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KlimaschutzverträgeDer Industrie wirksam unter die Arme greifen

Luftaufnahme einer Industrieanlage an einem Fluss
Wie hier in Duisburg, gilt es die deutsche Industrie auf einen klimaneutralen Pfad zu bringen. (Bild: Michael Kümmling, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)  

Klimaschutzverträge sollen nach dem Willen der Bundesregierung kurzfristig helfen, Investitionen in eine klimafreundliche Industrie zu stärken und abzusichern. Langfristig gilt es jedoch grüne Technologien wettbewerbsfähig zu machen.

09.02.2022 – Es war eine der zentralen Maßnahmen, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei seiner Eröffnungsbilanz Klimaschutz Mitte Januar vorlegte. Zeitnah wolle man „die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen für die Bereitstellung von Klimaschutzdifferenzverträgen (Carbon Contracts for Difference) als zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie schaffen.“ Noch sind klimafreundliche Technologien gegenüber der bestehenden fossilen Produktion nicht wettbewerbsfähig. Doch für das Erreichen der deutschen und europäischen Klimaziele und damit Eindämmung der Klimakrise, ist ein schneller Umbau der fossilen Industrie unabdingbar.

Für den Einstieg in klimaneutrale Produktionsverfahren benötige die Industrie einen verlässlichen Förder- und Investitionsrahmen, so das Bundeswirtschaftsministerium. Diesen könnten kurzfristig die Klimaschutzverträge bieten. Expert:innen der Agora Industrie haben sich die mögliche Ausgestaltung der Carbon Contracts for Difference genauer angeschaut und kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass diese, auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegten Verträge zwischen Staat und Unternehmen, einen Anschub für Industrietransformation erbringen würden, auch wenn die klimafreundliche Produktion aktuell noch unwirtschaftlich ist.

Die Bundesregierung müsse sich jetzt zügig an die Ausgestaltung der Klimaschutzverträge machen, fordert Frank Peter, Direktor von Agora Industrie. „Nur so kann sich Deutschland auf einem global wachsenden Markt für klimafreundliche Produkte aufstellen und die Wettbewerbsfähigkeit der Industriestandorte langfristig erhalten.“ Da Industrieanlagen eine lange Lebenszeit haben, müssten diese schon heute auf Klimaneutralität ausgerichtet werden, um Fehlinvestitionen und damit künftige Schließungen von Industriestandorten zu vermeiden.

Die Kosten senken

Zugleich fordert Agora den Ausbau grüner Infrastrukturen und Reformen der CO2-Bepreisung voranzutreiben. Denn Klimaschutzverträge sollten nur eine Übergangslösung sein, bis klimafreundliche Technologien gegenüber den fossilen wettbewerbsfähig sind. Das würde die Kosten für die Klimaschutzverträge deutlich senken – laut Berechnungen der Agora-Expert:innen von 43 auf bis zu 10 Milliarden Euro. 

Im Detail rechnet Agora beim Aufbau von klimafreundlichen Anlagen in der Stahl-, Zement und Ammoniakproduktion mit Mehrkosten für Investitionen von bis zu 8 Milliarden Euro. Für höhere Betriebskosten, um etwa den Einsatz grünen Wasserstoffs statt fossiler Brennstoffe auszugleichen, bräuchte die Industrie zusätzliche Garantien des Staates zwischen zwei und 34 Milliarden Euro. Eine entsprechende Begrenzung staatlicher Zuschüsse auf insgesamt 10 Milliarden Euro könnte mit einer konsequenten deutschen und europäischen Klimapolitik erreicht werden.

Reform des ETS geboten

Philipp Daniel Hauser, Programmleiter Klimaneutrale Industrie bei Agora und einer der Autoren der Studie, sieht, neben der Förderung des Ausbaus Erneuerbarer Energien und weiterer Infrastruktur für Klimaneutralität – wie etwa von Strom- oder Wasserstoffnetzen – eine Reform des Europäischen Emissionshandels als geboten an, um staatliche Zuschüsse zu begrenzen. Seine Kritik an der aktuellen Ausgestaltung bezieht sich vor allem auf die bestehende Praxis zur Vergabe von kostenfreien CO2-Zertifikaten, wodurch klimafreundliche Technologien benachteiligt werden. „Ändert die EU-Kommission die Regeln zur kostenfreien Zuteilung, so dass konventionelle und klimafreundliche Technologien gleichberechtigt sind, muss der Klimaschutzvertrag diese Kosten nicht tragen. Das senkt den Finanzierungsaufwand“, so Hauser im Gespräch mit der energiezukunft.

Hauser und seine Mitautor:innen bewerten die bisher bekannten Reformvorschläge der EU-Kommission bezüglich der Industrie durchaus positiv, weisen aber darauf hin, dass es bis zur Umsetzung noch dauern wird. "Gerade wegen der Dauer dieser Reformprozesse müssen Klimaschutzverträge nun schnell Investitionssicherheit schaffen, um die anstehenden Investitionen bereits für die Transformation der Industrie nutzen zu können.“

Die EU-Kommission stellt bereits eine Vergabe von kostenfreien Zuteilungen in Aussicht, die konventionelle und klimafreundliche Verfahren gleichbehandelt. Zudem sollen kostenfreie Zuteilungen für die Produktion von Aluminium, Eisen, Stahl, Zement und Düngemitteln ab 2026 über zehn Jahre linear abgebaut werden und 2035 auslaufen. Damit die europäische Produktion dieser Güter global wettbewerbsfähig bleibt, soll für den Import dieser Grundstoffe ein Grenzausgleichsmechanismus eingeführt werden, der Aluminium und Co. entsprechend ihrer Treibhausgasemissionen im Produktionsland bepreist.

Mit diesem Vorschlag habe die EU-Kommission ein Konzept für die Reform vorgelegt, das mit dem in der vorliegenden Studie betrachteten Pfad zur Klimaneutralität der Produktion der genannten Grundstoffe zusammenpasst, konstatieren die Autor:innen von Agora. „Ziel der Reform muss sein, dass Klimaschutztechnologien wettbewerbsfähiger und wirtschaftlich attraktiver als CO₂-intensive Technologien werden“, sagt Hauser. mf


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