Gas-Lieferungen19 Prozent mehr LNG aus Russland

Ein großes Schiff aus der Vogelperspektive fährt auf Wasser
LNG steht für Liquefied Natural Gas und ist verflüssigtes Erdgas, dass so in komprimierter Form mit Tankern über die Meere transportiert wird (Foto von Venti Views auf Unsplash)

Die Europäische Union importiert weiter munter russisches Gas. Allen Sanktionen zum Trotz. Im letzten Jahr stieg der Import von Flüssigerdgas auf ein neues Rekordniveau. Wichtigster Akteur dabei: ein deutsches Staatsunternehmen.

29.01.2025 – Laut der EU-Kommission sind es massive und beispiellose Sanktionen, die die Europäische Union gegenüber Russland seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 verhängt hat. Das gilt für Exporte nach Russland, etwa in Form von Spitzentechnologie und Luxusgüter, aber auch für Importe, insbesondere von Rohstoffen. Die EU war abhängig von Kohle, Öl, Gas und Uran aus Russland. Für den Import von Steinkohle aus Russland, sowie für direkte Ölimporte gibt es wirksame Sanktionen. Für 90 Prozent der vorherigen Ölimporte gilt ein Verbot. Anders sieht es bei Uran und Gas aus. Im niedersächsischen Lingen etwa werden weiterhin mit russischem Uran Brennelemente für ganz Europa hergestellt.

Für Uran besteht kein grundsätzliches Embargo. ebenso wie für Gas aus Russland. Zwar fließt immer weniger Gas durch Pipelines – zuletzt liefen die Lieferverträge für die Transgas-Pipeline aus (die auch durch die Ukraine verlief) und die Lieferungen über die Nordstream-Pipeline stoppte Russland eigenmächtig, bevor sie bei einer Sabotageaktion zerstört wurde – aber es gibt weiterhin die Turkstream-Pipeline, durch die der Gastransit nach Europa sogar erhöht werden soll. Deutlich erhöht wurden seit dem Angriffskrieg Russlands auch die Lieferungen von Gas per Schiff.

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Sogenanntes LNG – verflüssigtes Erdgas – landet seit dem Februar 2022 vermehrt in europäischen Häfen, um die Abnahme von Gas aus Pipelines aufzufangen. Zwar sinkt insgesamt der Gasimport aus Russland, aber russisches LNG macht weiterhin einen gewichtigen Teil des europäischen Gasbedarfs aus. 2024 stieg der Import im Vergleich zu 2023 noch einmal. Wurden 2023 13,35 Millionen Tonnen russisches LNG in die EU importiert, waren es 2024 15,93 Millionen Tonnen – ein Anstieg von 19,3 Prozent. Insgesamt flossen 18,47 Millionen Tonnen russisches LNG in die EU, von denen 2,55 Millionen Tonnen in Nicht-EU-Länder exportiert wurden, wie mehrere Umweltverbände auf Grundlage von Datensätzen des Datenanbieters KPLER, mitteilen.

In der am gestrigen Dienstag veröffentlichten Analyse von Deutscher Umwelthilfe (DUH) gemeinsam mit den Umweltorganisationen Urgewald, Razom We Stand (Ukraine) und Bond Beter Leefmilieu (Belgien), wird zudem deutlich, dass ein deutsches Staatsunternehmen eine zentrale Rolle spielt. SEFE trat als Käufer von 58 Lieferungen mit einem Gesamtvolumen von 4,1 Millionen Tonnen auf – im Vergleich zu 12 Lieferungen mit einem Umfang von 880.000 Tonnen 2023 sechseinhalb-Mal so viel wie im Vorjahr.

SEFE Energy ist das vom Bund verstaatlichte Unternehmen das vormals Gazprom Germania hieß, ein russisch-deutsches Joint Venture. Da Europa keine Sanktionen gegen den Import von russischem LNG nach Europa verhängt habe, gebe es derzeit keine rechtliche Grundlage für die Kündigung oder Aussetzung eines bestehenden Vertrags, teilt das Energieunternehmen auf Anfrage des Spiegel mit. Laut SEFE müssten vereinbarte Mengen bezahlt werden, selbst wenn diese nicht abgenommen würden. Die Nichtabnahme würde dem Lieferanten ermöglichen, diese Mengen erneut zu verkaufen, was die russische Wirtschaft unterstützen würde, argumentiert SEFE gegenüber dem Nachrichtenmagazin.

Widerspruch in der Ukraine-Russland-Politik

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, sagt: „Die Bundesregierung muss hier dringend einen politischen und wirtschaftlichen Kurswechsel einschlagen und sich für ein unverzügliches europäisches Embargo auf russisches Flüssigerdgas einsetzen. Das ist sicherheits- und klimapolitisch unverzichtbar.“ Und Svitlana Romanko, ukrainische Gründerin und Geschäftsführerin von Razom We Stand, erklärt: „Wir nähern uns dem dritten Jahr von Russlands schrecklichem Krieg gegen die Ukraine. Es ist schockierend, dass die EU-Importe von russischem LNG in dieser Zeit sogar noch zugenommen haben. Die Staats- und Regierungschefs müssen mit ihrer Heuchelei aufhören. Wenn sie der Ukraine Unterstützung zusagen, dürfen sie nicht gleichzeitig ihr Geld an Russland schicken.“

Dabei könnten, einer Studie vom letzten Jahr zufolge, die EU-Länder zeitnah auf russisches Gas verzichten.  Alle Modellrechnungen würden zeigen: „dass bei leicht rückläufigem Verbrauch aufgrund ausreichend vorhandener Importkapazitäten und Erdgasmengen auf dem globalen Markt auch ein vollständiger Verzicht auf russisches Erdgas (Sanktionsszenario) für die EU möglich wäre“, so die Autor:innen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Technischen Universtität Berlin in der Analyse. Selbst bei einer kurzfristig höheren Importabhängigkeit könnte mehr LNG etwa aus den USA importiert werden.

Nachdem der ehemalige US-Präsident Joe Biden zwischenzeitlich ein Moratorium auf neue LNG-Exportinfrastrukturen verhängt hatte, sollen unter dem neuen Präsidenten Donald Trump die LNG-Exporte in die EU weiter zunehmen. Aus der EU-Kommission gibt es dafür positive Signale. Umweltverbände fordern hingegen eine Abkehr von LNG-Importen aus den USA und legen dafür nicht nur gewichtige Gründe im Sinne von Umwelt- und Klimaschutz vor, sondern zeigen auch, dass die Ausweitung der Lieferungen zum ökonomischen Nachteil für die Bevölkerung beiderseits des Atlantiks gereichen würde. Eine weitere Analyse zeigt zudem das monetäre Ausmaß fossiler Importe nach Europa. mg

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