Kohleausstieg: Entsetzen über genehmigte Zahlungen an die Leag
Sie standen lange auf der Kippe, doch nun genehmigte die EU-Kommission sogenannte Entschädigungen für den Kohleausstieg des Braunkohlekonzerns Leag. Umweltverbände äußern weiter erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit.
06.06.2024 – Nachdem die EU-Kommission Ende letzten Jahres die Zahlungen von 2,6 Milliarden Euro an RWE genehmigte, kann diese Woche auch der ostdeutsche Braunkohlekonzern Leag jubeln. Die Behörde in Brüssel genehmigte grundsätzlich die staatlichen Entschädigungen für den Ausstieg aus der Braunkohle in der Lausitz bis 2038 in einem Umfang von 1,2 Milliarden Euro für Renaturierungskosten und Abfederung sozialer Folgen, plus einer halben Milliarde Euro, die daran gebunden sind, inwieweit der Leag tatsächlich künftig Gewinne entgehen.
Marktverzerrende Vorteile für Unternehmen sollen in der Europäischen Union ausgeschlossen werden. Daher prüft die EU-Kommission nach dem sogenannten Beihilferecht ob staatliche Zuwendungen an Konzerne eine Wettbewerbsverzerrung darstellen. Die im deutschen Kohleausstiegsgesetz vorgesehenen Entschädigungen für Kohlekraftwerksbetreiber für entgehende zukünftige Gewinne waren so ein Fall. Bei den Auktionen für den Ausstieg aus der Steinkohle, gaben die Wettbewerbshüter schnell grünes Licht. Die festgelegten 4,35 Milliarden Euro für die Kohlekonzerne RWE und Leag und ihren Ausstieg aus der Braunkohle hingegen wurden einer genaueren Überprüfung unterzogen.
Stein des Anstoßes war die Berechnungsgrundlage der Zahlungen. Es gab Zweifel an den Annahmen der Bundesregierung zur prognostizierten Laufzeit und Wirtschaftlichkeit der Kohlekraftwerke, die möglicherweise nicht mit der Realität auf dem Energiemarkt und in der Klimapolitik übereinstimmen. Doch am Dienstag erklärte die Kommission, im Grundsatz bestätige sie in einer vorläufigen beihilferechtlichen Bewertung die Entschädigungsregelung für den Braunkohleausstieg der Leag.
Umweltverbände und Rechtsexpert:innen machten in den vergangenen Jahren wiederholt deutlich, dass angesichts steigender Preise für CO2-Zertifikate im europäischen Emissionshandel und weiterer Klimaschutzmaßnahmen, die Kohleverstromung unrentabler wird. Das gilt insbesondere für die Leag, die bereits verlustreiche Zeiten hinnehmen musste. Nach der Europawahl könnte der europäische Emissionshandel zudem weiter verschärft werden.
Bundesregierung, die Verantwortlichen in den Ländern Brandenburg und Sachsen sowie die Leag selbst begrüßten die Genehmigung. Nun seien die Braunkohlefolgekosten abgesichert. zudem könnten Leag und die Länder zusätzliche Mittel in die Energiewende stecken. René Schuster, Braunkohle-Experte der Grünen Liga. Schuster jedoch widerspricht der Darstellung, die Beihilfe komme der Lausitz als Kohleregion zugute: „Die Leag ist keine Lausitzer Bürgerbewegung ist, sondern gehört einem ausländischen Oligarchen. Zur Rekultivierung seiner Tagebaue wäre das Unternehmen auch dann rechtlich verpflichtet, auch wenn es kein Staatsgeld erhält.“
Die Entscheidung sei nicht nachvollziehbar Der Staat dürfe dem Konzern nur Nachteile ausgleichen, die tatsächlich durch den gesetzlichen Kohleausstieg entstehen. Tagebaufolgen zu finanzieren, die von der LEAG selbst verursacht wurden und dazu zusätzlich entgangene Gewinne zu entschädigen führe den Rechtsstaat ad absurdum, so Schuster weiter. Die Grüne Liga verweist darauf, dass die Entschädigungszahlungen formal mit dem Kraftwerk Jänschwalde begründet wird. Der vorherige Betreiber Vattenfall wollte dieses Kraftwerk jedoch ohnehin ab Mitte der 2020er Jahre abschalten, wie in einem Braunkohlenplan des Landes Brandenburg nachzulesen ist.
Zudem begründete die LEAG, laut Grüne Liga, einen Entschädigungsanspruch mit dem Verzicht auf den Kohletagebau Welzow-Süd II. Diesen hatte sie zuvor jedoch nicht einmal bergrechtlich beantragt. Bewohner des Ortes Proschim wiesen in einer Stellungnahme an die EU-Kommission darauf hin, dass die LEAG nicht für die Kohle unter ihren Häusern entschädigt werden kann, deren Enteignung nie durchsetzbar gewesen wäre.
Francesca Mascha Klein von der Umweltrechtsorganisation ClientEarth konstatiert: Während Extremwettereignisse wüten und notwendige Mittel für klimagerechte Transformation fehlen, wird die milliardenschwere Zahlung an den Braunkohlebetreiber LEAG für einen viel zu späten Ausstieg abgesegnet. “ Nach wie vor sei nicht nachvollziehbar, wie die genehmigten Beträge berechnet wurden. Die Einzahlung in Zweckgesellschaften sei außerdem keine sichere Lösung, um zu garantieren, dass die Gelder tatsächlich für Rekultivierung und soziale Kosten eingesetzt werden.“
Die Leag hat mit den Ländern Brandenburg und Sachsen 2019 Vorsorgevereinbarungen geschaffen. Zum einen gibt es Rückstellungen aus dem Kohlegeschäft, zum anderen ein Sondervermögen, das sich etwa aus neuen Geschäftsaktivitäten der Leag, wie auch den nun genehmigten Entschädigungszahlungen ergibt. Bezüglich der Rückstellungen warnt das Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in einer Analyse, dass die Verfügbarkeit der Rückstellungen davon abhängt, ob ein Unternehmen künftig zahlungsfähig ist – auch dann, wenn es gar keine Einnahmen aus dem Kohlebergbau mehr hat.
Denn die Rückstellungen werden beglichen aus dem Vermögen, das in Grundstücken, Kraftwerken, Maschinen oder auch Finanzanlagen wie Unternehmensbeteiligungen oder Wertpapiern steckt, so die Expert:innen des FÖS. Das habe zur Folge, dass die Rückstellungen bei Bedarf nicht unmittelbar als liquide Mittel verfügbar sind. Schätzungen des Brandenburger Ministeriums für Wirtschaft und Energie zufolge betragen die Rekultivierungskosten rund drei Milliarden Euro. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Brandenburg geht mit Blick auf die weiterhin laufenden Kosten für ehemalige DDR-Tagebaue jedoch von bis zu 10 Milliarden Euro aus. mg