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TreibhausgasemissionenSteigerung in fast allen Bereichen

Rauchendes Kohlekraftwerk mit Aufschrift "RWE"
Kohlekraftwerke, wie die von RWE, liefen 2021 auf Hochtouren und trugen zu erheblichen Emissionssteigerungen bei. (Josef Juchem, pixabay, Public Domain)

Energie, Verkehr, Industrie – fast überall stiegen die Emissionen 2021 in Deutschland gegenüber dem Vorjahr. Expert:innen üben deutliche Kritik. Ein radikaler Umschwung sei nötig, für sozial gerechten Klimaschutz und Energieunabhängigkeit.

15.03.2022 – Insgesamt 762 Millionen Tonnen Treibhausgase wurden 2021 in Deutschland freigesetzt. Dies geht es aus aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) hervor, die gestern veröffentlicht wurden. Das sind gut 33 Millionen Tonnen oder 4,5 Prozent mehr als 2020. Der Anstieg der Treibhausgasemissionen habe sich leider abgezeichnet, sagte Patrick Graichen Klimastaatsekretär im Bundeswirtschaftsministerium bei der Veröffentlichung der Zahlen und kündigte an, dem mit einem Klimaschutz-Sofortprogramm entgegenzuwirken.

UBA-Präsident Dirk Messner erklärte: „Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 2020 ist fast zur Hälfte schon wieder verloren. Unsere Zahlen zeigen deutlich, dass die Ziele der Bundesregierung schnellstens angegangen werden müssen.“ 2020 wurden noch 70 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase ausgestoßen als 2019. Für 2020 konnte die damalige Bundesregierung damit ihr Klimaziel erreichen. Doch dafür waren vor allem die Corona-Pandemie und tiefe wirtschaftliche Einschnitte verantwortlich und weniger Anstrengungen der Regierungsverantwortlichen. 2021 wurden bei Energie, Verkehr und Industrie wieder deutliche Zuwächse verzeichnet.

Energie

Fehlender Klimaschutz, ein Hochlauf der Wirtschaft, teures Gas und ungewöhnlich schlechte Erträge bei den Erneuerbaren Energien sorgten im Energiesektor für erhebliche Emissionssteigerungen gegenüber dem Vorjahr, mit einem Plus von 12,4 Prozent, was rund 27 Millionen Tonnen Treibhausgase mehr und insgesamt rund 247 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente bedeuteten. Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien sank um sieben Prozent, vor allem aufgrund schlechter Windverhältnisse. Zugleich stieg der Gaspreis und als Ersatz liefen Braun- und Steinkohlekraftwerke auf Hochtouren, was die deutlichen Emissionssteigerungen erklärt.

„Die Zahlen machen die Dringlichkeit des Erneuerbaren-Ausbaus noch einmal überdeutlich“, sagte Kerstin Andreae, vom Bund der Energie- und Wasserwirtschaft. Die Bundesregierung müsse alle ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen, um den Ausbau der Erneuerbaren massiv voranzutreiben, so Andreae weiter. Graichen erklärte: „Wir müssen es schaffen, dreimal so viele Kapazitäten wie bisher zu installieren, um den Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu steigern.“

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie, wies jedoch darauf hin, dass die bisherigen Vorschläge, zum Beispiel im Referentenentwurf der neuen EEG-Novelle, hinter den klima- und inzwischen auch sicherheitspolitischen Notwendigkeiten, im Zuge der Ukraine-Krise zurückblieben. „Es braucht jetzt eine Neujustierung der Energiepolitik, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien in ihrer gesamten Technologiebreite beschleunigt und die Versorgung mit fossilen Energieträgern deutlich reduziert. Die Brücke Erdgas hat sich als Illusion erwiesen“, so Peter.

Laut Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, helfe jetzt vor allem eines: ein steigender CO2-Preis. „Keinesfalls darf daher die Obergrenze im EU-Emissionshandel aufgeweicht werden. Bleibt diese Obergrenze hart, steigen bei einem Mehreinsatz von Kohle nicht die Emissionen, sondern es steigt der CO2-Preis – und das macht die nötigen Investitionen in saubere Energien wie Erneuerbare und Wasserstoff schneller lohnend. Aber natürlich brauchen wir dann einen massiven Sozialausgleich für einkommensschwache Haushalte“, so Edenhofer.

Verkehr

Soziale Aspekte gelte es auch im Verkehrssektor stärker ins Blickfeld zu nehmen, forderte etwa der ökologische Verkehrsclub VCD. Einkommensschwache Haushalte, die besonders von hohen Energiepreisen betroffen sind, müssten gezielt entlastet werden. „Statt die Pendlerpauschale zu erhöhen, von der im Wesentlichen Besserverdienende profitieren, sollte ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld eingeführt werden“, sagte die VCD Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann. Auch der Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner nach einem Tankrabatt, stößt auf deutliche Kritik, da dieser ebenfalls vor allem Gutverdienenden zugutekommen würde.

Im Zuge des Krieges in der Ukraine, stiegen die Benzin- und Dieselpreise noch einmal deutlich an. Was zu einer weiter verringerten Nutzung des Autos führen könnte. Auch im letzten Jahr lag der Pkw-Verkehr weiterhin niedriger als vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019. Das zeigen Absatzzahlen für Kraftstoffe und Zählstellen an Straßen. Und dennoch stiegen die Emissionen 2021 gegenüber dem Vorjahr, was vor allem am Straßengüterverkehr lag, der auf ein höheres Niveau als vor Corona stieg. Insgesamt 148 Mio. Tonnen CO-Äquivalente und 1,2 Prozent mehr als 2020 wurden im Verkehrssektor 2021 ausgestoßen.

Alternative nachhaltige Antriebe, dort wo möglich und nötig, sowie den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel seien nun, begleitend von einem raschen Ausbau der Erneuerbaren Energien, geboten, fordert der VCD von Bundesverkehrsminister Volker Wissing. Der Think Tank Agora Verkehrswende verwies auf wirksame Instrumente wie ambitionierte CO2-Flottengrenzwerte für Pkw auf EU-Ebene und eine Reform der Steuern, Abgaben und Subventionen – von Kfz-Steuer und Dieselprivileg bis Pendlerpauschale und Dienstwagenbesteuerung.

Zudem plädieren Nicht-Regierungsorganisationen, aber auch viele politisch Verantwortliche für die sofortige Einführung eines Tempolimits in Deutschland. Laut Umweltbundesamt würde ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen eine jährliche Einsparung von 2,6 Millionen Tonnen CO2 bringen. Eine Verringerung der Höchstgeschwindigkeiten auf Landstraßen von 100 auf 80 km/h würde zusätzlich 1,3 Millionen Tonnen CO2-Ersparnis im Jahr bringen.

Industrie

Im Gegensatz zum Verkehr, wurden im Industriebereich die für die Klimaschutzziele festgesetzten Jahresemissionsmengen 2021 zwar nicht überschritten, dennoch stiegen die Emissionen um rund 9 Millionen Tonnen gegenüber dem Vorjahr. Für insgesamt 181 Millionen CO2-Äquivalente war der Industriesektor im letzten Jahr verantwortlich. Aufholende Konjunktureffekte in Folge der Corona-Krise und ein vermehrter Einsatz fossiler Brennstoffe trugen maßgeblich dazu bei.

Mit sogenannten Klimaschutzverträgen will die Bundesregierung kurzfristig helfen, Investitionen in eine klimafreundliche Industrie zu stärken und abzusichern. Diese dürften aber nur eine Übergangslösung sein, bis klimafreundliche Technologien gegenüber den fossilen wettbewerbsfähig sind, forderte etwa der Think Tank Agora Industrie. Dafür brauche es unter anderem eine Reform der CO2-Bepreisung.

Gebäude

Im Gebäudebereich ist es umgekehrt. Zwar kam es 2021 zu einer Emissionsminderung von knapp 4 Millionen Tonnen auf rund 115 Millionen Tonnen CO-Äquivalenten gegenüber dem Vorjahr, doch die laut Klimaschutzgesetz erlaubte Jahresemissionsmenge wurde um zwei Millionen Tonnen überschritten. Der Erdgasverbrauch stieg witterungsbedingt an. Beim Heizöl dagegen kam es zu verringerten Einkäufen, weil die Lager bereits zuvor aufgestockt wurden, was zu Emissionsminderungen beitrug.

UBA-Präsident Messner forderte eine schnelle Unabhängigkeit von Öl und Gas. „Unsere Gebäude müssen wir auf Wärmepumpen umstellen und so schnell wie möglich aufhören Öl- und Gasheizungen einzubauen. Bei unseren Häusern können wir auch mit Energiesparen noch einiges erreichen, vor allem indem wir sie besser energetisch sanieren. Das hilft auch gegen unsere Energieabhängigkeit von Russland“, so Messner.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kündigte an juristische Schritte zu prüfen, sollten im für Ostern angekündigten Sofortprogramm Klimaschutz der Bundesregierung wirksame Maßnahmen für den Gebäudesektor fehlen. „Die größten Herausforderungen liegen in der Bestandssanierung. Wir brauchen deshalb eine Fördersystematik, die gezielt die Sanierung anreizt, ordnungsrechtliche Vorgaben, um die ineffizientesten Gebäude – angefangen bei öffentlichen Gebäuden – zuerst klimazielkompatibel zu sanieren sowie ein sofortiges Verbot des Einbaus von fossilen Heizungen im Neubau“, forderte Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH. mf


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