Klimaschutz: Industrielobby nimmt die Klimaschutzbewegung ins Visier
Nach der Grundrente ist nun der Klimaschutz dran. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft – eine Lobbyorganisation der Industrie – versucht seit Wochen konsequente Klimaschutzbemühungen zu diskreditieren. Teilweise mit Erfolg.
17.07.2019 – Mit einem Jahresetat von sieben Millionen Euro gehört die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft – kurz INSM – zu den einflussreichsten Lobbyorganisationen Deutschlands. Dahinter steckt das Institut der Deutschen Wirtschaft, dessen Trägervereine der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sind. Gemeinsam vertreten BDI und BDA die Interessen der Unternehmer aus der Metall- und Elektroindustrie. Der Name ihrer Initiative suggeriert zwar für eine „soziale“ Marktwirtschaft zu werben, doch ihre bisherigen Kampagnen zeigen: Es geht ihnen vor allem um den Abbau des Sozialstaats.
In der aktuellen Legislaturperiode hat es die INSM vor allem auf sozialpolitische Pläne der SPD innerhalb der Großen Koalition abgesehen. So wurden Überlegungen der SPD für einen Mindestlohn im letzten Jahr, von der INSM medienwirksam mit vermeintlichen Studien über negative Effekte für die Beschäftigung torpediert. In diesem Jahr waren dann die Pläne für eine Grundrente von Arbeitsminister Hubertus Heil Ziel einer Gegenkampagne. So zitiert die Bild einen sogenannten Gutachter der INSM, der Gesetzentwurf schieße „in verfassungswidriger Weise über das Ziel hinaus“. Neben der Bild präsentiert sich mit der Welt ein weiteres Medium des Axel-Springer-Verlages als Sprachrohr der INSM, wie auch gemeinsame Veranstaltungen zeigen.
Gemeinsam mit der Springer-Presse und Teilen der CDU geht es gegen konsequenten Klimaschutz
Und nun also der Klimaschutz. Mit der neuen Kampagne „12 Fakten zur Klimapolitik“ versucht die INSM echte und konsequente Klimaschutzbemühungen zu diskreditieren, wie Hans Josef Fell von der Energy Watch Group und Tina Ternus Unterstützerin von Lobbycontrol darlegen. Und wieder ist es demnach die Bild, die unter anderem die Vorschläge von Umweltministerin Svenja Schulze zu einer CO2-Steuer im negativen Licht erscheinen lässt und vor einer „Spritpreis-Erhöhung“ warnt. Auch weitere Artikel auf Bild.de, wie „Am Ende zahlt der Bürger“ und „Das kostet die neue Klimasteuer“, schüren Misstrauen.
Statt einer CO2-Steuer befürwortet die INSM ein Verbleib im Emissionshandel. Und ihre Forderung scheint nicht nur beim Axel-Springer-Verlag, sondern auch bei Teilen der CDU und im Wirtschaftsministerium starke Befürworter zu haben. So warnte der Wirtschaftsrat der CDU – der nach eigenen Angaben bundesweit rund 12.000 Unternehmer vertritt – vor „Aktionismus“ beim Klimaschutz. Man dürfe bei dem Thema nicht unter „Handlungsdruck“ verfallen. Verbreitet wurde die Meinung von der Welt. Und aus dem Wirtschaftsministerium gibt es nun ebenfalls den Vorschlag eines marktwirtschaftlichen Modells, mit einem CO2-Preis aus dem Emissionshandel. Die INSM lobte sogleich den Vorschlag auf Twitter: Peter Altmaier habe in der Debatte um die CO2-Steuer gegenüber dem Koalitionspartner Haltung gezeigt.
Auch junge Klimaaktivsten von Fridays for Future und Extinction Rebellion im Visier
Neben den Befürwortern einer CO2-Steuer, von SPD, über Grüne bis hin zu Umweltverbänden, kritisiert die Springer Presse aktuell auch junge Klimaschutzbewegungen, wie Fridays for Future und Extinction Rebellion. Und das meist mit Überschriften zu Artikeln, die negative Konnotationen hervorrufen. „Sind Klimaschutz-Demos zu radikal“ oder „Das Image der selbstlosen Weltretter hat Risse“ zeugen davon. Und auch in der Vergangenheit trat die INSM immer wieder auf den Plan, wenn es darum ging den Ausbau Erneuerbarer Energien zu bremsen, wie Hans-Josef Fell darlegt. Demnach habe die Kampagne der INSM im Endeffekt zu dem massiven Einbruch beim Ausbau der Erneuerbaren Energien geführt.
In der aktuellen Kampagne zu den sogenannten Fakten zur Klimapolitik indes, stellt sich die INSM vermeintlich hinter die Forderungen für mehr Klimaschutz. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass vor allem deutsche Wirtschaftsinteressen gewahrt werden sollen. So warnt die Initiative vor „nationalen Alleingängen“ und verweist unter anderem auf China und die USA und deren Treibhausgasausstoß. Auch sollen beim Strompreis weitere Steuern und Umlagen wie die der EEG abgeschafft werden. Und um die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen abzuschwächen, erklärt die INSM die Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad für relevant. Dabei machen Wissenschaftler deutlich, dass schon bei einem Verfehlen des 1,5 Grad-Ziels katastrophale Folgen auf uns zukommen werden. mf