien reduzieren (reduce), wiederverwenden (reuse) und recyclen.

Der Stahl

Im Stahlbereich etwa werde in den kommenden Jahren immer mehr Stahlschrott anfallen, da viele Maschinen und Gebäude ihr Lebensende erreichen. Eine hochwertige Aufbereitung sei entscheidend, um diesen Schrott effizient für klimafreundlichen Stahl in stahlintensiven Sektoren zu nutzen, so die Analyst:innen von Systemiq. Eine Technologie zur verbesserten Materialerkennung als Voraussetzung eine bessere Trennverfahren sei etwa die wenig bekannte laserinduzierte Plasmaspektroskopie (LIBS). Dabei können die chemische Zusammensetzung von Materialien und mögliche Verunreinigungen frühzeitig erkannt werden und so der Stahlschrott besser getrennt werden.

Ein weiterer Weg sind bereits bestehende, fortschrittliche Trennverfahren zur Kupferentfernung für höhere Schrottqualität und bessere Wiederverwertung von Stahl. Laut Systemiq könnten so mehr als 70 Prozent des heutigen Stahlbedarfs technisch durch recycelten Stahl gedeckt werden. Zur anschließenden Reduzierung fossiler Prozesse bei der Stahlproduktion selbst könnten vermehrt die sogenannte wasserstoffbasierte Direktreduktion und anschließender Elektrolichtbogenofen für Schrottrecycling zum Einsatz kommen. Eisenerz wird in einem Direktreduktionsreaktor auf etwa 800–1.000 °C erhitzt und durch grünen Wasserstoff reduziert. Das Endprodukt ist fester Eisenschwamm. Diese kann anschließend im Elektrolichtbogenofen zu Stahl geschmolzen werden. Dieser benötigt Schrott als Brennmaterial und Hauptrohstoff.

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Der Zement

Beim Zement ist es besonders schwierig dessen Produktion klimafreundlicher zu gestalten. Auf lange Sicht könnten elektrische Drehöfen Brennstoffemissionen reduzieren. Noch steckt die Technologie aber in ihren Kinderschuhen und die prozessbedingten Emissionen aus der Entsäuerung des Kalksteins bleiben bestehen. Vielmehr müsse es darum gehen einen optimierten und alternativen Materialeinsatz sowie gesteigerte Materialeffizienz zu erreichen, so die Analyst:innen von Systemiq.

Durch materialeffizientes Design und Modul-Vorfertigung könne der Materialbedarf im Bau in Europa um 250 Millionen Tonnen werden. Dabei müsste der Fokus stärker auf digitaler Planung und Standardisierung gelegt werden. Das senke die CO2-Emissionen, beschleunige den Bau und senke die Kosten um bis zu 20 Prozent. Als Alternative für Zementklinker könnte sogenannter kalzinierter Ton zum Einsatz kommen. In der Produktion könnten so bis zu 65 Prozent an CO2-Emissionen eingespart werden – durch geringere Prozesstemperaturen und weniger Emissionen des Rohstoffs selbst. Zudem ist kalzinierter Ton in großen Mengen in Deutschland verfügbar.

Die Chemie

Im Fokus der Chemieindustrie: die Plastikproduktion. Rund 20 Prozent des Energie- und Rohstoffverbrauchs der Branche entfallen allein auf die Produktion von Plastikverpackungen. Eine grüne Methanolnutzung könnte eine nahezu CO2-freie Produktion von Plastikerzeugnissen ermöglichen. Für die Herstellung von grünem Methanol aber werden großen Mengen an Erneuerbaren Energien gebraucht. Ob Deutschland dafür die Kapazitäten hat, ist unsicher. Das Methanol könnte verstärkt aus dem europäischen Ausland importiert werden.

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Um insgesamt die Plastikproduktion zu verringern, könnten etwa IoT-gestützte Verpackungssysteme helfen, die Nachfrage nach Einwegverpackungen um 12 bis 20 Prozent zu senken. Dabei geht es um den Ausbau von Mehrwegsystemen mittels verbesserter digitaler Erfassung von Plastikverpackungen und deren Wiederverwendung.

Insgesamt sei die Digitalisierung ein wichtiger Hebel, um Kreislaufwirtschaftsprozesse voranzutreiben. Diese müssten von der Politik stärker gefördert werden, fordert auch der WWF. Und: durch den Ausbau von Kreislaufwirtschaftstechnologien könne Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wahren, sagt Lisa Okken, Referentin für Klimaschutz und Industrie beim WWF. Sie mahnt zudem an: „Je weniger Ressourcen wir verbrauchen, desto weniger sind wir abhängig von anderen Staaten und Märkten. In der politischen Debatte aber vermissen wir die Kreislaufwirtschaft.“ Dabei sei klar: „Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit gehen Hand in Hand.“

Neben gezielten Förderprogrammen für die Industrie müsse aber auch der europäische Emissionshandel besser greifen. Denn noch profitiere die Industrie von der kostenlosen Zuteilung von CO2-Zertifkaten und zahle nicht in vollem Umfang für das CO₂, das sie ausstößt. Aktuell soll die Zuteilung 2034 auslaufen. „Um bis dahin weitere Fehlanreize zu vermeiden, muss die freie Zuteilung an Gegenleistungen geknüpft werden“, so der WWF. Unternehmen sollten sich wissenschaftlich fundierte Klima- und Umweltziele setzen und mittel- bis langfristige Transformationspläne vorlegen. Zudem sollten die erhaltenen Gelder an Investitionen seitens der Unternehmen in Energieeffizienz, klimafreundliche Prozesse und den Ausbau erneuerbarer Energien gebunden werden.

Hoffnungen setzt der WWF in den Clean-Industrial-Deal. Kernpunkte des CID sind die Unterstützung der Clean Tech Industrie und Umstellung der heimischen Industrie auf nachhaltige Produktion. Für das kommende Jahr ist auch ein umfassender Circular Economy Action Plan der EU angekündigt, der die Kreislaufwirtschaft auf ein neues Level heben soll. Laut Analyse von Systemiq können Technologien zur Kreislaufwirtschaft die Kosten zur Klimaneutralität in der Grundstoffindustrie um bis zu 45 Prozent senken. mg

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