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Kritische RohstoffeProteste gegen Lithiumförderung in Serbien

Flussinsel auf der Drina, Loznica, Serbien
Flussinsel auf der Drina, Loznica, Serbien. (Bild: Rasevic / CC BY 3.0)

In Serbien protestierten in den vergangenen Monaten tausende Menschen gegen eine geplante Lithium-Mine im Tal des Flusses Jadar. Das Projekt könnte katastrophale Folgen für die Umwelt haben und wirft die Frage auf, ob nachhaltiger Bergbau möglich ist

20.01.2021 – In der Nähe der Stadt Loznica im Westen Serbiens wird eine der größten Lithiumquellen Europas vermutet. Der britisch-australische Konzern Rio Tinto will das serbische Jadariterz, das die kritischen Rohstoffe Lithium und Bor enthält, im großen Stil fördern und vor Ort verarbeiten.

Umweltschützer befürchten katastrophale Folgen für das Jadar-Tal durch das Bergbauvorhaben. Sie kritisieren das rigorose und intransparente Vorgehen des Konzerns Rio Tinto. Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen organisierten deshalb Großdemonstrationen gegen das Vorhaben.

Serbiens Regierung steht hingegen hinter dem Projekt, und auch die EU befürwortet die Förderung von kritischen Rohstoffen in Europa. Der Fall zeigt, wie Klimawende und lokaler Umweltschutz in Konflikt geraten können.

Umstrittene Minen

Der globale Bergbaukonzern Rio Tinto hat in den vergangenen 15 Jahren bereits über 200 Millionen US-Dollar investiert, um Explorationen im Jadar-Tal durchzuführen und Land im Umkreis aufzukaufen. Zu Beginn dieses Jahres sollte nun der Bau der Mine beginnen. Umweltorganisationen und lokale Bürgerinitiativen in Serbien fürchten, dass Land und Gewässer verseucht werden. Sie forderten deshalb den vorläufigen Stopp des Projekts. Zudem wollen sie erreichen, dass Absprachen zwischen Rio Tinto und der serbischen Regierung sowie Machbarkeits- und Umweltstudien öffentlich gemacht werden.

Die Umweltgefahren des Jadar-Projekts scheinen erdrückend. In den vergangenen Jahren, in denen Rio Tinto bereits Explorationen in der Jadar-Region vorgenommen hat, stellten sich immer mehr Institutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen gegen das Projekt. Dazu gehören das serbische Zentrum für Ökologie und nachhaltige Entwicklung (CEKOR), die Koalition für nachhaltigen Bergbau, Serbien (KORS) sowie zahlreiche Bürgerinitiativen wie Ne damo Jadar, Allianz der Umweltorganisationen von Serbien (SEOS) und Kreni-promeni. Letztere gehören zu den Hauptorganisatoren der Proteste.

Sie argumentieren, dass über 15.000 landwirtschaftliche Betriebe vor Ort und sämtliche Anwohner der umliegenden Gemeinden akut von dem Projekt bedroht werden. Bürger vor Ort befürchten, dass die Mine Wasser und Land kontaminieren und das Land unfruchtbar machen wird. Konkret bemängeln sie vor allem die Intransparenz des Projekts, unabsehbare Umweltfolgen und mangelnde Information der Bevölkerung. Rio Tinto habe entscheidende Informationen über die Technologien zur Lithiumgewinnung und -verarbeitung nicht offengelegt und es sei unklar, wie sich die Förderung auf Anwohner und Umwelt auswirke. Die geplante Mine würde in vier geschützte oder teilweise geschützte Gebiete im Jadar-Tal reichen, die durch die Förderung, Lagerung und Infrastruktur einer großen Mine unweigerlich beeinträchtigt würden.

Das CEE Bankwatch Network hat das Projekt in einer Fallstudie untersucht und festgestellt, dass die vorliegenden Raumordnungspläne und Umweltprüfungen keinerlei Angaben über die Förder- und Abfallmengen des geplanten Bergbaus enthalten. Auch fehlten Informationen dazu, wie viel Wasser aus den umliegenden Flüssen Jadar und Drina verbraucht würde und wie sich beides auf die umliegenden Gebiete auswirke. Weiter sei nicht ersichtlich, wie die chemischen Anlagen gesichert würden. Für bekannte Verfahren, die Lithium aus Erzen extrahieren, werden hohe Konzentrationen an giftigen Chemikalien wie Schwefelsäure sowie große Wassermengen benötigt.

Bürger demonstrieren landesweit gegen das Bergbauvorhaben

Serbiens Regierung unterstützt das Bergbauprojekt, das Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum verspricht. CEE Bankwatch zufolge unterstütze sie das Bergbauvorhaben erheblich und habe das Projekt als nationales Interesse klassifiziert. Genehmigungen seien erleichtert worden und die lokale Infrastruktur solle zur Unterstützung des Vorhabens ausgebaut werden. Dafür schuf die Regierung Ende 2020 sogar ein eigenes Regierungsgremium. Gegen die Einstufung als öffentliches Interesse hat die serbische Koalition für nachhaltigen Bergbau (KORS) eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Medienberichten zufolge übte Rio Tinto erheblichen Druck auf die Anwohner aus, ihre Grundstücke zu verkaufen, und soll mit Enteignung gedroht haben. Die serbische Regierung hatte zuletzt zudem versucht, per Gesetz Enteignungen zu vereinfachen. Nach großen Protesten Ende 2021 und Anfang 2022, bei denen Demonstranten auch nationale Straßen blockierten, zog die Regierung das Gesetz zur Enteignung nun vorläufig zurück. Rio Tinto kündigte zuletzt an, das Projekt pausieren zu wollen. Premierministerin Ana Brnabic verkündete Anfang der Woche das Jadar-Projekt werde zeitnah aus dem nationalen Raumordnungsplan gestrichen, aber einen Termin gibt es nicht. Verschiedene Medienstimmen bringen die derzeitige Haltung der Regierung mit den anstehenden Wahlen in Serbien in Verbindung und zweifeln an einem nachhaltigen Sinneswandel.

Die grüne Wende braucht kritische Rohstoffe

Lithium gehört zu den sogenannten kritischen Rohstoffen, die für die Technologieproduktion benötigt werden, im Besonderen für Batterien. Aufgrund der derzeit weltweit stark steigenden Nachfrage wird das Leichtmetall auch weißes Gold genannt. Das Vorkommen des Erzes in Serbien wird Presseberichten zufolge auf etwa 200 Millionen Tonnen geschätzt. Sollte sich dies bewahrheiten, liegt im Jadar-Tal eines der größten Lithiumvorkommen der Welt. Sollte es gefördert werden, könnte es 10 Prozent des weltweiten Lithiumbedarfs decken.

Die EU-Kommissionen geht davon aus, dass für Elektrofahrzeugbatterien und Energiespeicherung, verglichen mit der derzeitigen Versorgung der gesamten EU-Wirtschaft, 2030 bis zu 18-mal mehr Lithium und 5-mal mehr Kobalt benötigen würde. Die Lithiumförderung in Europa ist noch im Entstehen, weitere Minenprojekte sind in Portugal und Spanien geplant. Auch dort gibt es Proteste aus der Bevölkerung. Die Bergbauprojekte stoßen vor Ort mit gutem Grund auf Ablehnung, denn Umweltschäden sind kaum zu vermeiden.

Zurzeit importiert die EU fast ihren gesamten Bedarf an Lithium aus dem Ausland. Der größte Teil stammt aus Chile, wo es unter ähnlich bedenklichen Bedingungen gefördert wird. Das europäische Parlament hat erst im vergangenen November in einer Entschließung eine EU-Strategie für die Versorgung mit kritischen Rohstoffen gefordert. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und den Green Deal zu verwirklichen, müssten kritische Rohstoffe EU-intern gefördert und verarbeitet werden.

Der hohe Rohstoffverbrauch ist allerdings kein Phänomen der grünen Wende.  Die Industriegesellschaften verbrauchen bereits seit über einem halben Jahrhundert immer mehr davon. Neben Elektroartikeln, Windkraft- und Solaranlagen ist einer der größten Treiber des Rohstoffhungers der Individualverkehr. Eine echte Verkehrswende müsste so auch zur Rohstoffwende werden. Denn lokaler Umweltschutz, Rohstoff- und Verkehr- und Klimawende müssen zusammengedacht werden. jb


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