Global Coal Exit List 2025: Kohlechemie-Industrie im Aufwind

Den Klimazielen zum Trotz ist die weltweite Kohlekraftwerkskapazität allein im vergangenen Jahr um 30 Gigawatt gewachsen. Zudem wird die Kohlechemie-Industrie zunehmend ausgebaut, eine der schmutzigsten Industrien überhaupt.
22.10.2025 – Raus aus der Kohle! Viele europäische Länder sind dem Ruf bereits gefolgt und haben Endfristen für die Verbrennung von Kohle festgelegt. Weltweit ist der Trend leider kaum erkennbar. Stattdessen wuchs die weltweite Kohlekraftwerkskapazität im vergangenen Jahr erneut an, zeigt die Global Coal Exit List 2025 (GCEL). Die Menschenrechts- und Umweltschutzorganisation urgewald dokumentiert in der GCEL jährlich alle Details zum Kohlesektor, inklusive Exploration, Expansion und Finanzierung.
„Der Klimawandel beschleunigt sich, die Bemühungen zum Ausstieg aus der Kohleverbrennung jedoch nicht“, sagt Heffa Schücking, urgewald-Geschäftsführerin. „Unsere Daten zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Kohleunternehmen keine konkreten Ausstiegspläne hat. Finanzinstitutionen, die die Klimakrise ernstnehmen, haben nur eine Wahl: Sie müssen ihre Verbindungen zu dieser Branche kappen.“
Rund 95 Prozent der Kohleindustrie zeigt keine Ambitionen, Emissionen zu senken. Von den 1.516 Mutterkonzernen und 1.463 Tochtergesellschaften, die in der GCEL 2025 gelistet sind, haben nur 160 Unternehmen Ausstiegstermine für sämtliche Kohlegeschäfte festgelegt, so urgewald. Nicht einmal die Hälfte von letzteren haben einen Ausstiegsplan verabschiedet, der mit dem Pariser Abkommen vereinbar ist. Besonders alarmierend ist, dass auch die Kohlechemie-Industrie – eine der schmutzigsten Industrien überhaupt – zunehmend ausgebaut wird.
Kohlechemie – die denkbar schmutzigste Art, Kohle zu verwerten
Kohle kann durch industrielle Prozesse in gasförmige Zwischenprodukte verwandelt werden, aus dem sich verschiedene flüssige und gasförmige Chemikalien herstellen lassen — darunter Methanol, Ammoniak (und daraus Harnstoff) sowie Olefine. Kohlevergasung stellt hierbei in der Regel nur den ersten Schritt dar.
„Die Herstellung von Gas und Chemikalien aus Kohle ist die denkbar schmutzigste Art, sie zu verwerten. Hierbei werden deutlich mehr Treibhausgase freigesetzt als bei der Verbrennung von Kohle in einem Kraftwerk“, erklärt Schücking. Die Emissionen aus der Ammoniakproduktion aus Kohle sind dreimal so hoch wie bei der Herstellung aus Erdgas.
Derzeit sind 47 neue Kohlechemieprojekte weltweit in Planung. Über 20 davon liegen in China, das trotz Zusagen, den Kohleverbrauch im Energiesektor zu reduzieren, den Kohlesektor weiter fördert. Das Unternehmen China Energy Investment ist mit 54 Projekten mit einer Gesamtleistung von 47.806 Megawatt (MW) in Planung auch der größte Kohlekraftwerksentwickler.
Kohle abbauen
Der weltweit größte Produzent von Kraftwerkskohle ist mit einer Fördermenge von 721 Mio. Tonnen im Jahr 2024 Coal India. Mit 90 geplanten Erweiterungsprojekten entwickelt das indische Unternehmen auch die meisten neuen Kohleminen. Insgesamt sind neue Minenprojekte mit einer Förderkapazität von insgesamt 2.860 Mio. Tonnen pro Jahr geplant, was fast 32 Prozent der aktuellen weltweiten Kraftwerkskohleproduktion entspricht.
Der viertgrößte Kohleproduzent sind die USA. Unter Präsident Donald Trump wird der Kohleausbau nun erneut aggressiv vorangetrieben. So haben die USA einen sogenannten ‚Energie-Notstand‘ ausgerufen, um u.a. Umweltprüfungen zu beschleunigen.
Zudem werden öffentliche Flächen für neue Pachtverträge angeboten, auch bei Naturschutzgebieten. Die Erträge aus von Trump erteilten Genehmigungen für neue Kohleminen und Minenerweiterungen übersteigen bereits die Kapazitäten, die in US-amerikanischen Kohlekraftwerken verbrannt werden könnten. Trotz ‚Energie-Notstand‘ wird rund ein Viertel der in den USA produzierten Kohle exportiert.
Raus aus der Kohle!
Bis spätestens 2038 will Deutschland aus der Kohle aussteigen. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Kraftwerke stillgelegt, und die Kohlekraftwerkskapazität sank im Jahr 2024 um 5,8 Gigawatt (GW). Laut Bundesnetzagentur schieden marktbedingt bereits so viele Kohlekraftwerke aus dem Markt aus, dass das gesetzlich festgelegte Ziel für 2027 bereits unterschritten wurde. Die führenden Fossilunternehmen RWE und LEAG tun derweil jedoch alles, um den Kohleausstieg weiter hinauszuzögern und maximalen Profit zu schlagen.
„Als Marktriese hat RWE in Deutschland und Europa die Möglichkeit, die Energiewirtschaft auf dem Weg in ein klimafreundliches und erneuerbares Zeitalter zu führen. Gleichzeitig versucht der Konzern in den verbleibenden Jahren bis 2030 noch möglichst viel Braunkohle zu fördern und zu verbrennen“, kritisiert Katrin Ganswindt, Leiterin der Kohlerecherche bei urgewald. „Während das Klimabewusstsein in der Gesellschaft deutlich gewachsen ist, lässt die Konzernführung den dringend notwendigen Sinneswandel vermissen.“
RWE ließ zuletzt das Herunterfahren des Kohlegeschäfts deutlich stocken, und auch die LEAG plant, seine Kraftwerke erst 2038 stillzulegen. Letztere hat zudem ihr Kohlegeschäft in eine Tochterfirma ausgelagert – mit dem eindeutigen Ziel, das Mutterunternehmen interessanter für Drittinvestoren und Kreditgeber zu machen, die an eine No-Coal-Policy gebunden sind.
„Investoren dürfen sich von taktischen Umstrukturierungsmanövern nicht täuschen lassen. Unsere Daten zeigen, dass LEAG und ebenfalls RWE langsamer aus der Kohle aussteigen als nötig. Von einer ernstgemeinten Energiewende sind beide Konzerne weit entfernt. Gerade bei LEAG ist fraglich, wie ein rechtzeitiger Umbau der Geschäfte aussehen soll“, sagt Ganswindt.
Informationen für die Finanzindustrie
GCEL wird seit 2017 jährlich veröffentlicht und prägt inzwischen die Kohlepolitik von Finanzinstituten weltweit. Die Analyse deckt den gesamten Kohlebereich ab und stellt Kohle-bezogene Daten für fast 3000 Unternehmen bereit, darunter etwa 1500 Muttergesellschaften und deren Tochtergesellschaften. Derzeit nutzen 669 Finanzinstitutionen aus 31 Ländern die GCEL, um Finanzentscheidungen im Kohlesektor zu treffen, und besonders schädliche Aktivitäten gegebenenfalls auszuschließen.
Zuletzt gab es einige Negativschlagzeilen in diesem Bereich. Mehrere große Banken, darunter die kanadische Bank of Montreal, die US-amerikanische Bank of America, die australische Bank Vision Super und die spanische Bank Santander hoben in den vergangenen Jahren bereits eingeführte Einschränkungen für die Finanzierung der Kohleindustrie wieder auf.
„Abgesehen von dieser Handvoll an Negativbeispielen haben wir fast keine Rückschritte bei den Kohlerichtlinien von Finanzinstitutionen gesehen. Das ist eine gute Nachricht“, sagt Yann Louvel, Senior Policy Analyst bei Reclaim Finance, und Mitherausgeber der GCEL. Die schlechte Nachricht sei, dass es immer noch viele Finanzinstitutionen gebe, die bislang keinerlei Kohlerichtlinien eingeführt hätten. „Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen ist das beschämend“, kommentiert Louvel. jb




















































