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Teure KernenergieDie politische Dimension der Kernkraft

Kühltürme des Kernkraftwerks Doel in Belgien im Abendlicht
Kühltürme des Kernkraftwerks Doel in Belgien. Drei Reaktoren wurden bzw. werden dieses Jahr stillgelegt. Ein Reaktorblock soll mit staatlichen Subventionen bis 2035 in Betrieb bleiben. (Foto: Fréderic Paulsen auf Unsplash/ Unsplash Lizenz)

Die Kernkraft zur Energieerzeugung zu nutzen, ist wirtschaftlich nicht mehr lukrativ. Dass sie dennoch in einigen Ländern weiter gefördert wird, hat politische Gründe. Wenn neue Reaktoren gebaut werden, sind starke militärische Motive im Spiel.

27.02.2025 – Gegen preisgünstigen Wind- und Solarstrom kann die Kernenergie wirtschaftlich nicht mehr bestehen. Zuletzt hatte sogar der französische Rechnungshof die fehlende Wirtschaftlichkeit der EDF-Kernkraftprojekte kritisiert. Weltweit fließen private Investitionen vor allem in den Aufbau Erneuerbarer Kraftwerke. Doch die Atomwaffenstaaten USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien halten an der Atomkraft fest – das hat geopolitische und militärische Gründe.

Der jährlich erscheinende World Nuclear Industry Status Report (WNISR) geht auf diesen Zusammenhang ausführlich ein. Für Nuklearwaffen benötigtes Tritium kann auch aus zivil genutzten Reaktoren entnommen werden – und dieser Weg wird immer öfter gegangen. So kündigte beispielsweise die französische Regierung 2024 an, dass sie nach der Schließung ihrer speziellen Tritium-Produktionsreaktoren eine Partnerschaft mit dem Energieversorger EDF eingeht, um Tritium für ihr Atomwaffenprogramm im Kernkraftwerk Civaux mit zwei Reaktoren zu produzieren.

Erstmalig setzten die USA das Verfahren ein – sie ersetzten in den Kernreaktoren Watts Bar-1 und Sequoyah auf Borbasis arbeitende Absorberstäbe durch Tritium produzierende Absorberstäbe. Die Stäbe werden nach einem 18-monatigen Bestrahlungszyklus zu einer Extraktionsanlage transportiert, wo das zurückgewonnene Tritium in Edelstahlbehälter gefüllt wird, die später in Waffen eingebaut werden können.

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Atomwaffenstaaten bauen Kernreaktoren, allen voran Russland und China

Im Jahr 2024 begannen die Bauarbeiten für neun neue Kernreaktoren weltweit. Sechs davon befinden sich in China, einer wird in Pakistan von einem chinesischen Unternehmen gebaut. Die restlichen zwei werden von Russland errichtet: einer in Russland, einer in Ägypten. Weltweit wurde in den vergangenen fünf Jahren mit dem Bau von 40 Reaktoren begonnen, davon 26 (62 Prozent) in China, einer in Pakistan von chinesischen Unternehmen und die anderen 13 von der russischen Atomindustrie in Ägypten, Indien, Türkiye und im Inland. Russland begann auch mit dem Bau von vier Blöcken, die in China in Betrieb genommen wurden. Über den gesamten Zeitraum hinweg waren chinesische und russische Unternehmen weltweit die einzigen Bauherren mit offiziellem Reaktorbaubeginn.

Zum 1. Januar 2025 befanden sich weltweit 61 Kernreaktoren in 13 Ländern in Bau. Fast die Hälfte der Reaktoren (29) befindet sich in China im Bau, darunter vier von der russischen Industrie, die auch in Bangladesch (2), Ägypten (4), Indien (4), Iran (1), Türkei (4) und im Inland (6) baut, also insgesamt 25 Blöcke. Das einzige Land neben Russland und China, das im Ausland baut, ist Frankreich mit zwei Blöcken in Großbritannien. Fast alle Bauten (über 93 Prozent) werden entweder in Atomwaffenstaaten oder von Unternehmen durchgeführt, die von Atomwaffenstaaten in anderen Ländern kontrolliert werden. Die einzigen Ausnahmen sind Baustellen in Argentinien (ein 25-MW-Block mit unsicherem Baustatus), Japan (ein 1300-MW-Block mit unsicherem Baustatus) und Südkorea (zwei 1300-MW-Blöcke).

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Kernkraft erlebt alles andere als einen Boom

Der weltweite Bau neuer Reaktoren ist überschaubar. So gingen 2024 gerade einmal sieben neue Reaktoren mit einer Gesamtleistung von 8,2 Gigawatt ans Netz – drei in China und je einer in Frankreich, Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA. Gleichzeitig wurden vier Reaktoren mit rund 4 Gigawatt Leistung stillgelegt, zwei in Kanada und je einer in Russland und Taiwan. Der Nettozuwachs an operativer Kernkraftkapazität betrug damit 4,3 Gigawatt. Im Vergleich dazu wurden allein in China 2024 knapp 278 Gigawatt an Solarkapazität hinzugebaut, in den USA gingen 2024 fast 50 GW neue Solarenergie ans Netz.

Die Aussage von Friedrich Merz kurz nach der Bundestagswahl, den Rückbau der deutschen Kernkraftwerke stoppen zu wollen, erscheint in diesem Kontext geradezu absurd. Längst haben auch die deutschen Kernkraftwerksbetreiber vor dem Versuch einer Wiederinbetriebnahme gewarnt – dieser Schritt würde teuer und langwierig. pf

Kommentare

Gerald Acker-Widmaier vor 2 Wochen

Guten Tag,

 

installierte Leistung von regenerativen Energienanlagen mit der installierten Leistung eines AKW oder Gaskraftwerks zu vergleichen ist nicht seriös und irreführend ohne weitere Erläuterung. Offenbar ein seit vielen Jahren nicht auszurottender Fehler von Journalisten, die Leistung (kW/MW/GW) mit Produktion (kWh ...) verwechseln. In Deutschland produziert eine PV-Anlage ca. 1.000 Volllaststunden, also 1kW Leistung ca. 1.000 kWh im Jahr, 1 KW installierte Atomkraft produziert bei 100%-iger Verfügbarkeit beinahe 8760 kWh, also fast das Neunfache. Davon kann man noch 2% für Wartung und Instandhaltung abziehen.

 

Grüße von Gerald Acker-Widmaier

Petra Franke (energiezukunft) vor 2 Wochen

Lieber Herr Acker-Widmaier, tatsächlich sollte man Leistung nicht mit Ertrag vergleichen bzw. gleichsetzen. Da haben Sie Recht. Allerdings wurde das in diesem Artikel auch nicht getan. Hier wurden neu gebaute Leistungskapazitäten verglichen - mit der Aussage verknüpft, dass weltweit weitaus mehr Investitionen in Erneuerbare fließen als in Atomkraft. Hier ging es nicht um die Erträge der verschiedenen Erzeugungsarten.

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