Appell zur Bundestagswahl: Keine Energiewende ohne Energieeffizienz

Im Vorfeld der Bundestagswahl rufen Experten und Wissenschaftler die Parteien dazu auf, die Energieeffizienz in den Mittelpunkt ihrer künftigen Regierungsarbeit zu stellen. Sie sei der Schlüssel für eine bezahlbare und sichere Energieversorgung.
16.01.2025 – CO₂-Preise und -Anforderungen allein reichten nicht aus, um die Energiewende voranzutreiben, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von mehr als 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie unabhängigen Expertinnen und Experten. Ohne zusätzliche politische Maßnahmen zur Energieeffizienz und Energieeinsparung stiegen nicht nur die Kosten der Energiewende unnötig, es drohten auch soziale Schieflagen, da steigende Energiepreise einkommensschwache Haushalte besonders hart träfen. Gleichzeitig seien Unternehmen bei mangelnder Effizienz Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt.
Effizienz und Erneuerbare Hand in Hand
Wörtlich heißt es in der gemeinsamen Erklärung: „Einseitige Strategien, die allein auf die Angebotsseite setzen (Dekarbonisierung der Energieträger, CO₂-Preise etc.) und die Nachfrageseite (Energieeffizienz, Energieeinsparung) ausblenden, sind nicht nur teuer und ineffizient, sondern gefährden auch die soziale Gerechtigkeit, die Akzeptanz der Transformation und die Erreichung der Klimaziele.“ Ein zukunftsfähiges Energiesystem könne nur gelingen, wenn Energieeffizienz und Erneuerbare Energien Hand in Hand gehen.
Ein ineffizienter Energieeinsatz erfordere den Ausbau zusätzlicher Erneuerbarer Energien sowie ergänzende Systeme wie Speicher oder flexible Kraftwerke. Ohne Effizienzmaßnahmen würden die notwendigen Investitionen in diese Kapazitäten unnötig erhöht. Dies gelte insbesondere für Zeiten der kalten Dunkelflaute, für die ein kostenintensiver und redundanter Kraftwerkspark vorgehalten werden müsse.
Höhere Kosten für Netze und Speicher
Um den höheren Stromverbrauch zu bewältigen, müssten Stromnetze um ein Vielfaches stärker ausgebaut und verstärkt werden als ohnehin geplant. Ein ineffizienter und unflexibler Stromverbrauch verstärke den Bedarf an Energiespeichern verschiedenster Art, die notwendig sind, um Schwankungen bei der Erzeugung von elektrischer Energie mit Erneuerbaren Energien auszugleichen. Das führe zu zusätzlichen Zeitverzögerungen und Infrastrukturkosten, die langfristig die Gesamtkosten der Energiewende erheblich belasten.
Die steigenden Netzausbaukosten und Speicheranforderungen des Stromnetzes führten zu höheren Netzentgelten, die über Stromrechnungen direkt an die Verbraucher weitergegeben werden. „Eigentlich will die Politik diese Kosten senken. Besonders Haushalte mit geringem Einkommen und kleinere Unternehmen tragen die Hauptlast dieser Kosten, da große Industriebetriebe teilweise von Netzentgelten befreit sind. Weiter steigende Netzentgelte gefährden in allen Bereichen der Wirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit. Effizienzmaßnahmen können diese Belastung reduzieren und die Netzentgelte stabilisieren“, heißt es weiter in der Erklärung.
Einkommensschwache besonders getroffen
„Steigende Energiekosten treffen vor allem Verbraucherinnen und Verbraucher mit geringen Ein- kommen, die einen größeren Anteil ihres Einkommens für Energie aufwenden müssen. Besonders im Mietwohnbereich entstehen gravierende Probleme“, so Jutta Gurkmann, Leiterin Geschäftsbereich Verbraucherpolitik bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Sie verwies bei einer Pressekonferenz der DENEFF (Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz) am 15. Januar in Berlin darauf, dass Vermieter die Heizkosten – auch für CO2-freie Wärme – auf die Mietenden umlegen können. Mietenden bringt die Umstellung hierauf aber nur dann Kostenvorteile, wenn der Energiebedarf sinkt.
Doch ohne parallele Investitionen in Effizienz, wie Dämmung, Fensteraustausch und Anlagenoptimierungen, bleibt der Energieverbrauch hoch. Das Kostenrisiko wird dann komplett auf die Mietenden verschoben. Sie selbst haben jedoch nur begrenzten Einfluss auf den Verbrauch.
Eingeschränkte Wohnqualität – Wertverlust von Gebäuden
Zudem unterstrich Gurkmann den Zusammenhang mit der Wohnqualität. Energieeffizienz in Gebäuden und privaten Haushalten gehe mit einer besseren Luftqualität, höherem Wohnkomfort und mit geringeren Erkrankungen der Atemwege einher; ähnliches gilt bei energieeffizientem Verkehr. Diese Potenziale müssten für alle erschlossen werden.
Zudem zeichne sich bereits jetzt ein erheblicher Wertverlust von Gebäuden mit schlechten Effizienzstandards ab. „Immobilien mit wenig Energieeffizienz werden immer weniger nachgefragt“, sagte Gurkmann.
Energieeffizienz stärkt den Standort Deutschland
Die Unterzeichnenden der Erklärung verweisen darauf, dass mit dem Ende 2023 in Kraft getretenen Energieeffizienzgesetz (EnEfG) erstmals verbindliche Energieverbrauchsziele gesetzlich festgelegt worden seien. Diese Ziele müssten nun mit konkreten Förderstrategien, wirksamen Standards und gezielter Beratung umgesetzt werden. Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit würde so gestärkt, soziale Ungerechtigkeiten vermieden und die Energieversorgung dauerhaft stabilisiert werden, so das Expertengremium. hcn