Menü öffnen

Klimaneutrale IndustrieEU-Kommission klassifiziert grünen Wasserstoff

Chemieanlage von außen, viele Rohrleitungen
Foto eines niederländischen Chemieparks. Die Chemieindustrie ist auf große Mengen Wasserstoff angewiesen. (Foto: Gouwenaar auf Wikimedia / CC0 1.0)

Die Europäische Kommission hat die Definition von grünem Wasserstoff festgelegt. Die benötigten Mengen sollen aus zusätzlich errichteten Erneuerbaren-Energien-Anlagen stammen – könnten aber auch aus Atomstrom erzeugt werden.

16.02.2023 - Damit mehr kohlenstoffarmer Wasserstoff in Europa erzeugt werden kann, muss klar definiert sein, was in der EU als erneuerbarer Wasserstoff gilt. Die Vorschriften dazu hat die EU-Kommission in zwei Rechtsakten vorgelegt. Die Wasserstoffbranche hatte darauf über ein Jahr gewartet, denn ohne Rechtssicherheit sind die immensen Investitionen nicht zu stemmen.

Der erste Rechtsakt legt fest, unter welchen Bedingungen Wasserstoff, wasserstoffbasierte Kraftstoffe oder andere Energieträger als erneuerbare Brenn- und Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs (renewable fuels of non-biological origin, RFNBOs) angesehen werden können. Entscheidend sind drei Grundsätze: zusätzlich, gleichzeitig, regional.

Wasserstoff aus zusätzlichen Erneuerbaren Erzeugungsanlagen

Elektrolyseure zur Erzeugung von Wasserstoff müssen demnach an neue Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen angeschlossen werden. Die Elektrolyse soll nicht wertvollen erneuerbaren Strom verschlingen, der zur Elektrifizierung anderer Bereiche benötigt wird. Zwei Varianten werden definiert. Als zusätzlich gilt, wenn der Elektrolyseur direkt mit Strom aus einer erneuerbaren Energieanlage versorgt wird, die nicht älter als drei Jahre ist.

Wenn der Elektrolyseur seinen Strom aus dem Netz bezieht, gilt der Wasserstoff als grün, wenn dies über einen Direktliefervertrag (PPA) mit einer Erneuerbaren Anlage geschieht oder aber mit Netzstrom, der zu 90 Prozent aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird. Alternativ kann auch die Emissionsbelastung von Netzstrom als Kriterium herangezogen werden. Wenn diese unter 65 Gramm pro Kilowattstunde fällt, gilt der mit diesem Netzstrom erzeugte Wasserstoff ebenfalls als grün.

Wasserstoff aus Atomstrom

Letztere Alternative ermöglicht Atomstromnationen wie Frankreich oder Schweden, Atomstrom zur Erzeugung von Wasserstoff zu nutzen und dafür ebenfalls das grüne Siegel in Anspruch zu nehmen. Der Anreiz neue Erneuerbare Erzeugungsanlagen zu bauen, wird damit ad absurdum geführt.

Außerdem gilt für Elektrolyseure, die vor dem 1. Januar 2028 in Betrieb gehen, eine Übergangsfrist. Sie haben zehn Jahre Zeit, die beschriebenen Kriterien zu erfüllen.

Gleichzeitige Stromerzeugung und Elektrolyse

Ebenfalls im ersten Rechtsakt werden Kriterien eingeführt, die sicherstellen sollen, dass erneuerbarer Wasserstoff nur zu Zeiten und an Orten erzeugt wird, an denen ausreichend erneuerbare Energie zur Verfügung steht – die sogenannte zeitliche und geografische Korrelation. Auch hier sind Übergangsfristen vorgesehen, so dass Elektrolyseure, die in den nächsten Jahren gebaut werden, weniger strenge Vorgaben zu erfüllen haben als solche, die nach 2030 gebaut werden.

Die zeitliche Korrelation soll dann erfüllt sein, wenn Stromverbrauch der Elektrolyseure und Erzeugung in einer Erzeugungsanlage innerhalb derselben Stunde erfolgen. Bis 2029 reicht eine monatliche Korrelation aus.

Zugleich sollen die Standorte für Elektrolyse und Erzeugung zusätzlichen Netzausbau vermeiden. Deshalb sollen sie grundsätzlich in derselben Stromgebotszone errichtet werden. Eine Stromgebotszone ist ein Gebiet, in dem ein einheitlicher Strompreis gilt, beispielsweise ist das gesamte deutsche Bundesgebiet eine Gebotszone.

Die Anforderungen für grünen Wasserstoff sollen auch für Importe aus Drittstaaten gelten. Ein freiwilliges Zertifizierungssystem soll für Transparenz und Einfachheit sorgen.

Methode zur Berechnung der Treibhausgasemissionen

Der zweite delegierte Rechtsakt legt die Berechnungsmethoden der Lebenszyklustreibhausgasemissionen von RFNBOs fest. Die Methode berücksichtigt die Treibhausgasemissionen während des gesamten Lebenszyklus der Brenn- bzw. Kraftstoffe, einschließlich vorgelagerter Emissionen, Emissionen im Zusammenhang mit der Entnahme von Strom aus dem Netz sowie Emissionen im Zusammenhang mit der Verarbeitung und mit der Beförderung dieser Brenn- bzw. Kraftstoffe zum Endverbraucher. In der Methode wird auch verdeutlicht, wie die Treibhausgasemissionen von erneuerbarem Wasserstoff und seiner Derivate zu berechnen sind, wenn sie in einer Anlage erzeugt werden, in der auch Brenn- oder Kraftstoffe auf fossiler Grundlage hergestellt werden.

Die am 13.2.2023 angenommenen Rechtsakte werden nun dem Europäischen Parlament und dem Rat übermittelt, die zwei Monate Zeit haben, um sie zu prüfen und die Vorschläge entweder anzunehmen oder abzulehnen. Auf Antrag kann der Prüfungszeitraum um zwei weitere Monate verlängert werden. Das Parlament und der Rat haben keine Möglichkeit, die Vorschläge zu ändern.

Schätzungen der Kommission zufolge werden etwa 500 TWh Strom aus erneuerbaren Quellen benötigt, um das mit dem REPowerEU-Plan für 2030 gesetzte Ziel einer Erzeugung von 10 Millionen Tonnen RFNBOs zu erreichen. Das 10-Mt-Ziel für 2030 entspricht 14 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der EU. Dieses Ziel spiegelt sich im Vorschlag der Kommission wider, die Zielvorgaben für erneuerbare Energien für 2030 auf 45 Prozent anzuheben.

Reaktionen von BDEW und VKU

Der BDEW begrüßte die längst überfälligen Klarstellungen. Allerdings seien nach Meinung von BDEW-Geschäftsführerin Kerstin Andreae die Kriterien so streng, dass die Entwicklung eines liquiden Wasserstoffmarkts erschwert würden. Die Schonfristen für den Übergang seien richtig, allerdings seien nicht für alle Kriterien gleichermaßen Übergangsfristen vorgesehen. Zudem sorge die Möglichkeit, dass Mitgliedsstaaten bereits zu einem früheren Zeitpunkt restriktivere Kriterien anzuwenden, für unnötige zusätzliche Unsicherheit bei Unternehmen, die nun schnell in den Wasserstoffhochlauf investieren wollen. Zugleich würden so die Wettbewerbsbedingungen im EU-Binnenmarkt verzerrt.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) freut sich ebenfalls über die Klarheit für Planungen und Investitionen, die mit den Definitionen einhergehen, bedauert aber, dass Wasserstoff, der bei der Abwasserentsorgung oder bei der Verbrennung von nicht-recycelbarem Abfall in Müllheizkraftwerken gewonnen wird, nicht als grün gelten soll. pf


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft