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KlimakriseNGOs fordern sozial-ökologische Wende in der Handelspolitik

Ein Hubschrauber fliegt über einem brennenden Wald
Klima- und Umweltschutzfragen werden in globalen Handelsabkommen oft ignoriert – das ist brandgefährlich und heizt die Klimakrise weiter an. (Foto: Getty Images Für Unsplash + /  Unsplash+ License)

Ein NGO-Bündnis fordert von der Bundesregierung eine Wende in der Handelspolitik. Die geopolitischen Konflikte dürften nicht als Vorwand dienen, um soziale und ökologische Standards im deutschen und europäischen Handel zu schleifen.

01.07.2025 – Die zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisieren an der aktuellen Handelspolitik der schwarz-roten Bundesregierung vor allem die drohende Aufweichung des europäischen Lieferkettengesetzes, den geplanten Abschluss klimaschädlicher Handelsabkommen wie das zwischen der EU und dem Mercosur sowie den fortgesetzten Export von in der EU verbotenen Produkten in Länder mit niedrigeren Umwelt- und Verbraucherschutzstandards.

Um dem etwas entgegenzusetzen, haben sie gemeinsam der Bundesregierung zehn konkrete Forderungen vorgelegt – darunter der Stopp von Investor-Staat-Klagerechten, ein Ende der Überschussexporte in den Agrarmärkten sowie einen umfassenden Kapazitätsaufbau für Handelspartner im Globalen Süden. Die unterzeichnenden Organisationen fordern daneben ein Moratorium für neue Freihandelsabkommen, Nachverhandlungen bestehender Verträge und ein klares Bekenntnis zu internationalen Arbeits- und Umweltstandards.

Auch eine stärkere Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure in die Handelspolitik sei unverzichtbar. „Die Bundesregierung muss aufhören, Umwelt- und Arbeitsstandards auf dem Altar des Freihandels zu opfern”, kritisiert Thomas Fritz, Referent für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift. „Der Handelskrieg der USA ist keine Rechtfertigung, um die Errungenschaften des europäischen Green Deals einzukassieren.“ Die Bundesregierung dürfe sich nicht länger hinter geopolitischen Argumenten verstecken, um Konzerninteressen auf Kosten von Umwelt und Menschenrechten durchzusetzen, fordert Hanni Gramann, Handelsexpertin von Attac Deutschland.

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Green Deal in Gefahr

Deutschland ist eine wesentliche Stütze der europäischen Handelspolitik. Diese aber sei in zentralen Aspekten dysfunktional, bemängeln die NGOs. Trotz mancher Reformen blieben soziale Sicherheit, Menschenrechte, Umweltschutz und internationale Gerechtigkeit noch immer auf der Strecke, würden den dominanten Zielen der Marktöffnung und Rohstoffbeschaffung zugunsten europäischer Konzerne unterworfen.

Das zentrale Erfolgskriterium der Europäischen Kommission – eine Steigerung der Handelsströme – sei daher nicht zeitgemäß. Es kollidiere systematisch mit den Zielen deseuropäischen Green Deals, solange ein Großteil der Handelswaren in ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen umweltschädlich hergestellt werde. Als Folge dieser verfehlten Politik sehen die Organisationen eine Verschärfung der Vielfachkrise aus Ungleichheit, Armut, Klimakollaps und Artenschwund.

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„Nur eine Handelspolitik, die fair, ökologisch und demokratisch ist, wird den Herausforderungen unserer Zeit gerecht“, mahnt Ludwig Essig, Koordinator des Netzwerks gerechter Welthandel und Referent für Handelspolitik für das Umweltinstitut München. Die zunehmenden geopolitischen Spannungen – gewaltsame Konflikte, die Verschärfung des globalen Wettbewerbs durch den Aufstieg Chinas und der Handelskrieg der USA – machen eine sozial-ökologische Wende der Handelspolitik keineswegs obsolet, mahnen die NGOs. Völlig kontraproduktiv wären daher die Deregulierungen im Umwelt- und Menschenrechtsbereich, die die Europäische Kommission bereits angestoßen hat und die teils von der Ampelregierung unterstützt wurden. Sie zerstörten die wenigen Fortschritte in der Handelspolitik und werfen die angestrebte Regulierung globaler Lieferketten um Jahre zurück.

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Vor diesem Hintergrund fordern die Organisationen von der neuen Bundesregierung eine nachhaltige Wende in der Handelspolitik und haben dazu folgende 10-Punkte-Liste erstellt:

Fortschrittliche Regulierungen verteidigen

Die neue Bundesregierung muss von der Schwächung der neuen handelspolitischen Instrumente, die Umwelt und Menschenrechten dienen, absehen und diesbezügliche Vorstöße der EU-Kommission zurückweisen. Die Bundesregierung darf einer Verschiebung und Verwässerung des europäischen Lieferkettengesetzes, wie sie die Kommission in ihrem Omnibus-Gesetzespaket vorschlägt, keinesfalls zustimmen. Auch das deutsche Lieferkettengesetz darf nicht durch eine Umsetzung europäischer Vorgaben abgeschwächt werden. Ebenso muss sich die Bundesregierung für eine effektive Durchsetzung der EU-Entwaldungsverordnung in der EU und ihren Partnerländern einsetzen. Die von der Europäischen Kommission geplante Verschiebung des Kohlendioxid-Grenzausgleichs CBAM sollte sie ebenfalls zurückweisen.

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Neue Handelsinstrumente um Kapazitätsaufbau ergänzen

Auch wenn sie unilateral beschlossen wurden, stellen die neuen Handelsinstrumente der EU – Lieferkettengesetz, Entwaldungsverordnung, CBAM – einen Fortschritt dar. Gleichwohl setzen ihre Auflagen vor allem Produzenten in wirtschaftlich schwächeren Ländern häufig unter Anpassungsdruck. Daher muss die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass diese Instrumente um ausreichenden Kapazitätsaufbau ergänzt werden. Exporteure in schwächeren Drittstaaten benötigen finanzielle und technische Hilfe, um ihre Produktion zu dekarbonisieren und künftige CBAM-Abgaben zu sparen. Ebenso benötigen Kleinerzeuger von Kaffee, Kakao oder Palmöl Hilfen, um die Entwaldungsfreiheit ihrer Lieferungen nachweisen zu können. Für die Umsetzung des Lieferkettengesetzes muss die Bundesregierung sicherstellen, dass Berichtspflichten und Kosten nicht auf Vorlieferanten abgewälzt werden. Zusammengenommen können diese Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zur Akzeptanz dieser Instrumente leisten.

Verzicht auf schädliche Handelsabkommen

CDU/CSU und SPD müssen ihre Unterstützung für weitere traditionelle EU-Handelsabkommen aufgeben. Die geplanten Handelsverträge mit dem Mercosur, Mexiko, Indonesien, den Philippinen und Indien bergen erhebliche soziale, menschenrechtliche und ökologische Risiken und dürfen weder unterzeichnet noch weiterverhandelt werden. Denn diese Verträge fördern den Handel mit umwelt- und klimaschädlichen Gütern, die häufig ohne hinreichenden Schutz von Menschen- und Arbeitsrechten produziert wurden.

Ähnliches gilt für die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft, Zentralafrika, Ghana und Côte d'Ivoire. Auch ein Handelsabkommen mit der derzeitigen US-Regierung würde zu erheblichen sozialen und ökologischen Rückschritten führen.

Die neue Bundesregierung muss sich daher auf EU-Ebene für ein Moratorium der Verhandlung neuer umfassender Handelsabkommen aussprechen. Sie sollte sich alternativ für eine neue Generation schlankerer Partnerschaftsabkommen einsetzen, die gezielt schädliche Handelsströme eindämmen, die lokale Wertschöpfung fördern und die sozial- ökologische Transformation in Landwirtschaft, Bergbau und Industrie mit konkreten Maßnahmen unterstützen.

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Durchsetzbare Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechtsnormen

Die neue Bundesregierung muss ergänzend eine Nachverhandlung existierender Handelsabkommen einfordern, um diese mit eigenen Nachhaltigkeitszielen und den internationalen Verpflichtungen Deutschlands und der EU in Einklang zu bringen. Alle Kapitel der Handelsverträge müssen sich am europäischen Green Deal, dem Gender Aktionsplan, den UN-Menschenrechtspakten und Multilateralen Umweltabkommen ausrichten.

Zudem müssen sämtliche Umwelt- und Sozialstandards der Nachhaltigkeitskapitel traditioneller EU-Handelsabkommen sanktionsbewehrt sein. Es genügt nicht, wie es die Kommission in ihrem reformierten Nachhaltigkeitsansatz plant, künftig lediglich Verstöße gegen die ILO-Kernarbeitsnormen und das Pariser Klimaschutzabkommen mit Sanktionen ahnden zu können. Ergänzend muss die Bundesregierung dafür eintreten, dass die Sanktionsoption nicht vom Goodwill der jeweiligen Handelspartner abhängig ist, sondern generell eingeführt und unabhängig durchgesetzt werden kann.

Für solidarische Industriepolitik und globale Dekarbonisierung

Deutschland und die EU müssen ihre Doppelstandards in der Industriepolitik beenden. Mittels Subventionen und Lokalisierungsauflagen wollen sie die europäische Produktion in Branchen wie Wind, Solar, Batterien und Chips ankurbeln. Doch wenn andere Länder ebenfalls grüne Technologien fördern, ergreift die EU handelspolitische Gegenmaßnahmen selbst bei wirtschaftlich schwächeren Staaten. Dies behindert jedoch eine gerechte globale Dekarbonisierung.

Daher muss die neue Bundesregierung darauf hinwirken, dass schädliche Gegenmaßnahmen unterbleiben, und stattdessen grüne Subventionen, Lokalisierungsauflagen, Technologie- und Wissenstransfers in Partnerländern unterstützen. Daneben sollte sie dafür Sorge tragen, dass die von der EU geplanten Clean Trade and Investment Partnerships (CTIPs) die technologische Kluft zwischen der EU und Partnerländern des Globalen Südens schließen helfen.

Für Rohstoffgerechtigkeit und faire Partnerschaften

Die neue Bundesregierung muss sich für eine Rohstoffwende einsetzen, die auf Ressourcengerechtigkeit, eine Reduktion des Rohstoffverbrauchs und den Ausbau der Kreislaufwirtschaft abzielt. Die proklamierten Ziele strategischer Rohstoffpartnerschaften, die Umwelt- und Sozialstandards im Bergbau und höhere Wertschöpfung in Partnerländern umfassen, werden von den Energie- und Rohstoffkapiteln der EU-Handelsabkommen konterkariert. Denn diese behindern staatliche Regulierung und verbieten Exportbeschränkungen und Lokalisierungsauflagen. Zudem untergraben sie das Recht indigener Gemeinschaften auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC).

Daher muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass diese restriktiven Handelsregeln entfallen und faire Rohstoffpartnerschaften geschlossen werden, die in den Förderländern lokale Wertschöpfung, Umwelt- und Arbeitsschutz sowie die Rechte betroffener Gemeinschaften sicherstellen.

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Schluss mit Klageprivilegien und Beendigung von BITs

Die neue Bundesregierung muss sich für ein Ende von Investor-Staat- Schiedsverfahren (ISDS) in EU-Handelsabkommen und bilateralen Investitionsabkommen (BITs) einsetzen. Denn diese Klageprivilegien für ausländische Investoren schwächen die nationalen Rechtssysteme und engen sowohl in Deutschland als auch in Partnerländern durch potenziell hohe Entschädigungen den Handlungsspielraum für eine gerechte sozial-ökologische Transformation ein. So wird Deutschland derzeit von ausländischen Investoren auf zwei Milliarden Euro Entschädigung verklagt.

Nach dem Ausstieg Deutschlands und der EU aus dem Energiecharta-Vertrag und der Aufkündigung der intra-EU-BITs muss ISDS auch gegenüber anderen Ländern entfallen. Denn ein Klageprivileg, das die EU für die eigene Rechtsordnung ablehnt, kann Deutschland nicht gegenüber Drittstaaten aufrechterhalten. Hinzu kommt, dass nach immer mehr juristischen Einschätzungen die deutschen BITs gegen das EU-Recht verstoßen. Konsequenterweise muss die Bundesregierung auch ihre Unterstützung für einen multilateralen Investitionsgerichtshof aufkündigen.

Preisdumping im Agrarhandel beenden

Die deutsche und europäische Handelspolitik stützt ein Agrarsystem, das die Ernährungssicherheit gefährdet. EU-Betriebe exportieren subventionierte Überschüsse von Getreide, Milch und Fleisch nach Afrika, Lateinamerika und Asien und verdrängen dort lokale Erzeuger. In der EU wiederum setzen – neben den Einzelhandelsketten – die kumulierten Zollsenkungen mehrerer Handelsabkommen die nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft unter Preisdruck. Daher können meist nur Betriebe überleben, die auf großen Flächen intensiv produzieren.

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