Wachstumspaket: Energiemarkt soll Erneuerbare priorisieren
Im Wachstumspaket kündigt die Regierung Maßnahmen zum Umbau des Strommarktes an. Auch neue Strategien wie der Umbau des Fördersystematik finden sich im Konzept. Zudem sollen die Regeln des Strommarktes Erneuerbare Energien zukünftig priorisieren.
11.07.2024 – Der Bundeshaushalt für 2025 hat das parlamentarische Verfahren noch vor sich, aber seit letzter Woche liegt ein Entwurf der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP vor. Parallel dazu wurde eine Wachstumsinitiative angekündigt, die das Wirtschaftswachstum in Deutschland ankurbeln soll. Investitionsanreize, Bürokratieabbau, Strategien gegen den Fachkräftemangel und Finanzmarktregeln werden als Handlungsfelder im Wachstumspaket beschrieben.
Rückgrat des angestrebten Wachstums ist ein zukunftssicherer Energiemarkt, weshalb die energiepolitischen Vorhaben und ihre Gewichtung einen großen Teil im Konzeptpapier einnehmen. Manch Überraschung ist auch dabei – nicht alles wird von der Erneuerbaren-Branche für richtig befunden.
Der Energiemarkt der Zukunft
Die skizzierten Maßnahmen sollen „einen verlässlichen Investitionsrahmen schaffen, mehr Flexibilisierung ermöglichen, die Kosten des Netzausbaus senken und Planungs- und Investitionssicherheit schaffen, damit sich die nun entfachte Dynamik bei der Energiewende noch stärker entfalten kann.“
Die Entlastung der Wirtschaft beim Strompreis wird weitergeführt – aber nicht ausgeweitet. Somit können nicht alle Betriebe von den niedrigen Steuersätzen auf Strom profitieren.
Die Rahmenbedingungen für Stromspeicher sollen optimiert werden, damit ihr Ausbau stärker voranschreitet. Die Bundesnetzagentur arbeitet bereits daran, die gegenwärtigen Ausnahmen und Rabatte bei den Netzentgelten weiterzuentwickeln und langfristige Planungssicherheit herzustellen. Außerdem soll die Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung auf Speicher ausgedehnt werden.
Die bereits veröffentlichte Carbon Management Strategie soll zügig umgesetzt, der Wasserstoffhochlauf beschleunigt werden.
Im Strommarkt stehen Veränderungen an
Eine große Änderung wird für den das Strommarktdesign angekündigt – die Regeln des Strommarktes sollen Erneuerbare und Flexibilität priorisieren. Dafür will man alle Hemmnisse auf Angebots- und Nachfrageseiten abbauen und Anreize für flexible Stromtarife und eine flexiblere Netzentgeltstruktur setzen.
Der Ausbau der Erneuerbaren Kraftwerke ist nach wie vor eine wichtige Aufgabe, jedoch wird das Ende des bisherigen Systems – die Vergütung des eingespeisten Erneuerbaren Stroms – eingeläutet. Mit dem Ende der Kohleverstromung soll diese Förderung auslaufen. Stattdessen soll es eine Investitionskostenförderung geben. Begründung für diesen Systemwechsel: Die Preissignale des Marktes sollen verzerrungsfrei wirken können. Perspektivisch werden EE keine Förderung mehr erhalten, sobald der Strommarkt ausreichend flexibel ist und ausreichend Speicher zur Verfügung stehen. Diese Ankündigungen sorgen für Unruhe in der Branche.
Hinzu kommen einige kurzfristige – in ebendiese Richtung weisende – Neuerungen: Steuerbare Neuanlagen sollen bei negativen Preisen ab Januar 2025 keine Förderung mehr erhalten. Zudem müssen schrittweise auch kleinere Anlagen in die Direktvermarktung – beginnend ab Januar 2025 in drei Jahresschritten wird die Grenze auf 25 KW abgesenkt.
Um diese Maßnahmen zu ermöglichen, soll die Selbstvermarktung von Strom und die Steuerung der Anlagen entbürokratisiert, digitalisiert und spätestens zu Beginn des Jahres 2026 massengeschäftstauglich ausgestaltet sein.
Kapazitätsmechanismus einführen
2028 soll der Kapazitätsmechanismus operativ sein – das heißt Regeln und auskömmliche Vergütungen existieren für Strom aus Kraftwerken, die nur zeitweise bei Bedarf Strom erzeugen, wie Pumpspeicher, Bioenergieanlagen und sonstige Back-up-Kraftwerke. Die als notwendig erachtete Kapazität von 5 Gigawatt wasserstofffähigen Gaskraftwerken soll zügig ausgeschrieben werden. Zusätzlich sollen neue Erdgaskraftwerke mit insgesamt 5 Gigawatt Leistung gebaut werden – um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Angekündigt sind auch Maßnahmen zur Senkung der Netzkosten, unter anderem Auszahlungen bei vermiedenen Netzentgelten an Stromerzeuger in Verteilnetzen und zeitvariable Netzentgelte für systemdienliche Netznutzung.
Biomasse-Strategie und Wärmewende
Die Bundesregierung verspricht, zeitnah eine Biomasse-Strategie vorzulegen und darin festzulegen, wie das Potenzial von Biomasse nachhaltig und kosteneffizient genutzt werden kann. Dazu gehört auch die Frage, inwieweit sowohl heimische als auch importierte Bioenergie als weiteres Element zur Stärkung der Gasversorgungssicherheit genutzt werden soll.
Für die Wärmewende schließlich gibt es eine gute Nachricht. Das Fündigkeitsrisiko bei Geothermiebohrungen soll besser abgesichert und dafür gemeinsam mit KfW und Versicherungswirtschaft eine Lösung erarbeitet werden.
Zwei weitere Themen setzt die Regierung auf die Agenda: Die Fusionsenergie soll eine Roadmap erhalten, die das Potenzial der Technologie würdigt. Für den Export bestimmte Produkte, die aufgrund der heimischen CO2-Bepreisung einen Wettbewerbsnachteil haben, sollen von einer Rückerstattung der CO2-Kosten beim Export profitieren.
Erneuerbaren Branche in zentralen Punkten unzufrieden
Der Bundesverband Erneuerbare Energien begrüßt insbesondere die Stärkung der Flexibilität – und damit die Stärkung von Batteriespeichern, Bioenergieanlagen und Wasserkraftwerken – als Schritt in die richtige Richtung. Den Instrumentenwechsel bei der Förderung der Erneuerbaren hingegen sieht man in der Branche kritisch. BEE-Präsidentin Simone Peter warnt: „Das Experiment eines radikalen Wechsels hin zu Investitionskostenzuschüssen birgt die Gefahr der Marktverunsicherung und Investitionszurückhaltung, die in Zeiten ehrgeiziger Ausbauziele diese massiv gefährden können.“ Der Verband hatte schon vor längerer Zeit einen anderen Vorschlag mit dem gleichen Ziel unterbreitet: Statt der zeitlich auf 20 Jahre festgelegten Vergütung solle auf eine Mengenförderung umgestellt werden.
Für die Absenkung der Direktvermarktungsschwelle fehlen nach Einschätzung des Verbandes derzeit die massentauglichen Prozesse. Direktvermarkter vermarkten ungern Kleinstmengen. Der gerade im Aufwärtstrend befindliche Ausbau von Photovoltaik-Anlagen auf kleinen Gewerbebetrieben ist besonders von dieser Maßnahme bedroht – er könnte ausgebremst werden.
Als fatales Zeichen bezeichnet Simone Peter auch den geplanten Wegfall der Absicherung bei negativen Preisen. „Den Schirm ausgerechnet bei Regenwetter einklappen, widerspricht der Logik des EEG sowie dem im Haushaltsentwurf genannten Ziel, die Absicherung von Erneuerbaren Energien erst dann abzuschaffen, wenn der Strommarkt ausreichend flexibel ist und genügend Speicher zur Verfügung stehen“, argumentiert Peter. Dass die Stromsteuererleichterungen nicht auf alle Verbraucher ausgeweitet wurden, ist für den Verband ebenfalls eine bittere Pille. Wärmepumpen und E-Autos hätten damit an Attraktivität gewonnen. pf