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Deutsche Solarkonzerne: Trendwende geschafft

Die beiden deutschen Solarkonzerne Solarworld und SMA punkten international mit Hocheffizienz, einem breiten Portfolio und Intelligenz für Speichersysteme. Nach dem Einbruch der Solarwirtschaft in Deutschland müssen die Unternehmen diese günstigen Positionen nun nachhaltig festigen.

21.03.2016 – Deutschland ist in der Photovoltaik wieder gleichauf mit China – zumindest was den Wirkungsgrad von Solarzellen betrifft. Solarworld aus Bonn erreichte jüngst mit sogenannten Perc-Zellen eine Effizienz von 22 Prozent und zieht damit mit dem chinesischen Solarkonzern Trina Solar gleich, der bereits im Herbst auf diesen Wert kam. Perc steht für Passivated Emitter Rear Cell, also eine kristalline Siliziumzelle, deren Rückseite verspiegelt ist. Dadurch nutze sie einfallendes Sonnenlicht deutlich besser aus als herkömmliche Siliziumzellen, erklärt Solarworld-Forschungschef Holger Neuhaus.

Der Effizienzgewinn gelang Solarworld im Rahmen des vom Bund mit 20 Millionen Euro geförderten Forschungsprogramms „Helene“, an dem sich auch deutsche Maschinenbauer und Institute beteiligen. Es läuft noch bis 2017 und zielt darauf ab, den Wirkungsgrad von Perc-Zellen auf 22,5 Prozent zu verbessern. Ein bis zwei Jahre werde es voraussichtlich auch dauern, bis Solarworld die jetzt erzielten 22 Prozent Effizienz in der industriellen Fertigung umsetzen könne, sagt Neuhaus. Perc-Zellen mit 21 Prozent stellt Solarworld bereits in Serie her. Sie werden zu Modulen mit einer Leistung von mehr als 300 Watt verarbeitet, die damit zu den leistungsstärksten Paneelen auf dem Markt zählen.

Nicht nur technisch drängt Solarworld zurück an die Weltspitze, auch seine Zahlen können sich wieder sehen lassen. Das Unternehmen erwirtschaftete im Vorjahr 763 Millionen Euro Umsatz, ein Drittel mehr als 2014. Im gleichen Umfang erhöhte sich die abgesetzte Modulmenge. 1.159 Megawatt Leistung verkaufte Solarworld 2015, am meisten davon zum Jahresende in den USA und Europa. Dadurch konnte das Unternehmen im vierten Quartal 2015 auch beim operativen Gewinn (Ebit) den Hebel umlegen. Nach 14 verlustreichen Quartalen verbuchte es erstmals wieder ein Plus von acht Millionen Euro. Der Analyst Götz Fischbeck von der Firma Smart Solar Consulting bezeichnete die Entwicklung im Fachblatt pv magazine als „historischen Meilenstein“.

Solarworld ist nicht das einzige deutsche Solarunternehmen, für das es nach längerer Schwächephase wieder bergauf geht. Wechselrichterhersteller SMA aus Kassel zeigt eine ganz ähnliche Entwicklung. Schrieb das Unternehmen 2013 und 2014 noch rote Zahlen, schaffte es 2015 den Sprung zurück in die Gewinnzone. Die Kasseler steigerten den Umsatz nach vorläufigen Berechnungen von 805 Millionen auf rund eine Milliarde Euro und verdienten operativ zwischen 30 und 33 Millionen Euro – im Vorjahr stand bei den Hessen noch ein Verlust von 165 Millionen Euro. Als Grund für den Wiederaufschwung nennt Unternehmenschef Pierre-Pascal Urbon das vollständige Produkt- und Serviceportfolio sowie die internationale Aufstellung in allen Marktsegmenten und Regionen. „So kann SMA an der weiteren Entwicklung im Energieversorgungssektor partizipieren.“

Zugpferd USA

Getragen wird das Wachstum des Wechselrichterspezialisten vor allem durch die starke Nachfrage in China, Indien, Japan und den USA. Hier boomt vor allem das Segment der Photovoltaik-Kraftwerke, das SMA mit leistungsstarken Zentralwechselrichtern bedient. Analysten des Marktforschungsunternehmen GTM Research rechnen damit, dass die Nachfrage hoch bleibt und 2016 in Neuinstallationen von insgesamt 64 Gigawatt münden wird, nach 59 Gigawatt 2015. Vor allem die USA würden zum Aufschwung beitragen, da dort mit der Verlängerung der Steuervergünstigungen (ITC) Ende 2015 Investitionen in private und gewerbliche Solaranlagen auf Dächern lukrativ blieben, heißt es bei GTM. Nach Schätzung der Experten wird durch die politische Maßnahme der Photovoltaik-Weltmarktanteil der USA bis 2020 von aktuell zehn auf 15 bis 20 Prozent steigen. Das würde auch Solarworld in die Karten spielen, dessen US-Marktanteil bei kommerziellen Dachanlagen derzeit bei rund 20 Prozent gesehen wird. Im Vorjahr verkaufte das Unternehmen dort rund die Hälfte seiner gesamten Modulproduktion.

Doch nicht bei allen deutschen Solarfirmen stehen die Zeichen auf Erholung. Die Firma Manz CIGS Technology etwa, Tochter des Maschinenbauers Manz, hat eine Produktionslinie für Dünnschichtmodule auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS) entwickelt, die den gängigen kristallinen Siliziummodulen bei Wirkungsgrad, Ertrag und Kosten Konkurrenz machen könnten. Dennoch hat das Unternehmen bisher noch keine einzige Linie verkauft, weshalb man sich bei Manz aktuell die Frage stellt, wie es mit der unprofitablen Solarsparte weitergeht: Entweder es werde ein strategischer Investor gefunden, sie werde vollständig verkauft oder aber geschlossen, sagt Manz-Sprecher Axel Bartmann. Auch bei Maschinenbauer Singulus hofft man auf mehr Anlagenbestellungen aus der Solarindustrie. Zwar konnte der Umsatz im Solargeschäft 2015 gesteigert werden, doch reichte dies nicht aus, um das schwache Segment Optical Disc auszugleichen und ein negatives Ebit zu verhindern – Singulus rechnet für das Vorjahr mit einem operativen Verlust von 17 bis 19 Millionen Euro. Ein Schuldenschnitt, dem die Gläubiger und Aktionäre im Februar zustimmten, sowie ein Großauftrag aus der chinesischen Solarindustrie sollen bei dem Unternehmen nun die Trendwende einleiten.

Aber auch für Solarworld und SMA ist der weitere Erfolg nicht garantiert. Gerade der Bonner Modulhersteller wandelt auf schmalem Grat, in seinen Hauptmärkten, Europa und den USA, werden chinesische Solarimporte mit Zöllen und Mindestimportpreisen belegt. Dadurch kommt Solarworld wesentlich leichter zum Zuge. Doch das könnte sich bald ändern, denn die Maßnahmen sind umstritten. In Europa erhöht sich der Druck auf die EU-Kommission, die China-Sanktionen aufzuheben, denn sie verteuerten Solartechnik künstlich und verhinderten Marktwachstum (neue energie 12/2015). Ohne Zölle hätte Solarworld gegen die preisaggressiven Chinesen nur dann eine Chance, wenn es die Kosten seiner Technik senkt und neue Anwendungsbereiche für die Photovoltaik erschließt, etwa den speicherbasierten Eigenverbrauch von Solarstrom.

Hohe Effizienz, geringer Materialbedarf

Das Unternehmen begegnet den Herausforderungen, indem es bei den Zellen und Modulen auf Hocheffizienz setzt. Neben einfachen Perc-Modulen bietet es seit Beginn dieses Jahres sogenannte bifaciale Perc-Paneele an. Diese nutzen die Sonnenenergie auch auf der Rückseite und lieferten so bis zu ein Viertel mehr Ertrag, heißt es. Höhere Wirkungsgrade sind für Kostensenkungen maßgeblich, da mit jedem Prozentpunkt mehr Effizienz der Materialbedarf sinkt. So sollen durch Forschungsprojekte wie „Helene“ die Erzeugungskosten des Solarstroms von derzeit etwa zwölf auf weniger als zehn Cent fallen. Daneben entwickelt Solarworld sogenannte Drahtelektroden-Module. Bei dieser neuartigen Verschaltungstechnik werden die Zellen mit filigranen Drähten statt mit dicken Stromsammelschienen miteinander verbunden. Dadurch falle mehr Licht in die Zelle, sodass ihre Leistung um sechs Prozent steige, heißt es bei Solarworld.

Daneben setzen die Bonner wie SMA auf das wachsende Geschäft mit Speichern. „In der nächsten Generation der Solartechnik geht es nicht mehr nur um die Herstellung, sondern um die intelligente Nutzung, Speicherung und Kopplung des Solarstroms, zum Beispiel mit Wärme oder Elektromobilität“, sagt Forschungschef Neuhaus. Um mit Kombianlagen aus Modulen und Speichern auch in den USA die Nase vorne zu haben, kooperiert die Solarworld-US-Tochter seit Januar mit der US-Tochter des Allgäuer Batterieherstellers Sonnen. Die Firmen wollen ein auf den Bedarf privater Haushalte zugeschnittenes Komplettpaket für Speicher und Photovoltaik anbieten, für das Solarworld die Module und die intelligente Lösung zur Steuerung von Verbrauch, Speicher und Umwandlung von Solarstrom in Wärme mittels Wärmepumpe liefert.

Auch SMA zielt auf internationale Speichermärkte wie Deutschland, Japan und die USA, da es hier in den kommenden Jahren mit einem jährlichen Gesamtwachstum von zwei bis sechs Prozent rechnet. Zu diesem Zweck kooperiert das Unternehmen mit Tesla, das 2015 den neuen Solarspeicher „Powerwall“ vorstellte, und neuerdings mit der Mercedes-Benz-Tochter Deutsche Accumotive, die Speicher auf Basis von Lithium-Ionen-Akkus anbietet. SMA wird die für die Systeme erforderlichen Batteriewechselrichter liefern, die das Bindeglied zwischen Batterie, Verbraucher, Überwachung und Stromnetz darstellen. In der deutschen Solarindustrie steckt offenbar doch noch Leben.
Sascha Rentzing (neue energie, Ausgabe Nr. 03/2016, S.22-25)


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