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CO2-EmissionenDer Emissionshandel droht in der Corona-Krise zu kollabieren

Ein Fabrik hinter einem kahlen Baum. Aus den Schornsteinen kommt reichlich Rauch.
Aktuell stehen viele Fabriken still. Doch wenn sie nach der Corona-Krise wieder anlaufen, muss der europäische Emissionshandel Wirkung zeigen und damit der Umstieg auf klimafreundlichere Technologien geschaffen werden. (Bild von Rebecca Humann auf Pixabay)

Europaweit kommt die Industrie durch die Corona-Pandemie fast vollständig zum Erliegen. Zwar sinken damit kurzfristig die Emissionen, doch auch die Preise für CO2-Zertifikate gehen in den Keller. Dem Klimaschutz könnte das langfristig enorm Schaden.

27.03.2020 – Am deutlichsten sind die Zahlen aus Italien: Innerhalb von zwei Wochen sank dort der Stromverbrauch um 20 Prozent, wie der britische Think Tank Ember ermittelt hat. Euractiv berichtete zuerst. Inzwischen hat die italienische Regierung auch ein Shutdown aller nicht systemrelevanter Arbeit angeordnet. Damit wird der Stromverbrauch noch weiter zurückgehen. Spanien erlebt einen wöchentlichen Abfall von 10 Prozent. Auch Frankreich erlebt bereits einen deutlichen Rückgang. In Großbritannien und Deutschland stehen entsprechende Einbrüche noch bevor. Vor allem der Produktionsausfall in der energieintensiven Industrie sorgt für weniger Stromverbrauch.

Das sorgt erst einmal für deutlich weniger CO2-Emissionen. Sowohl die Industrie selbst stößt weniger Emissionen aus als auch fossile Kraftwerke, die durch den verminderten Stromverbrauch der Industrie deutlich zurückfahren. Für Deutschland rechnet der Berliner Think Tank Agora Energiewende mit bis zu 25 Millionen Tonnen weniger CO2 durch die Industrie. Doch damit braucht die Industrie auch weniger CO2-Zertifikate aus dem europäischen Emissionshandel ETS. Die Folge: Die Preise rutschen in den Keller.

Im letzten Jahr zeigte der ETS seine Wirkung

Innerhalb eines Monats sank der CO2-Preis von 23 Euro auf 15,45 Euro pro Tonne. So tief lag der Preis zuletzt im Juli 2018. Dabei zeigte der Emissionshandel vor allem im letzten Jahr Wirkung und stieg im Juli 2019 zwischenzeitlich auf über 28 Euro pro Tonne. In Deutschland kletterte Ökostrom auf einen Rekordwert und hängte die teure Kohle ab. Besserung ist zur Zeit jedoch nicht in Sicht. Laut dem Brüsseler Think Tank Centre on Regulation in Europe (cerre) wird sich der CO2-Preis 2020 wahrscheinlich nicht erholen. Grund seien die großen wirtschaftlichen Unsicherheiten, die mit der Corona-Pandemie verbunden sind.

Máximo Miccinilli von cerre kritisiert in diesem Zuge das System des ETS: „Die Unsicherheit und Instabilität des Systems wird möglicherweise die Pläne für einen Kohleausstieg untergraben. Auch die öffentlichen Einnahmen aus Versteigerungserlösen könnten zurückgehen und somit grüne Investitionen bremsen.“ Laut Miccinilli sei es daher fundamental den Emissionshandel künftig zu stabilisieren. Es sollten Preis-Korridore geschaffen werden oder ein CO2-Mindestpreis.

Vorbild Großbritannien

In Großbritannien etwa zeigt ein CO2-Mindestpreis Wirkung. Kohlekapazitäten werden dort seit Jahren zurückgebaut. Im letzten Jahr betrug der Kohleanteil im Strommix gerade einmal zwei Prozent. Insgesamt 83 Tage kamen die Briten ganz ohne Kohlestrom aus. Auch in Deutschland wird es ab 2021 einen CO2-Preis geben, der erstmal ein Festpreis ist und bei 25 Euro pro Tonne startet Danach steigt der Preis laut Bundesregierung schrittweise bis auf 55 Euro im Jahr 2025 an. Für das Jahr 2026 soll dann ein Preiskorridor von mindestens 55 und höchstens 65 Euro gelten. Dieser Preis gilt allerdings für die vom ETS ausgenommenen Bereiche Verkehr und Gebäude.

Ein einheitlicher europäischer CO2-Preis über alle Sektoren hinweg – versehen mit einem Mindestpreis oder Preiskorridor – könnte auch in Krisenzeiten und deren Folgen weiter für Klimaschutz und Abbau von Emissionen sorgen. Das sieht auch Miccinilli so und fordert von der EU-Kommission diese Überlegungen ganz oben auf die „Post-COVID-19 Agenda“ zu stellen. mf


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