EnBW / Aurora Energy ResearchBlauer Wasserstoff soll Kosten der Energiewende senken helfen

H2 Buchstaben blau vor blauem Hintergrund
Klimapolitisch kontraproduktiv: Die Herstellung von sog. Blauem Wasserstoff hat eine negative Klimabilanz. (Foto: Allison Saeng für Unsplash+ / Unsplash+ License)

Weniger heimischen grünen Wasserstoff, weniger PV, Offshore-Wind und Batteriespeicher, dafür mehr importierter blauer Wasserstoff für Gaskraftwerke. Dies schlägt eine von EnBW beauftragte Studie vor, um die Kosten der Energiewende zu senken.

04.04.2025 – Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein, so das Ziel der Bundesregierung. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien muss dafür massiv beschleunigt werden. Hinzu kommt der Ausbau von Batteriespeichern und Elektrolyseuren, die grünen Wasserstoff erzeugen.

Vielfach wird in diesem Zusammenhang derzeit über die Bezahlbarkeit und die Kostendämpfung der Energiewende diskutiert. Nun meldet sich auch EnBW mit einer Studie zu Wort, welche das Beratungsunternehmen Aurora Energy Research durchführte. Die Vorschläge haben es durchaus in sich.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass dieser Weg zu teuer ist und schlägt vor, wie und in welchem Umfang die Kosten gesenkt werden könnten. „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien, der verfügbaren Leistung und der Netze muss in hohem Tempo weitergehen, um die deutschen Klimaziele zu erreichen“, stellte Georg Stamatelopoulos, Vorstandsvorsitzender der EnBW, beim Pressegespräch diesen Mittwoch in Berlin klar. Gleichzeitig seien deutliche Kostensenkungen möglich, für die jetzt die Weichen gestellt werden müssten. „Wenn es nicht gelingt, die Kosten für den Umbau des Energiesystems hin zur Klimaneutralität bis 2045 besser in den Griff zu bekommen, droht die Akzeptanz der Energiewende zu erodieren“, so der EnBW-Chef.

Als erster zentraler Hebel zur Kostensenkung wird in der Studie die deutliche Reduzierung des geplanten Ausbaus der Elektrolysekapazitäten in Deutschland zur Erzeugung von grünem Wasserstoff genannt. „Hohe Elektrolyseurkapazitäten sind kapitalintensiv und erhöhen die Systemkosten erheblich“, betont Frederik Beelitz, Head of Advisory Central Europe bei Aurora und Hauptautor der Studie.

80 Prozent weniger Elektrolyseure

Eine Reduzierung der Elektrolyseur-Kapazitäten würde es zudem ermöglichen, das Photovoltaik-Ausbauziel und damit auch die Netzinvestitionen zu senken. Konkret schlägt die Studie vor, das Ausbauziel für Elektrolyseure bis 2045 um 80 Prozent zu reduzieren, von geplanten 50 Gigawatt (GW) auf 10 GW bis 2045. Die Ausbauziele für die Photovoltaik könnten entsprechend um 37 Prozent reduziert werden: Von derzeit im Netzentwicklungsplan Strom (NEP) vorgesehenen 400 GW auf 254 GW bis 2045. Dies würde die Systemkosten im Stromsektor um rund 100 Milliarden Euro entlasten.

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Weniger Offshore-Windkraft

Als zweiten zentralen Kostenhebel sieht Aurora die Reduzierung des Ausbauziels für Offshore-Windenergie und den verstärkten Ausbau von Gas- und Wasserstoffkraftwerken. Vorgeschlagen wird, die Offshore-Kapazitäten bis 2045 um 21 Prozent von 70 GW auf 55 GW (2024, 9 GW) zu reduzieren und den Ausbau von Gas-/H2-Kraftwerken auf 55 GW zu erhöhen, 57 Prozent mehr als derzeit im NEP für 2045 vorgesehen (35 GW).

„Ab einer Offshore-Kapazität von rund 55 GW müssen die zusätzlichen Anlagen Anschlusspunkte weit im Binnenland bis nach Südhessen nutzen, mit sprunghaft ansteigenden Netzanschlusskosten“, so Beelitz. Der Zubau von weiteren 20 GW Gas-/H2-Kraftwerken kompensiere die Offshore-Reduktion und erhöhe die Versorgungssicherheit. Dabei überbrückten die Kraftwerke auch längere Dunkelflauten und machten so einen Teil der Batteriespeicher überflüssig. Die Kostenersparnis durch diese Maßnahme beziffert die Studie auf rund 80 Milliarden Euro.

Aurora Energy Research spricht sich allerdings ausdrücklich für ein Festhalten an den Ausbauzielen für Wind Onshore aus. „Wind an Land spielt in unseren Szenarien eine Schlüsselrolle“, sagte Beelitz.

Mehr blauer Wasserstoff für Gaskraftwerke

Weitere 40 Mrd. Euro könnten laut der Studie durch einen technologisch und regional optimierten Zubau von Gas-/H2-Kraftwerken in Kombination mit der Umstellung auf blauen Wasserstoff eingespart werden. „Der Einsatz von blauem statt grünem Wasserstoff spart Brennstoffkosten“, so Beelitz. Er bezifferte die Brennstoffkosten für blauen Wasserstoff aus Norwegen auf 3 bis 3,50 Euro/kg und für importierten grünen Wasserstoff auf 4,50 bis 6 Euro/kg. Außerdem könne blauer Wasserstoff in Norwegen sehr CO2-arm hergestellt werden. Durch die Ansiedlung der Kraftwerke im netztechnisch günstigeren Süden Deutschlands könnte zudem die vorhandene Netz- und Gasinfrastruktur genutzt und Netzengpässe zusätzlich reduziert werden. Ein optimiertes Verhältnis von Gasturbinen- und Gas- und Dampfturbinenkraftwerken trage ebenfalls zur Senkung der Systemkosten bei.

Blauer Wasserstoff, gewonnen aus Erdgas und vermeintlich CO2-neutral durch CO2-Abscheidung und -Verpressung, steht jedoch in der Kritik. „Für das Klima ist diese Technik hochgefährlich, denn unter dem Strich werden auch hier große Mengen an klimaschädlichem CO2 und Methan freigesetzt“, schreibt Till Irmisch, Referent „Klimawende von unten“ auf der Website des Umweltinstituts München. Besonders interessant sei diese Technik natürlich für Länder und Firmen, die vom Handel mit Erdgas profitieren. „Sie könnten so ihr altes Geschäftsmodell trotz Klimakrise weiterführen und ihre fossile Infrastruktur gewinnbringend weiterverwenden.“ 

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Nur halb so viel Batteriespeicher

Ebenso plädiert die Studie für eine Halbierung des Ausbaus von Batteriespeichern von geplanten 141 GW auf 70 GW bis 2045. Dadurch könnten rund 80 Milliarden Euro eingespart werden. „Der Ausbau von Batteriespeichern ist ziemlich ambitioniert. Zudem sind Batteriespeicher nur bedingt geeignet, um Kapazitäten über längere Zeiträume zur Verfügung zu stellen“, so Beelitz. Wasserstofffähige Gaskraftwerke erfüllten diese Aufgabe kosteneffizienter und flexibler, sie reduzierten Knappheiten im System und die Importabhängigkeit in besonders hochpreisigen Zeiten.

Ausbaupläne an erwartete geringere Stromnachfrage anpassen

Durch diese Maßnahmen zur technischen Optimierung, den angepassten Ausbau der Erneuerbaren Energien und den verstärkten Import von blauem Wasserstoff könnten die Kosten für den Umbau des Energiesystems laut Aurora bis 2024 um rund 300 Milliarden Euro gesenkt werden.

Weitere 400 Mrd. Euro Einsparpotenzial sieht die Studie durch die Anpassung der Dimensionierung des gesamten Stromsystems an eine geringere Stromnachfrage. „Die Erwartungen an die zukünftige Endkundennachfrage sind seit der Erstellung des NEP 2023 deutlich gesunken. Eine Reduktion um 20 bis 25 Prozent entspricht dem aktuellen Stand der Studien", so Beelitz. Um eine „Überdimensionierung des Energiesystems“ zu vermeiden, könne das System insgesamt kleiner geplant werden.

Atomkraft keine wirtschaftliche Option

„Die Prognosen für den erwarteten Strombedarf im Jahr 2045 müssen deutlich nach unten korrigiert werden“, betonte auch Stamatelopoulos. Das Szenario A aus dem NEP-Prozess 2025 sollte als Leitszenario für eine zügige Novellierung des Bundesbedarfsplangesetzes dienen. Wenig hält der EnBW-Chef allerdings von den Diskussionen um eine Reaktivierung oder Renaissance der Kernenergie für eine angeblich kostengünstige, sichere und klimaneutrale Stromversorgung. „Die Kernenergie, wie wir sie heute kennen, ist nicht wirtschaftlich“, betonte er. Auch modulare kleine Reaktoren, SMR, sieht er auf absehbare Zeit nicht als kommerziell verfügbar an. Hans-Christoph Neidlein

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