Kohle, Öl und Gas: Hunderte Milliarden für fossile Importe

Wie viel geben Deutschland und die Europäische Union jährlich für die Importe fossiler Energien aus? Zahlen, die in derartiger Form bislang nicht vorlagen. Eine neue Analyse ändert das. In Abhängigkeit anderer Staaten, überweisen wir enorme Summen.
27.01.2025 – Deutschland überweist jedes Jahr zwischen 68 und 131 Milliarden Euro an Energieunternehmen für den Import von Kohle, Öl und Gas. Auf EU-Ebene sind es zwischen 216 und 515 Milliarden Euro jährlich. Das sind die zentralen Erkenntnisse einer neuen Analyse vom renommierten Energieexperten des Öko-Instituts, Felix Matthes. Beauftragt hat die Studie der EU-Parlamentarier Michael Bloss, klima- und industriepolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament.
„Wir haben nach diesen Zahlen gesucht und sie nicht gefunden“, so Bloss bei der Vorstellung der Analyse vergangenen Freitag. Daher habe man Felix Matthes beauftragt. „Er hat uns bestätigt, dass es gar nicht so einfach war die Zahlen zu ermitteln.“ Als Quellen zog Matthes unter anderem Daten von Eurostat, dem World Energy Outlook und diverser Branchen-Informationsdienste heran. Dabei fiel auf, dass die unterschiedlichen Datenbasen der amtlichen und anderer Statistiken zu den gleichen oder ähnlichen Sachverhalten unterschiedliche und teilweise inkonsistente Angaben machen. „Für die hier vorgelegte Analyse wurde der Versuch unternommen, die vorfindlichen Inkonsistenzen so weit wie möglich zu bereinigen wobei, wenn nötig und sinnvoll, auch Quellen aus dem Bereich der Verbandsstatistiken herangezogen wurden“, so Matthes in seiner Analyse.
Betrachtet wurden die Zahlen von 2021, 2022, 2023 und Januar bis November 2024. So betrug der monetäre Wert der Netto-Importe – also der gesamte Import an Kohle, Öl und Gas, Minus dem Export – (gerundet) wie folgt:
Deutschland:
2021: 68 Milliarden Euro
2022: 131 Milliarden Euro
2023: 80 Milliarden Euro
2024 (April-November): 66 Milliarden Euro
Europäische Union:
2021: 216 Milliarden Euro
2022: 515 Milliarden Euro
2023: 315 Milliarden Euro
2024 (April-November): 258 Milliarden Euro
Verlustgeschäft
„Kohle-, Öl- und Gasimporte sind ein teures Verlustgeschäft für die gesamte Gesellschaft. Jedes Jahr verlieren wir ca. 80 Milliarden Euro an fossile Unternehmen. Es ist höchste Zeit, diesen Abfluss zu stoppen und die Mittel stattdessen in die heimische Wirtschaft zu lenken“, so Bloss mit Blick auf die belastbaren Zahlen aus Deutschland 2023. Zum Vergleich verweist Bloss auf die gesamten Investitionen für den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland, die 2023 bei 37 Milliarden Euro lagen. Oder das Deutschlandticket, dass mit rund 3 Milliarden Euro weitaus geringer zu Buche schlägt.
Auf europäischer Ebene verweist Bloss auf den EU-Haushalt von insgesamt 166 Milliarden Euro. 2023 betrugen (mit 315 Milliarden Euro) die Kosten fossiler Netto-Importe damit fast das doppelte. „Zudem entsprechen sie fast 40 % der Summe, die laut Mario Draghi jährlich notwendig wäre, um die grüne und digitale Transformation Europas voranzutreiben und gleichzeitig die Verteidigungsfähigkeit zu stärken“, so Bloss. Im Auftrag der EU-Kommission hatte der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank und frühere italienische Ministerpräsident Draghi letzten September einen Strategiebericht zur Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union vorgelegt. Darin beziffert er den zusätzlichen jährlichen Bedarf Europas auf 800 Milliarden Euro. Das entspricht rund 4,4 bis 4,7 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts.
Mit dem angestrebten und inzwischen wieder realistischen Ziel von 80 Prozent Erneuerbaren Energien im Stromsektor, sei Deutschland auf einem guten Weg, so Bloss. Nun müsse auch der Netzausbau stärker vorangetrieben werden. Ebenso der Smart-Meter-Rollout müsse flächendeckend Einzug halten. Maßnahmen, die eine für die Energiewende dringend nötige Flexibilisierung ermöglichen. Dazu gehört auch der Ausbau von Speichern. Batteriespeicher sind in Europa aktuell im Trend.
Was hingegen nicht helfe, seien die von der Union propagierten CCS-Technologien, so Bloss. Dabei geht es um das Einfangen und Speichern von CO2 – vornehmlich aus industriellen Prozessen und der Energiegewinnung. Schon allein der Bau der CCS-Projekte würde über hundert Milliarden an Steuergeldern verschlingen. Zudem würde man weiter abhängig von teuren fossilen Energieimporten bleiben. mg