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AtomausstiegAtomkraft ersetzt kein Erdgas

Atomkraftwerk Gemeinschaftskraftwerk Neckar (GKN) bei Neckarwestheim, in der Bildmitte die Zellenkühler von Block 1, Rechts der Hybridkühlturm von Block 2
Atomkraft bringt keine Energiesicherheit, das können nur Erneuerbare Energien. (Bild: Thomas Springer / Public Domain)

Die Versorgungssicherheit in Deutschland wird vor dem Hintergrund eines möglichen Gaslieferstopps aus Russland erneut geprüft. Trotz der klaren Absage Anfang des Jahres sind Laufzeitverlängerungen wieder Teil der Debatte.

21.07.2022 – Die Bundesregierung lässt erneut prüfen, inwieweit die Energielage in Deutschland gesichert ist. Sie beauftragte die Netzbetreiber zu untersuchen, ob die Versorgungssicherheit auch unter verschärften Bedingungen gegeben bleibt. Dabei brachten FDP und CDU erneut eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ins Spiel. Ideologiefrei kann jedoch nicht für den Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke argumentiert werden.

Energieversorgung prüfen

Die Versorgungsnetzbetreiber bestätigten bisher eine sichere Versorgungslage in Deutschland. Denn zwischen März und Mai hatte ein erster Stresstest ergeben, dass die Energieversorgung über den Winter gesichert sei. Dabei wurde unter anderem geprüft, ob die Versorgung auch mit deutlich weniger Gaslieferungen aus Russland und bei einem möglichen Ausfall von mehreren Atomkraftwerken in Frankreich aufrechterhalten werden könnte.

Eine gesonderte Prüfung im März hatte zuvor bereits ergeben, dass eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken auch im Falle einer Gasmangellage keine sinnvolle Maßnahme wäre. Sie könnten demnach weder helfen, die Versorgung im kommenden Winter zu sichern, noch die Energiemarktsituation langfristig entspannen. Die letzten drei Atomkraftwerke Deutschlands gehen gemäß des Atomausstiegs Ende dieses Jahres vom Netz.

In einem zweiten Stresstest sollen vor allem höhere Ausfallmengen von Gas und Stromlieferungen aus anderen Ländern geprüft werden. Grünen-Parteichefin Ricarda Lang betonte zuletzt in einem Interview, dass am Atomausstieg festgehalten werde. Gleichzeitig sei die Situation vor dem Hintergrund der Gaskrise stets nach den letzten Entwicklungen zu bewerten. Eine Reihe von Medienberichten interpretierten dies als mögliche Öffnung für eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke.

Ideologiefrei argumentieren und handeln

FDP und CDU sprechen bereits seit Ausbruch des Ukraine-Krieges immer wieder über Laufzeitverlängerungen. Anfang Juni forderte Bundesfinanzminister Christian Lindner Atomkraft ideologiefrei zu bewerten. Dabei gesteht selbst Lindner ein, dass ein Neubau von Atomkraftwerken sich aller Wahrscheinlichkeit nach wirtschaftlich nicht lohnen würde.

Er scheint jedoch zu übersehen, dass es in Deutschland einen Konsens über den Atomausstieg gibt, und das aus gutem Grund. Atomkraft ist nicht nur die teuerste Form der Energieerzeugung. Sie ist – anders als oft behauptet – auch nicht klimafreundlich oder zuverlässig. Sie verursacht lebensfeindlich verseuchten Atommüll, dessen Endlagerung weiterhin ungeklärt bleibt. Sie verdrängt Erneuerbare aus dem Netz und verzögert so die Energiewende. Sie ist anfällig für äußere Angriffe. Und die atomare Abhängigkeit von Russland ist sogar noch größer als die fossile.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz betont, dass einer Laufzeitverlängerung auch erhebliche rechtliche Hürden entgegenständen. Selbst die Betreiber der verbleibenden drei Atomkraftwerke in Deutschland sind gegen eine kurzfristige Kehrtwende – und würden für einen Weiterbetrieb verlangen, dass die Bundesregierung die volle Verantwortung für Komplikationen und Unfälle trüge.   

Atomkraft ist keine Stromreserve

Dass Atomkraft dabei nicht einmal zuverlässig Energie liefert, zeigte sich in diesem Sommer wieder in Frankreich. Hitzewellen führten dazu, dass zahlreiche französische Atomkraftwerke gedrosselt oder ganz heruntergefahren werden mussten. Die Reaktoren hatten technische Schwierigkeiten oder konnten bei der Hitze nicht ausreichend heruntergekühlt werden, um weiter Strom zu liefern. Ungewiss bleibt, wie das Baumaterial auf die schnellen Wechsel der Umgebungstemperatur reagiert. Durch die Klimakrise sind zunehmend Extremwetter zu erwarten. AKW über ihre prognostizierten Laufzeiten in Betrieb zu halten, erscheint schlicht fahrlässig.

Atomkraft ist nicht nur auf stabile Wetterverhältnisse angewiesen, sondern auch auf stabile soziale Verhältnisse. "Wir haben wenige hunderte Kilometer von uns entfernt einen Krieg, in dem auf Atomkraftanlagen geschossen wurde, die in diesen Krieg mit hineingezogen worden sind. Es ist klar, dass Atomkraftwerke niemals für den Zustand eines Krieges, für solche Angriffe ausgelegt gewesen sind", betonte Bundesumweltministerin Steffi Lemke im Interview mit dem Südwestrundfunk. Warum weiter über Laufzeitverlängerungen diskutierte werde, verstehe auch sie nicht.

Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Greenpeace Messergebnisse von Proben um die von russischen Soldaten eingenommene Atomruine Tschernobyl. Die Soldaten hatten auf ihrem Weg Schützengräben ausgehoben und so radioaktiv verstrahlte Erde freigelegt. Die Schäden ließen sich auch mit Hilfe einer Auswertung von Satellitenbildern nachweisen. Ukrainische Behörden gaben an, dass auch Datenbanken und Labore mit Untersuchungen in Tschernobyl vernichtet wurden. Neben allen anderen Gefahren sei so auch die wissenschaftliche Arbeit zum Umgang mit verstrahltem Areal um Jahrzehnte zurückgeworfen worden. jb


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