World Energy Outlook 2022: Das Energiesystem wandelt sich
Die globale Energiekrise zeigt eindrücklich die wirtschaftliche Gefahr der Fossilabhängigkeit. Fossile Energieträger sind zudem in hohem Maße verantwortlich für die Klimakrise. Die Zeit für den Energiesystemwandel ist gekommen, so die IEA.
28.10.2022 – Die internationale Energieagentur (IEA) sieht den Silberstreifen am Horizont der Energiekrise. Angestoßene Veränderungen seien tiefgreifend und beschleunigten den Übergang zu einem nachhaltigeren Energiesystem, bestätigt die IEA im World Energy Outlook (WEO) 2022.
Von Fossilen zu Erneuerbaren übergehen
Das globale, auf Fossilen basierende Energiesystem ist unhaltbar und verantwortlich für die derzeitige Energiekrise, konstatiert der World Energy Outlook 2022 (WEO). Die hohen Energiepreise seien nachweislich auf das fossile Energiesystem zurückzuführen. Maßnahmen der Klimapolitik hätten hingegen kaum zu steigenden Preisen beigetragen.
"Die Energiemärkte und -politiken haben sich durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine verändert, und zwar nicht nur vorläufig, sondern für die nächsten Jahrzehnte", sagte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. "Selbst mit den heutigen politischen Rahmenbedingungen verändert sich die Energiewelt vor unseren Augen dramatisch. Die Reaktionen der Regierungen auf der ganzen Welt versprechen, dies zu einem historischen und endgültigen Wendepunkt hin zu einem saubereren, erschwinglicheren und sichereren Energiesystem zu machen."
Viele Regierungen ergreifen derzeit Maßnahmen, um die Krise langfristig abzufedern. Der Fokus liegt hier auf Erneuerbaren Energien. Viele Staaten wollen den Strukturwandel beschleunigen: Zu den bemerkenswertesten Maßnahmen gehören der Inflation Reduction Act in den USA, das Fit-for-55-Paket der EU und REPowerEU, Japans Green Transformation (GX)-Programm, Koreas Bestreben, den Anteil der erneuerbaren Energien in seinem Energiemix zu erhöhen, sowie die ehrgeizigen Ziele für saubere Energie in China und Indien, so die IEA. Einschränkend gilt es anzumerken, dass die IEA in ihren Prognosen Atomenergie als Teil eines erstrebenswerten, grünen Energiemixes bewertet. Diese positive Bewertung von Atomenergie wird besonders in Deutschland und weiteren europäischen Ländern scharf kritisiert.
Globale Energiemärkte richten sich neu aus
Das "Stated Policies Scenario", des WEO basiert auf den neuesten politischen Rahmenbedingungen weltweit. Werden die Maßnahmen wie geplant umgesetzt, so steigen globale Investitionen in saubere Energien bis 2030 auf über 2 Billionen US-Dollar pro Jahr. Das entspricht einem Anstieg von mehr als 50 Prozent gegenüber der aktuellen Lage.
Die IEA geht davon aus, dass Investitionen in Erneuerbare einen dauerhaften Strukturwandel bewirken und globale Energiemärkte sich entsprechend neu ausrichten. Infolgedessen wird erstmalig angenommen, dass zeitnah der Höhepunkt der globalen Emissionen erreicht wird – nämlich bereits im Jahr 2025.
In diesem Szenario geht die Kohlenutzung innerhalb der nächsten Jahre zurück, die Erdgasnachfrage erreicht gegen Ende des Jahrzehnts ein Plateau, und der steigende Absatz von Elektrofahrzeugen führt dazu, dass die Ölnachfrage Mitte der 2030er Jahre abflacht, bevor sie bis zur Mitte des Jahrhunderts leicht zurückgeht.
Fossile Brennstoffe und Emissionen sinken erstmals, aber nicht genug
Seit Beginn der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert ist der weltweite Verbrauch fossiler Brennstoffe parallel zum Bruttoinlandsprodukt stetig gestiegen. Dem aktuellen WEO zufolge ist die Welt erstmals auf dem Weg, diese Entwicklung umzukehren. Der Anteil fossiler Brennstoffe am globalen Energiemix könnte demnach bis 2050 von rund 80 Prozent auf knapp über 60 sinken.
Ähnlich sieht es bei den globalen CO2-Emissionen aus. Bis 2050 sinken die Emissionen vom zwischenzeitlich erreichten Höchststand von 37 Milliarden Tonnen pro Jahr auf rund 32 Milliarden Tonnen. Dies ist ein Erfolg – allerdings reicht es bei weitem nicht aus, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Obwohl Emissionen erstmals aufgrund der Berechnung bereits realer politischer Maßnahmen sinken, wäre dabei noch mit einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen um etwa 2,5 °C bis Ende des Jahrhunderts zu rechnen.
"Die Umweltargumente für saubere Energie bedürfen keiner Verstärkung, aber die wirtschaftlichen Argumente für wettbewerbsfähige und erschwingliche saubere Technologien sind jetzt stärker - und das gilt auch für die Energiesicherheit. Die heutige Angleichung der Prioritäten in den Bereichen Wirtschaft, Klima und Sicherheit hat bereits begonnen, die Weichen in Richtung eines besseren Ergebnisses für die Weltbevölkerung und den Planeten zu stellen", so Birol.
Russland verliert langfristig
Russland war mit Abstand der weltweit größte Exporteur fossiler Brennstoffe. Der Ukraine-Krieg hat zu einem radikalen Bruch der Beziehungen geführt, besonders mit dem wichtigsten Handelspartner, Europa. Im WEO wird davon ausgegangen, dass Russland die Exporte nach Europa nicht mit anderen Handelspartnern ausgleichen kann. Russlands Anteil am internationalen Energiehandel schrumpft in Folge dessen drastisch. Wird die aktuelle Politik fortgeführt, so würde Russlands Anteil am globalen Energiehandel von rund 20 Prozent im Jahr 2021 auf etwa 13 Prozent bis 2030 sinken.
Während die kommenden beiden Winter der Umstellung besonders für Europa eine Herausforderung darstellen werden, markieren sie vor allem eines: Die Ära Erdgas neigt sich dem Ende zu. Zwar wird bis 2030 noch von einem Wachstum der Gasnachfrage ausgegangen. Doch diese fällt deutlich geringer aus als in vorhergien Szenarien angenommen und bleibt bis 2050 konstant. Der Krieg habe die Glaubwürdigkeit von Gas als Übergangskraftstoff beeinträchtigt, so die IEA. jb