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Europa50 Milliarden Euro für fossile Kraftwerke im Standby

Rauchende Industrieanlage am Wasser bei Sonnenuntergang. Dichter Rauch steigt aus mehreren Schornsteinen in den Himmel, während große Tanks, Rohre und Frachtschiffe im Vordergrund sichtbar sind. Die Szene wirkt dramatisch durch das Licht der tiefstehenden Sonne, das den Rauch in goldene und graue Farbtöne taucht.
Kraftwerke, angetrieben durch Schiffsladungen fossiler Brennstoffe (Symbolbild) (Foto von Chris LeBoutillier auf Unsplash)

Mehrere europäische Länder leisten sogenannte Kapazitätszahlungen, um Kraftwerke bei Strommangel zu aktivieren. Ein Großteil davon fließt in fossile Energie. Und Deutsche Energiekonzerne profitieren auch im Ausland.

26.06.2025 – In Deutschland ein heiß diskutiertes Thema, in anderen europäischen Ländern schon Standard: sogenannte Kapazitätszahlungen, um Kraftwerke in Reserve zu halten, die bei Bedarf und Strommangel einspringen können. Großbritannien etwa bietet in einem Kapazitätsmarkt jährliche Auktionen an, wo Kraftwerksbetreiber Kapazitäten anbieten, die sie für einen bestimmten Zeitraum bereitstellen. Belgien, Irland, Italien, Frankreich und Polen bieten ähnliche Modelle an.

Eine Analyse von Beyond Fossil Fuels, auf Datenbasis von Aurora Energy Research, zeigt jedoch: ein Großteil der staatlichen Mittel für die Reservekraftwerke fließt in Gas, Kohle und andere CO2-intensive Prozesse. Von insgesamt rund 90 Milliarden Euro, ging mit über 50 Milliarden Euro, fast dreimal so viel an fossile Konzerne, wie in flexible und klimafreundliche Lösungen wie Stromspeicher, Lastmanagement oder smarte Netze. Getragen werden die Kapazitätszahlungen von den Stromkund:innen in den jeweiligen Ländern über Zusatzkosten auf der Stromrechnung.

Den Löwenanteil der Kapazitätszahlungen bekamen Betreiber von Gaskraftwerken: In Großbritannien rund 14 Milliarden Euro und 59 Prozent aller Zahlungen, in Italien 15 Milliarden Euro und 82 Prozent aller Zahlungen. In Polen liegen die Zahlungen für Kohle (6 Milliarden und ein Anteil von 31 Prozent) und Gas (7 Milliarden und ein Anteil von 35 Prozent) fast gleichauf. In keinem der untersuchten Länder dominieren Erneuerbare Energien, Netzmanagement und Speicherlösungen.

Größter Profiteur über alle untersuchten Länder hinweg ist die europaweit agierende EP-Gruppe. In Großbritannien, Irland und Italien erzielte EP insgesamt über vier Milliarden Euro für die Bereithaltung ihrer Kraftwerke in Reserve. Hinter der Gruppe steht der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky – In Deutschland vor allem bekannt, weil die EP-Gruppe in diesem Jahr alleiniger Besitzer des Lausitzer Energiekonzerns Leag wurde. Dieser steht im Verdacht, durch Abspaltung seines Erneuerbaren Geschäfts, künftig nicht mehr für Rekultivierungsmaßnahmen der Braunkohletagebaue aufzukommen.

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Auch deutsche Konzerne im Spiel

Beyond Fossil Fuels hat neben der EP-Gruppe, die neun weiteren Energiekonzerne mit den höchsten Kapazitätserlöse in den untersuchten Ländern genauer analysiert. Über alle Energiekonzerne hinweg, wurden mit 7,24 Milliarden Euro die meisten Erlöse in Italien erzielt – gefolgt von Großbritannien mit 5,86 Milliarden Euro und Polen mit 5,4 Milliarden Euro. Unter den Top10 finden sich auch die deutschen Energiekonzerne RWE und Uniper, die im europäischen Ausland zusammen 2,4 Milliarden Euro an Kapazitätszahlungen erhielten. Die meiste Unterstützung für RWE und Uniper kommt derzeit aus Großbritannien, wo sie Verträge mit Laufzeiten von über zehn Jahren abschließen konnten.

Partnerorganisation von Beyond Fossil Fuels ist urgewald. Deren Energie-Campaigner Moritz Leiner kommentiert: „Wir sollten nicht vergessen, wie wir hierherkamen: Uniper und RWE waren beide stark von russischen Gasimporten abhängig und standen im Zentrum der Energiekrise. Putin konnte mit dem Abschalten der Nord-Stream-Pipeline und der Einstellung von Gaslieferungen die Preise in die Höhe treiben und die Bundesregierung musste Uniper retten.“

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Kapazitätsmechanismus auch in Deutschland?

Wie in den von Beyond Fossil Fuels untersuchten europäischen Ländern, fordern RWE und Uniper auch in Deutschland entsprechende Zahlungen über Kapazitätsmechanismen. Noch gibt es in Deutschland nur eine im Energiewirtschaftsgesetz geregelte sogenannte Kapazitätsreserve, die sicher stellen soll, dass ausreichend gesicherte Kraftwerksleistung zur Verfügung steht, wenn sie benötigt wird. Dafür erhalten Kraftwerksbetreiber eine verfügbarkeitsbasierte Vergütung die marktdienlich und begrenzt ist. Diese Anlagen dürfen zugleich nicht am Strommarkt teilnehmen.

Schon die ehemalige Ampel-Regierung brachte einen am Markt teilnehmenden Kapazitätsmechanismus ins Spiel, sowie die Ausschreibung von rund 13 Gigawatt an Gaskraftwerken, die Wasserstoff-Ready sind. Die neue schwarz-rote Koalition plant sogar die Ausschreibung von 20 GW neuer Gaskraftwerkekapazitäten. Und kohle-, gas- und ölbefeuerte Reservekraftwerke sollen laut Koalitionsvertrag künftig in Zeiten hoher Strompreise wieder am Markt teilnehmen können, obwohl die eigentlich schon längst abgeschaltet und bislang nur noch für Ausnahmefälle, finanziert aus den Netzentgelten, betriebsbereit gehalten werden.

Ein steuerfinanziertes Subventionsprogramm für Gaskraftwerke auf Basis von Flüssigerdgas aus den USA oder Katar hieße, denselben Fehler wie damals mit Putin zu wiederholen, so Leiner von urgewald „Wir müssen endlich raus aus fossilen Abhängigkeiten. Nur mithilfe von Erneuerbaren Energieträgern und flexiblen Lösungen können wir uns als Gesellschaft unabhängig machen.“ Und Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe (ebenfalls Partnerorganisation von Beyond Fossil Fuels), ergänzt: „Statt Milliarden für veraltete Technik und die Gewinne der Konzerne zu verplempern, brauchen wir ein flexibles und sauberes Stromsystem: mit mehr Speichern, besseren Netzen und echten Zukunftsinvestitionen.“ mg

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