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Europäische EnergiewendeDie Erfolge der Erneuerbaren in Europa

Solar-Kunstinstallation in Zadar; Kroatien
Enorme Investitionen flossen in den letzten Jahren europaweit in den Ausbau der Erneuerbaren. Unterschiede gibt es beim Tempo, aber auch bei den Technologien. (Foto: Böhringer Friedrich auf Wikimedia / CC BY-SA 2.5)

Der europäische Green Deal hat in den letzten fünf Jahren enorme Investitionen
in Erneuerbare Energien angereizt. Unterschiede gibt es beim Ausbau-Tempo in
den einzelnen europäischen Ländern, aber auch bei den Technologien.

29.04.2025 – Wer glaubt, nur Deutschland strenge sich beim Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen an, der irrt. In allen europäischen Ländern steht der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf der Tagesordnung. Gleichzeitig geht der Anteil fossil erzeugten Stroms zurück. Die konkreten Kohleausstiegspläne der einzelnen Mitgliedsstaaten stehen, schließlich ist das Verfeuern von Kohle und die damit verbundenen Emissionen unbestritten eine der wichtigsten Ursachen für den Klimawandel. Belgien, Österreich und Schweden gewinnen keinen Strom mehr aus Kohle, und auch Großbritannien hat im letzten Jahr sein letztes Kohlekraftwerk stillgelegt.

Wer jetzt noch mit dem Argument der sauberen Atomkraft einhaken möchte, der schaue in Frankreichs Langzeitszenarien. Dort setzt man keineswegs nur auf Atomstrom. Zwar nimmt die Kernenergie auch im Jahr 2050 eine größere Rolle ein als in den anderen europäischen Ländern, doch ihr Anteil wächst nicht. Für den durch die Elektrifizierung vieler Bereiche entstehenden steigenden Strombedarf werden auch in Frankreich Erneuerbare Energien ausgebaut.

Europaweit mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Kohle

Das Erreichte kann sich sehen lassen: Erneuerbare Energien stellten im vergangenen Jahr 47 Prozent der europäischen Stromerzeugung. Gleichzeitig ging der Anteil von Kohle und Gas zurück. Seit 2019 wird in Europa jährlich mehr Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt als aus Kohle. Auch 2024 ging
die fossile Stromerzeugung zurück, obwohl Stromverbrauch und Stromexporte der EU gestiegen sind, wie das Analyse-Unternehmen Ember feststellt. Erneuerbare und Atomkraft zusammen erzeugten 71 Prozent des Strombedarfs in der EU.

Betrachtet man den gesamten Bruttoendenergieverbrauch, liegt der Anteil der Erneuerbaren allerdings erst bei etwa einem Viertel. Im Stromsektor wurde viel erreicht – bei Industrie, Wärme und Verkehr sind die Fortschritte eher klein. Hier ist der Umstieg auf Erneuerbare aufwändiger und teurer, Geld für Investitionen eher knapp. Gleichzeitig fließen derzeit aus EU-Mitgliedsstaaten jährlich 451 Milliarden Euro in fossile Brennstoff-Importe. Allein Deutschland importierte 2023 Gas und Öl im Wert von 80 Milliarden Euro, wie das Öko-Institut analysiert hat. Geld, das auch in den Aufbau einer resilienten und emissionsfreien Energieinfrastruktur fließen könnte.

Solarenergie überall in Europa auf Wachstumskurs

Eine Erzeugungsart vermeldet immer neue Rekorde – die Photovoltaik. Das gilt für Deutschland, für Europa, aber auch weltweit. Um 22 Prozent stieg laut Ember die Stromerzeugung aus Solaranergie im letzten Jahr in Europa, und das trotz niedrigerer Sonneneinstrahlung. Zum Wachstum trugen auch
die vielen neuen Anlagen bei, insgesamt 66 Gigawatt Kapazität wurden europaweit 2024 gebaut.

Innerhalb der verschiedenen Segmente gab es allerdings eine deutliche Verschiebung: Die Nachfrage nach Hausdachanlagen ging nach Zahlen des Europäischen Solarverbands Solar Power um fast fünf Gigawatt auf 12,8 GW im Jahr 2024 stark zurück und erreichte damit ein ähnliches Niveau wie 2022. Dieser Trend betrifft wichtige Märkte innerhalb der EU: Deutschland, Österreich, Italien, Polen, die Niederlande, Belgien, Schweden, Spanien und Ungarn. Das Segment der Gewerbedachanlagen verzeichnete ein bescheidenes Wachstum. Dominiert wurde der Solarmarkt von Großanlagen – 42 Prozent der neu installierten Leistung entfiel auf Freiflächen-Solarparks. Die EU-Ausbauziele für 2030 scheinen erreichbar. Jedoch sagen Experten in aktuellen Szenarios ein geringeres Wachstum voraus aus als noch während der Energiekrise 2022/2023.

Nicht nur das Wachstum beeindruckt, auch der inzwischen zweistellige Anteil, den der Solarstrom beiträgt: 11 Prozent des EU-Stroms lieferten Solaranlagen, das sind 304 Terawattstunden. Zum ersten Mal überholte die Solarenergie damit die Kohlekraft, letztere lieferte nur 269 Terawattstunden.
Ember hat auch den Solarenergie-Zubau der letzten Jahre analysiert. Die Zahlen zeigen die enormen Wegstrecken, die einzelne Länder zurückgelegt haben. Ungarn ist demnach Wachstumssieger, das Land hat seinen Solarstromanteil zwischen 2019 und 2024 von vier auf 25 Prozent gesteigert. Griechenland kam von neun auf 22 Prozent, Spanien von sechs auf 21 Prozent.

Ein weiterer Indikator, der sich gut für einen Ländervergleich eignet, ist die installierte PV-Leistung pro Einwohner. Zahlen dazu liefert der europäische Solarverband Solar Power Europe. Demnach sind die Niederlande auf dem Siegertreppchen ganz oben, pro Einwohner erzeugen hier rund 1,5 Kilowatt PV-Leistung sauberen Strom, Platz zwei belegt Deutschland mit rund 1,2 Kilowatt pro Einwohner, auf Platz
drei folgt Österreich.

Ausbau der Windenergie braucht mehr Dynamik

Die Windenergie entwickelt sich ebenfalls positiv, aber bei weitem nicht so rasant wie die Solarenergie. Nimmt der Zubau keine Fahrt auf, werden die Ziele für 2030 verfehlt. 500 Gigawatt Leistung sollten dann installiert sein.

Die Grafik zeigt die Anteile inländisch erzeugter Erneuerbarer Energien an der Last in den einzelnen europäischen Ländern. Die Last ist die Summe aus dem Stromverbrauch und den Verlusten des Stromnetzes. Nicht enthalten sind Eigenverbrauch in der Industrie oder privater Eigenverbrauch. Besonders in der Industrie wird häufig mit eigenen Gaskraftwerken Strom erzeugt, so dass diese fossilen Anteile in dieser Grafik nicht sichtbar werden. Norwegen, Schweden, Österreich und die Schweiz erreichen hohe Anteile Erneuerbarer Energien aufgrund der vorhandenen Wasserkraftwerke. Portugal hat ebenfalls viel Wasserkraft, aber auch hohe Anteile Windstrom im Strommix.

Nach Erhebungen des europäischen Windverbandes Wind Europe lag die Ende 2024 insgesamt in Europa installierte Leistung bei 285 Gigawatt (davon 248 Gigawatt an Land). 16,4 Gigawatt wurden im Jahr 2024 neu in Betrieb genommen. Auf die EU-27 entfallen 231 Gigawatt der gesamten installierten Leistung. Deutschland führt im Länderranking bei der kumulierten Windenergieleistung mit 73 Gigawatt, gefolgt von Großbritannien und Spanien, wo jeweils etwa 32 Gigawatt Windkraft installiert sind. Dänemark hatte mit 56 Prozent den höchsten Anteil der Windenergie an seinem Strommix. Irland, Schweden, Deutschland und das Vereinigte Königreich waren die anderen Länder, in denen der Anteil der Windkraft am Strommix bei 30 Prozent oder leicht darüber lag. In sechs weiteren Ländern deckte die Windkraft mindestens 20 Prozent des Strombedarfs. Auf die ganze EU bezogen erreichte der Anteil der Windenergieerzeugung 19 Prozent und stellt die zweitgrößte Energiequelle in der EU hinter der Kernenergie.

Strom speichern wird immer wichtiger

Für die Energiewende unverzichtbar sind Energiespeicher, deren Stärken vielfältig sind: Vor Ort erzeugter Strom kann vor Ort zwischengespeichert und zeitversetzt genutzt werden, die fluktuierende Erzeugung aus Wind und Sonne wird so geglättet. Geschieht das Ein- und Ausspeichern in Zeiten hoher Netzauslastung, entlasten die Speicher zudem das Netz. Außerdem können sie ab einer bestimmten Größe auch Primärregelleistung zur Verfügung stellen.

Im Batteriespeichermarkt zeigt sich eine ähnliche Entwicklung wie bei der Photovoltaik: Es sind die Bürgerinnen und Bürger, die voranschreiten und ihre PV-Anlage mit einem Speicher nachrüsten oder gleich mit Batterie planen und bauen. 63 Prozent der Ende 2023 in Europa installierten Speicherkapazität fand sich in privaten Haushalten. Auf netzgebundene Großspeicher entfielen 27 Prozent, während das Segment der Gewerbespeicher 10 Prozent beitrug. Doch die Relationen werden sich verschieben – immer mehr größere Speicher werden gebaut, um die notwendigen Flexibilitäten für das erneuerbare Stromsystem zu schaffen. Solar Power Europe rechnet mit jährlichen Wachstumsraten von 30 bis 40 Prozent in den nächsten Jahren.

Die Erneuerbaren stellten 2024 mit dem Anteil von 47 Prozent am EU -Strommix einen neuen Rekord auf. 29 Prozent kamen aus Wind- und Solarstrom, 13 aus der Wasserkraft, 5,6 Prozent aus der Bioenergie, weitere kleine Mengen kamen aus Geothermie und Wellenkraftwerken. Bioenergie und Wasserkraft könnte man auch als Hidden Champions der Energiewende bezeichnen. Die beiden Erzeugungsarten haben zwar nicht so enorme Wachstumszahlen zu vermelden – dennoch sind sie wichtig. Anders als Solar- und Windstrom können Bioenergie-Anlagen ihre Erzeugung steuern, Wasserkraft kann stetig ihren Beitrag leisten. Diese Unabhängigkeit von Wetterbedingungen ist im erneuerbaren Stromsystem von unschätzbarem Wert. Wenn auch die Geothermie – leider verbunden mit hohen Anfangsinvestitionen – zukünftig vermehrt genutzt wird, stärkt das ein erneuerbares Stromsystem zusätzlich.

Wo die Hürden und Risiken liegen

Wind- und Photovoltaik-Kraftwerke sind überall in Europa eine wettbewerbsfähige Alternative zu Atom und Kohle. Genügend Potenzial ist vorhanden, um den zukünftigen Strombedarf vollständig aus Erneuerbaren zu decken. Die installierte Leistung von Wind- und Solarenergie in Europa könnte sich bis 2050 mehr als verdreifachen und auf über 1.800 Gigawatt anwachsen.

Doch die Kraftwerke sind nur ein Teil des Systems. An anderer Stelle hakt es. Das birgt Risiken für den gewünschten wachsenden Anteil erneuerbaren Stroms, wie das britische Analyse-Unternehmen Aurora erklärt. Zum einen sind die Projektierer in vielen Ländern aufgrund der Marktregeln immer noch auf die Absicherungen von Marktrisiken angewiesen, will heißen: Es braucht immer noch staatliche Unterstützung.

Zudem gefährden häufiger auftretende negative Preise die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Begrenzte Netzzugänge und ungenügende Digitalisierung stellen weitere ernstzunehmende Hürden für den dynamischen Ausbau dar. Und: wird viel Erneuerbarer Strom erzeugt, braucht es unbedingt mehr Energiespeicher und Flexibilität – ohne diese Eckpfeiler bleibt die Energiewende unvollendet.

Grüner Wasserstoff bleibt Mangelware

Der vor allem für die Industrie dringend benötigte grüne Wasserstoff ist derzeit Mangelware – nicht nur in Europa, sondern weltweit. Weniger als zehn Prozent der angekündigten grünen Wasserstoffprojekte wurden 2023 realisiert, zeigt eine Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Der Hauptgrund: Wasserstoff ist nach wie vor ein teures Gut, für das es wenig Zahlungsbereitschaft gibt. „Grüner Wasserstoff wird aufgrund fehlender Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft Schwierigkeiten haben, die hohen Erwartungen zu erfüllen“, so die Einschätzung von Falko Ueckerdt vom PIK. Dauerhafte Subventionen seien allerdings keine Lösung und könnten in der benötigten Höhe auch nicht fließen: Es wären enorme zusätzliche Fördermaßnahmen in Höhe von etwa einer Billion US-Dollar erforderlich, um alle angekündigten Wasserstoffprojekte bis 2030 zu realisieren. Deshalb raten die Forscher, grünen Wasserstoff über nachfrageseitige Instrumente wie verbindliche Quoten gezielt in schwer zu elektrifizierende Sektoren wie Luftfahrt, Stahl oder Chemie zu lenken.

Die Grafik zeigt die durchschnittlichen Börsenstrompreise in den einzelnen europäischen Ländern im Jahr 2024. Die Länder mit hohen Preisen sind die Länder, in denen viel Kohle bzw. Erdgas verstromt wird und gleichzeitig wenig Erneuerbare Anlagen Strom erzeugen. Fossiler Strom ist teuer, weil für jede Tonne emittiertes Kohlendioxid ein CO2-Zertifikat gekauft werden muss. Für Norwegen, Schweden und Italien sind verschiedene Preise angegeben, weil es dort räumlich abgegrenzte Stromgebotszonen gibt.

Mittendrin im Jahrhundertprojekt

Die europäischen Staaten haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden, Klimaneutralität wird bis 2050 angestrebt. Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ist dabei ein zentrales Element und die Akzeptanz der Menschen für diesen Weg ist groß. Es sind vor allem Privatpersonen, die seit Jahrzehnten die Energiewende vorantreiben, selbst Geld in die Hand nehmen und vor Ort für Erneuerbare eintreten. Inzwischen sind große Branchen und Märkte entstanden, viele und große Anlagen werden gebaut, manch neue Konfliktlinien sind aufgetaucht. Doch die Zahlen sprechen für sich. Europa ist mittendrin in der Energiewende, dem Projekt unseres Jahrhunderts. Sie hilft nicht nur dem Klima. Die Erneuerbaren sind ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor mit Milliarden-Investments und Millionen Arbeitsplätzen. Petra Franke

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