Bild: (c) Andreas Schoelzel

Meinung 20.03.2025

Nachhaltigkeitsfonds: Es ist Zeit, die grüne Blackbox zu entrümpeln

Vermeintlich grüne Investmentfonds halten oft nicht, was sie versprechen. Viele von ihnen investieren hemmungslos in fossile Unternehmen. Eine EU-Behörde will für mehr Transparenz sorgen. Damit Kund:innen davon profitieren, braucht es klare Vorgaben.

Moritz Schröder-Therre, Pressesprecher von urgewald e.V.


Meinung 20.03.2025

Nachhaltigkeitsfonds: Es ist Zeit, die grüne Blackbox zu entrümpeln

Vermeintlich grüne Investmentfonds halten oft nicht, was sie versprechen. Viele von ihnen investieren hemmungslos in fossile Unternehmen. Eine EU-Behörde will für mehr Transparenz sorgen. Damit Kund:innen davon profitieren, braucht es klare Vorgaben.

Bild: (c) Andreas Schoelzel

Moritz Schröder-Therre, Pressesprecher von urgewald e.V.



„Carbon Transition”: Das klingt nach Energiewende, Klimaschutz und ganz viel Zukunft. Einer klimaschutzbewegten Anlegerin darf unterstellt werden, dass sie den Fonds „JPM Carbon Transition Global Equities” des Anbieters JP Morgan in die engere Auswahl für ihre Geldanlage nehmen würde. Hoffentlich wirft sie dann einen genauen Blick auf die tatsächlichen Investitionen des Fonds. Die NGOs urgewald und Facing Finance taten genau dies für das Verbraucherportal faire-fonds.info. Das Ergebnis: Zum Stichtag 31.10.2024 flossen unter anderem Investitionen in die fossilen Energiekonzerne TotalEnergies, Sumitomo, Hess, Equinor oder Enbridge, bei denen von „Transition“, also Transformation in Richtung CO2-neutrale Zukunft, nichts zu erkennen ist.

Damit ist dieser Fonds bei weitem nicht allein: Eine umfangreiche urgewald-Auswertung von Ende 2023 zu so genannten ESG-Fonds – die aus ökologischer, sozialer oder rechtlicher Sicht vorteilhaft sein sollen – ergab: Mehr als ein Drittel aller untersuchten ESG-Fonds auf dem deutschen Markt investierte zum damaligen Stand in mindestens ein Unternehmen aus der globalen Kohleindustrie. Sogar deutlich mehr, 55 Prozent aller untersuchten Fonds, investierte in mindestens ein Unternehmen aus der globalen Öl- und Gasindustrie. Und das, obwohl solche Unternehmen drauf und dran sind, die weltweite Klimaüberhitzung mit neuen Öl- und Gasgeschäften weiter zu verschärfen.

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Zusammengefasst: ESG-Fonds sind bei weitem nicht so grün, wie es scheint. Und: Anleger:innen, denen ein strikter Ausschluss fossiler Konzerne wichtig ist, können sich nicht auf Bezeichnungen wie „ESG“, „SRI“ („Socially Responsible Investing“), „Nachhaltig“ oder „Sustainable“ verlassen.

Wenn „Umwelt“ draufsteht, soll Kohle künftig rausfliegen

Die europäische Finanzmarkt-Aufsichtsbehörde ESMA hat das Problem erkannt. Sie legte im Mai 2024 neue Leitlinien für die Benennung von Fonds vor. Ein wesentliches Ziel: „Anleger vor unbegründeten oder übertriebenen Nachhaltigkeitsaussagen in Fondsnamen zu schützen.“ Sprich: Ein Fonds, der in seinem Namen Worte wie „Environmental“, „Impact“ oder „Sustainability“ trägt, darf nicht in bestimmte fossile Unternehmen investieren. Sobald die Reform im Mai 2025 wirksam wird, müssen die Vermögensverwalter solche Fonds umbenennen oder – was wünschenswert für den Klimaschutz wäre – die kritischen Unternehmen aus ihren Portfolios verbannen.

Diese neuen Vorgaben sind ein Fortschritt vor allem für Kleinanleger:innen. Bisher gibt es keinerlei Vorgaben, ab wann klimaschädliche oder anderweitig unethische Investitionen bei ESG-Fonds ausgeschlossen werden müssen. Zwar gibt es ein Regelwerk – die „Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)“ – das setzt allerdings nur Regeln für die Veröffentlichungen der Fondsanbieter, nicht für ihre Investitionen. Die SFDR unterteilt Fonds in drei Schubladen:

  1. Die Schublade „Artikel 8“: Solche Fonds müssen offenlegen, wie sie ökologische oder soziale Themen bei ihrer Geldanlage beachten – hierbei gibt es großen Interpretationsspielraum.
  2. Die Schublade „Artikel 9“: Solche Fonds müssen offenlegen, wie sie ihr nachhaltiges Investitionsziel umsetzen. Das ist schon etwas verbindlicher. Viele bezeichnen daher „Artikel 9“-Fonds, wenn es um ihre ökologischen und sozialen Ambitionen geht, als „dunkelgrün“ und im Vergleich dazu „Artikel 8“-Fonds als nur „hellgrün“.
  3. Die dritte Schublade umfasst den ganzen Rest. Solche Fonds müssen lediglich offenlegen, ob und, wenn ja, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken beachten.

Die leeren Versprechen der Fondsanbieter

Für die privaten Anleger:innen sind diese Regelungen und technischen Details eher verwirrend als hilfreich. Ein Blick in die Datenbank Faire Fonds zeigt außerdem: Es gibt sehr strenge Nachhaltigkeitsfonds, die keinerlei kontroverse Unternehmensbeteiligungen haben und dennoch nur in der vermeintlich „hellgrünen“ Schublade der „Artikel-8-Fonds“ liegen. Gleichzeitig gibt es zahlreiche ESG-Fonds aus der konsequenteren Schublade „Artikel 9“, die trotzdem in expandierende Kohleunternehmen investieren. Orientierung für nachhaltige Geldanlage bietet dieses System nicht.

Zu allem Überfluss zeigen aktuelle Recherchen von urgewald und Facing Finance: Nur etwa ein Drittel der gut 14.500 Artikel 8- und 9-Fonds, die in Ländern der Europäischen Union verkauft werden, ist von der ESMA-Reform betroffen. Denn nur bei ihnen tauchen die von der ESMA vorgegebenen Signalwörter im Namen auf, zum Beispiel „environment“, „social“ oder „transition“.

Und da begegnen wir wieder dem bereits zu Beginn genannten „Carbon Transition“-Fonds von JP Morgan. Der wird nach EU-Schema unter „Artikel 9“ geführt, sollte also irgendein nachhaltiges Investitionsziel haben und darüber berichten. Die Fondsmanager:innen haben bisher allerdings kein Problem mit Investitionen in Ölmultis. Ähnliche Lage beim „Invesco Energy Transition Fund”, ebenfalls ein „Artikel-9-Fonds“. Der investierte zum Recherchestand Ende 2023 in das Kohle-Expansionsunternehmen POSCO aus Südkorea.

Wie Investoren klimaschädliche Anlagen rechtfertigen

Erstaunlich ist: Diese Widersprüche dürften sich auch mit der laufenden Reform für die Benennung von ESG-Fonds nicht auflösen. Denn interessanterweise gehört der Begriff „Transition“ zwar zum neuen ESG-Wörterbuch und hat Konsequenzen für die Investitionen der entsprechenden Fonds. Er führt aber ausgerechnet nicht dazu, dass die Fonds fossile Anlagen verkaufen müssen. Was klimaschädliche Expansion mit „Transition“ zu tun hat, bleibt das Geheimnis der Fondsmanager:innen und der Regulierungsbehörden.

Warum braucht es überhaupt neue Regeln für Nachhaltigkeitsfonds? Warum ist es nicht längst selbstverständlich, dass Investitionen in Kohle oder Öl das Gegenteil von nachhaltig sind? Investoren rechtfertigen solche Geschäfte immer wieder damit, dass sie so in kritischen Dialog mit Unternehmen treten und diese dadurch in eine positive Richtung bewegen könnten. Doch den Beweis, dass ein solches Engagement einen echten Effekt für das Klima hatte, sind die Investoren bisher schuldig geblieben. So dient dieses Scheinargument eher dafür, ohne Hemmungen weiter in renditeträchtige Fossil-Konzerne investieren zu können.

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Durch „kritischen“ Unternehmensdialog allein wird ein Investor nicht grün. Wenn Unternehmen ihren fossilen Expansionskurs beibehalten, muss auf den Dialog ein konsequentes „Desinvestment“ folgen. Sprich: Wenn ein Konzern inmitten der Klimakrise auf Teufel komm raus neue Öl- und Gasfelder erschließt oder seine Kohleverbrennung ausbaut, gehört er bei klimabewussten Investoren auf die Ausschlussliste. Nach dem Prinzip: Wer nicht hören will, wird verkauft. Nur so kann ein Investor fossilfrei werden und gleichzeitig Druck auf die Firmen ausüben.

Deutsche-Bank-Tochter DWS setzt heute weniger auf Kohle

Gemeinsam mit anderen NGOs konnte urgewald in den vergangenen Jahren zahlreiche Investoren dazu bewegen, ihre Regeln zum Umgang mit eben solchen fossilen Unternehmen zu verschärfen. Dass dieser Ansatz wirksam ist, zeigt das Beispiel der Deutsche-Bank-Tochter DWS, einer der größten Fondsanbieter Deutschlands. Während die DWS im Bereich Öl und Gas alles andere als vorbildlich agiert, hat sie immerhin im April 2023 eine Richtlinie eingeführt, die Geschäfte mit der Kohleindustrie zurückfahren soll.

In den Auswertungen von urgewald und Facing Finance zeigt sich ein deutlicher Effekt der DWS-Kohlerichtlinie: Im Herbst 2021 investierte der Vermögensverwalter noch 626 Millionen Euro in Unternehmen, die ihre Kohlegeschäfte ausweiten wollen. Knapp drei Jahre später, im Frühjahr 2024, lag dieser Wert bei 457 Millionen Euro. Ein Rückgang um mehr als ein Viertel. Aktiv gemanagte Fonds, bei denen die Anlageexpert:innen der DWS die Wertpapiere auswählen, investieren nach letztem Stand kaum noch in expandierende Kohlefirmen. Keinerlei Effekt hatte die Richtlinie jedoch auf die meisten der von DWS angebotenen ETFs – dies sind börsengehandelte Fonds, die einen bestehenden Aktienindex nachbilden. Sie sind wegen ihrer geringen Kosten sehr beliebt, haben aber eindeutige Schwächen in Sachen Nachhaltigkeit: Da nur noch der Index zählt und keine Fondsmanagerin die Unternehmenswerte prüft, können ETFs in der Regel keinen hohen Ethikansprüchen gerecht werden. Hier hört der positive Einfluss der DWS-Kohlerichtlinie auf.

Das Beispiel DWS sagt viel aus über die Lage auf den Kapitalmärkten insgesamt: Die Investitionen vieler großer Fondsanbieter sind in den vergangenen Jahren ein gutes Stück grüner geworden. Doch es bleibt noch viel zu tun. Während die USA unter Donald Trump zum Nachhaltigkeits-Totalausfall werden, könnte die Europäische Union nun Flagge zeigen für „grüne Geldanlagen“. Der Moment ist günstig. Während die ESMA-Reform die Regeln für die Benennung von ESG-Fonds schärfen wird, will die EU-Kommission auch die Schubladen „Artikel 8“ und „Artikel 9“ aufmachen und neu sortieren. Was wichtig ist: Künftig sollen Fondsanbieter nicht nur Berichtspflichten haben, es soll erstmals auch Vorgaben für ihre Investitionen geben. Falls der Wurf gelingt, würde das kritische Investitionen in Klimakiller oder menschenrechtsverachtende Unternehmen deutlich einschränken.

ESG: In Zeiten von Trump muss die EU Haltung beweisen

Die EU sollte die Chance nutzen und Anleger*innen endlich mehr Klarheit und Sicherheit bieten: Wer einen ESG-Fonds kauft, sollte sichergehen können, dass darin tatsächlich Unternehmen stecken, die ihr Geld im Einklang mit einem stabilen Klima, einer intakten Umwelt und unter Wahrung von Menschenrechten verdienen. Gerade in Zeiten, in denen Trump die Welt in fossile Geiselhaft nehmen will, sollte die EU Haltung zeigen. Denn auch Trump wird nicht verhindern können, dass grüne Märkte wachsen und sich an der Börse weiter etablieren. Das hat selbst manch ein Republikaner erkannt, der gerne auf preiswerte Solarenergie setzt.

Die Politik sollte für private Anleger*innen die nötige Klarheit schaffen, damit sie diese Märkte stärken und von ihrem Wachstum profitieren können. Auch für ihre Altersvorsorge vertrauen immer mehr Menschen auf Investitionen auf den Kapitalmärkten. Ihnen ist es nicht zuzumuten, die Anlagestrategie ihrer Investmentfonds regelmäßig auf kritische Unternehmenswerte zu kontrollieren. Stattdessen sollten sie bei ESG-Fonds davon ausgehen können, dass ihre Geldanlage einen positiven Unterschied macht. Dass ein Öl-Multi damit nichts zu tun hat, versteht sich von selbst.

 

TIPPS FÜR GRÜNE GELDANLAGEN:

Die Nachhaltigkeits- und Kirchenbanken bieten Fonds mit vergleichsweise hohen Standards an. Darüber hinaus gibt es Fondsanbieter mit hohen Nachhaltigkeitsansprüchen. Orientierung geben die Untersuchungen der Verbraucherzentralen (v.a. VZ Bremen) sowie von Finanztest, außerdem die Verbrauchermessen „Grünes Geld“ und das Magazin ECOreporter. Einen Überblick über sinnvolle Produkte aus ethischer Sicht können Berater*innen des Netzwerks Ökofinanz21 (www.oekofinanz-21.de) bieten, die unabhängig von Anbietern arbeiten. Hilfreich sind zudem die Fonds-Nachhaltigkeitsprofile des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG). Wer überprüfen möchte, wie sein Investmentfonds in Sachen Umwelt, Klima und Menschenrechten abschneidet, dem hilft das von urgewald und Facing Finance angebotene Portal www.faire-fonds.info.

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