Teure Atomkraft: Französischer Rechnungshof kritisiert Kernkraftausbau

Der französische Rechnungshof hat das finanzielle Desaster bei den neuesten und die unüberschaubaren Risiken bei geplanten Kernkraftwerken analysiert. Das Fazit: Trotz staatlicher Unterstützung enttäuscht die Technologie in punkto Wirtschaftlichkeit.
21.01.2025 – Wer eine Renaissance der Atomkraft in Deutschland befürwortet, sollte sich den Bericht des französischen Rechnungshofes ganz genau durchlesen. Von billiger Atomkraft kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Prüfer sprechen von strukturell bedingten Mehrkosten und anhaltenden finanziellen Risiken.
Nach 17 Jahren Bauzeit ging in Flamanville vor kurzem der Druckwasserkernreaktor der neuen Generation EPR2 in Betrieb. 23,7 Milliarden Euro hat der Bau gekostet, ursprünglich geplant waren 3,3 Milliarden. Jetzt läuft das Kraftwerk im Probebetrieb, doch schon bald muss der Reaktordeckel ausgetauscht und dafür der Reaktor abgeschaltet werden. Unter Volllast wird das Kraftwerk vorerst nicht laufen. Per Gerichtsbeschluss sollte die Rentabilität des Reaktors überwacht werden. Doch der Betreiber EDF – inzwischen vollständig verstaatlicht – hüllt sich bis heute in Schweigen hinsichtlich konkreter Zahlen. Nun hat der französische Rechnungshof selbst gerechnet und drastische Maßnahmen vorgeschlagen.
Entscheidungen über weitere Investitionen aufschieben
Die Investitionsentscheidung für das EPR-Programm – geplant sind mindestens sechs weitere Kernkraftwerke mit EPR-Reaktoren in Frankreich – soll so lange aufgeschoben werden, bis Ertragszahlen aus Flamanville vorliegen.
Die enormen Kostenüberschreitungen bei den EPR-Projekten in Flamanville an der Nordküste Frankreichs, Olkiluoto (Finnland) und Hinkley Point im Vereinigten Königreich machen das Kernkraftwerksprogramm zum finanziellen Fiasko – das EPR2-Programm droht zu scheitern. Allein für den Reaktorbau in Hinkley Point, der nach dem Rückzug des chinesischen Mitgesellschafters mehrheitlich von EDF finanziert wird, steht für letztes Jahr eine Wertminderung von rund 11 Milliarden Euro in den Büchern.
Zurückhaltung bei internationalen Projekten
Zusätzlich schmolz das Vertrauen in die Technologie der EPR-Reaktoren aufgrund technischer Defekte bei Reaktoren in China und Finnland. Auch diese Störungen waren mit enormen Mehrkosten verbunden. Beim EPR-Kernkraftwerksprojekt im britischen Sizewell sind bereits jetzt Verzögerungen eingetreten, noch bevor der Investitionsentscheid gefallen ist. EDF sollte sich deshalb nicht in Sizewell finanziell engagieren, empfiehlt der Rechnungshof. Überhaupt sollte sich der staatliche Energiekonzern bei internationalen Atomprojekten zurückhalten. Zumindest soll sichergestellt sein, dass neue internationale Projekte quantifizierbare Gewinne generieren und sich nicht negativ auf den Zeitplan des EPR2-Programms in Frankreich auswirken.
Wie wirtschaftlich die in Planung befindlichen EPR-Reaktoren sein werden, ist heute nicht absehbar. Industrieprojekte dieser Größenordnung brauchen aber klare Zielpfade und Rahmenbedingungen, um private Investoren anzusprechen. Diese Voraussetzungen sind derzeit nicht erfüllt.
Der französische Rechnungshof kommt zu dem Ergebnis, das bei einer durchschnittlichen Auslastung von 85 Prozent der Strom aus dem Reaktor in Flamanville zum Preis von 12,2 Cent pro Kilowattstunde verkauft werden müsste, um eine Rendite von 4 Prozent zu erreichen. Sollen 7 Prozent Rendite fließen, müsste der Preis 17,6 ct/kwh betragen. Bei 9 ct/kwh oder weniger beträgt nach dieser Rechnung die Rendite nur zwei Prozent – oder fällt ganz aus. Weitere Unwägbarkeiten stecken im Detail – beispielsweise in der Auslastungsentwicklung der gesamten französischen Kernkraftwerkslandschaft.
Neben den hohen Risiken bei Störfällen und der ungeklärten und teuren Endlagerung ist die Kernkraft auch finanziell existierenden Energieerzeugungstechnologien weit unterlegen. pf
Kommentare
Juri Hertel am 21.01.2025
Zeitgleich mit dem Bericht des Rechnungshofs trat der Chef der EdF mit neuen SMR Plaenen an die Oeffentlichkeit.Waehrend die Atomgemeinde beim Begriff SMR von einem Reaktor unter 300MW ausgeht setzt EdF auf Altbewaehrtes.Ich vermute auf Reaktoren aus den Sechzigern ... :