Frau Riedler, wer sein Erspartes für den Klimaschutz arbeiten lassen möchte, kann Aktien kaufen oder sein Girokonto bei einer Bank eröffnen, die das Geld in nachhaltige Projekte investiert. Wofür braucht es klimja?
Neben dem Kerngeschäft mit unseren Nachrangdarlehen ist es aus meiner Sicht vor allem die Bewusstseinsbildung für die drei Renditen jeder Geldanlage: Ausgangspunkt ist der Gedanke, dass jedes Investment neben einer finanziellen auch eine ökologische und eine soziale Rendite hat. Vielen Menschen ist einfach nicht klar, was ihr Geld konkret in der Welt bewirkt. Wir investieren viel Zeit und Energie, um diese Bewusstseinsbildung voranzubringen. Als Social Enterprise verfolgen wir zwei Ziele auf dem Finanzmarkt. Einerseits finance change: Das macht etwa die GLS-Bank auch, nämlich unter anderem Energiewende-Projekte zu unterstützen. Das zweite Ziel lautet: change finance. Wir wollen dadurch, dass Menschen besser Bescheid wissen über die Wirkung ihrer Geldanlagen, letztendlich das Finanzsystem so verändern, dass irgendwann jedes Investment mit guten Wirkungen einhergeht.
Auf welches Anlegerinteresse zielen Sie besonders ab?
Wer schon andere nachhaltige Investments getätigt hat, für den sind klimja-Projekte eine sinnvolle Ergänzung fürs Portfolio. Bei uns haben sie die Möglichkeit, ihre Geldanlage breiter zu streuen. Ein wesentlicher Aspekt für uns als Impact-Investment-Plattform ist der Aspekt der Additionalität. Wir ermöglichen konkrete Projekte, die sonst nicht realisierbar wären. Dazu zählen Vorhaben, die beispielsweise von einer GLS-Bank keinen Kredit bekommen würden, weil sie vielleicht zu klein sind oder weil sie in einem Land verortet sind, wo das Geldinstitut keine Geschäfte tätigt.
Wie viele Anleger haben Sie, wie viele Projekte konnten bislang realisiert werden?
Wir haben fast 2.500 Anleger:innen. Es gibt 34 Projekte, die über unsere Community eine gesicherte Finanzierung bekommen haben oder noch bekommen.
Wie viel Klimaschutz konnten Sie seit Gründung Ihrer Plattform bewirken?
Über unsere Projekte wurden mehr als 13.000 Tonnen CO2 eingespart. Legt man einen jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von zehn bis elf Tonnen CO₂ zugrunde, also dem Durchschnittsverbrauch einer Person in Deutschland, entspricht die Ersparnis unserer Projekte dem Jahresverbrauch von 1.200 bis 1.300 Menschen.
Sie haben Projekte weltweit im Portfolio. Gibt es Angebote, die sich als besondere Renner erwiesen haben? Gibt es Muster, die sich herausgebildet haben?
Wenn wir ein solches Muster bereits erkannt hätten, dann wären wir noch viel erfolgreicher. Es spielen viele Faktoren eine Rolle. Besonders beliebt war letztes Jahr ein Projekt im Vogtland in Sachsen – eine Solarstromanlage für ein Mehrgenerationenhaus in Lengenfeld: Für dieses Vorhaben konnten wir 400.000 Euro quasi übers Wochenende einsammeln. So schnell war es zuvor noch nie gegangen – und auch danach nicht.
Wie war dieser Zuspruch zu erklären?
Da dürfte das Thema gut gepasst haben, und sicher auch der Zeitpunkt. Nun ist so etwas in der Form nicht reproduzierbar. Sehr beliebt ist aber auf jeden Fall in Deutschland oder auch Österreich, wenn die Leute das Gefühl haben: Ich könnte hinfahren und mir das Projekt vor Ort anschauen. Ein Investment zum Anfassen mit ganz viel Transparenz also.
Gibt es auch Projekte, die sich eher als Ladenhüter entpuppt haben?
Nein. Es schon gibt Projekte, die deutlich länger brauchen. Aber wir hatten noch keines, wo wir das benötigte Kapital nicht zusammenbekommen hätten innerhalb von zwölf Monaten, also dem Zeitraum, der uns maximal zum Einsammeln zur Verfügung steht. Alle haben die Fundingschwelle erreicht, so dass sie realisiert werden konnten. Wir sehen schon, dass es Konjunkturen gibt. Manchmal sind Investments in afrikanischen Ländern sehr beliebt, manchmal nehmen Anleger:innen eher Abstand, weil sie vermutlich ein größeres Risiko sehen. Mein Eindruck ist: Je greifbar es ist durch geografische Nähe, desto beliebter ist das Projekt. Das ist verständlich und auch ein Teil unseres Werteversprechens. Gleichzeitig haben wir auch viele Menschen in unserer Community, die ganz bewusst in Projekte im globalen Süden investieren, um einen gewissen sozialen Ausgleich zu ermöglichen und vor Ort Chancen zu schaffen.
Sie sagen, der Hebel zur Reduktion des CO2-Fußabdrucks sei bei nachhaltigen Geldanlagen um ein Vielfaches effektiver als bei anderen Maßnahmen – im Durchschnitt 27-mal. Wie kommt diese Zahl zustande? Der Verbrauch beispielsweise von Flugreisen und der Nutztierhaltung liegt ja weit auseinander.
Die Zahl stammt aus einer Nordea-Studie, wohlgemerkt keine Studie einer Bank. Wir haben uns auch gefragt: Kann die Zahl stimmen? Deshalb haben wir uns letztes Jahr die Mühe gemacht, das nachzurechnen. Hintergrund: Wenn wir Geld bei einer Bank oder bei einer Fondsgesellschaften anlegen, liegt dies ja nicht einfach dort. Die Bank oder die Fondsgesellschaft setzt das Geld ein und investiert es zum Beispiel in Unternehmenskredite oder Aktien von anderen Unternehmen. Und diese Unternehmen stoßen unterschiedlich viel CO2 aus. Die genauen Daten dazu finden wir in den Nachhaltigkeitsberichten. Dies betrifft auch die Kredite, die Finanzinstitute an Unternehmen geben. Aus diesen Daten konnten wir den CO2-Fußabdruck hochrechnen. Die Ergebnisse sind unserem kostenlosen E-Mail-Kurs nachzulesen.
Sie bieten Ihren Kunden ausschließlich qualifizierte Nachrangdarlehen an. Worin bestehen die Vor-, worin die Nachteile?
Nachrangdarlehen sind sehr transparent, die Verträge werden direkt zwischen den Projektinhabern und der Anlegerin abgeschlossen. Es gibt umfassende Informationen zum Geschäftsmodell, zum Unternehmen selbst und zur geplanten Verwendung der Mittel. Da schaut die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sehr genau drauf: Was geschieht mit dem Geld? Der Nachteil besteht im Risiko des Totalverlusts, eben durch die Nachrangigkeit im Vergleich zu anderen Geldgebern. Darauf weisen wir auch immer hin, und es gibt einen entsprechenden Risikoaufschlag. Aus meiner Sicht eignet es sich daher vor allem zur Diversifizierung und um konkrete Projekte zu ermöglichen, die es ohne das Crowdkapital nicht geben würde.
Richtet sich Ihr Angebot an Privatanleger oder auch an Unternehmen?
In erster Linie investieren Privatleute bei uns, regelmäßig aber auch kleine und mittlere Unternehmen.
Erneuerbare Energien sind weltweit auf dem Vormarsch. So lag 2024 bezogen auf die gesamte neu installierte Kraftwerksleistung der Anteil der zugebauten regenerativen Kapazitäten bereits bei über 90 Prozent. Spüren Sie diesen Rückenwind?
Sie haben recht, da ist ein Tipping Point erreicht. Ja, die Projekte genießen schon großes Interesse. Gleichzeitig gibt es Regionen, wo Strom alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Allein auf dem afrikanischen Kontinent leben laut Europäischer Kommission immer noch 600 Millionen Menschen ohne Zugang zu Strom. Beim Mobilfunk sieht es häufig noch schlimmer aus. Daher auch unser aktuelles Projekt „Mobilfunkmasten und Infrastruktur“ in Ghana. Da gibt es einen enormen Nachholbedarf. Strom und Mobilfunk: Das bedeutet, überhaupt einen Anschluss an die Wirtschaft zu haben. Wir freuen uns, solche Projekte ermöglichen zu können. Denn das Bewusstsein ist da, aus ökologischen, aber auch wirtschaftlichen Gründen, das Geld hier zu investieren.
Die Gesamtinvestments liegen bei den meisten Ihrer Projekte im relativ überschaubaren, sechsstelligen Bereich. Werden Sie absehbar in größere Wind- oder Solarkraftwerke und Speicherkapazitäten investieren?
Wir haben vor Kurzem ein Projekt von Austria Energy in Chile gelauncht. Dort werden Wind- und Solarparks mit rund 425 Megawatt Kapazität entwickelt. Das ist schon ordentlich. Aber: Das österreichische Alternativ-Finanzierungsgesetz beschränkt uns auf zwei Millionen Euro pro Emission. Größere Summen dürften wir gar nicht vermitteln, und wir wollen ja in erster Linie das Bewusstsein schärfen für die Wirkung von Geldanlagen. Dafür brauchen wir nicht viele Milliarden, sondern viele Menschen, die darüber sprechen und mit der entsprechenden Haltung investieren. Uns geht’s um das Mindset.
Welche Ziele haben Sie für die kommenden fünf Jahre?
Unsere Ziele haben weniger mit Geschäftszahlen zu tun, sondern eher mit dem Wachstum unserer Community. Wir möchten, dass ganz viele Menschen mit der Drei-Renditen-Brille auf ihre Investments schauen und einen Schneeballeffekt in der Bewusstseinsbildung bewirken. Natürlich wollen wir viele Projekte mit hohem ökologischem und sozialem Mehrwert ermöglichen. Aber letztlich wünsche ich mir, dass es klimja nicht mehr braucht, weil ohnehin alle Menschen gemäß der von ihnen gewünschten Wirkung investieren. Dann haben wir unser Ziel erreicht.
Die Selbstabschaffung als Unternehmensziel?
Na, bis dieser Punkt erreicht ist, werden wir noch viel zu tun haben. In fünf Jahren wird das bei Weitem nicht der Fall sein. Aber im Grunde streben wir als Social Enterprise genau das an: Sobald das Problem gelöst ist, dass wir durch unsere Geldanlagen – meist unwissentlich – unsere Lebensgrundlagen zerstören, braucht es uns in dieser Form nicht mehr.
Frau Riedler, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Benedikt Brüne
Verena Riedler ist seit 2023 Geschäftsführerin von klimja, einem Rebranding der 2015 in Österreich gegründeten Plattform Crowd4Climate mit aktuell drei Führungskräften und drei Mitarbeiter:innen. Das Finanzierungsvolumen liegt bei 4,5 Millionen Euro. Firmensitz ist Wien, eine Zweigniederlassung gibt es in Frankfurt am Main.























































