Klimaziele und Demokratie: Unternehmen fordern Hilfe zur grünen Transformation
Über 50 deutsche Unternehmen haben sich in einem Appell auf Initiative der Stiftung KlimaWirtschaft an die Politik gewendet. Sie sehen die Transformation zur Klimaneutralität als Chance, um weiterhin wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
30.01.2024 – Mit ihrem Appell Die Transformation als Jahrhundertprojekt bekennen sich die Unternehmen zum Standort Deutschland und den Klimazielen. „Das wirtschaftliche Überleben des Standorts Deutschland hängt auch davon ab, ob wir das Ziel der Klimaneutralität erreichen“, betonen sie darin. Sie fordern einen Schulterschluss der demokratischen Parteien, der langfristige Transformationsprozesse und Investitionsentscheidungen der Wirtschaft ermöglichen müsse.
„Unser Wirtschaftsmodell steht so sehr unter Druck wie seit Jahrzehnten nicht“, heißt es im Papier. Die Ereignisse und Krisen der letzten Jahre hätten viele Versäumnisse in der deutschen Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik wie durch ein Brennglas verstärkt: Das biete Raum für soziale Sprengkraft. „Die neue Rechte macht sich dies zunutze und bedroht neben unserer Demokratie auch unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“, warnen die Akteure.
„Als Unternehmen optimieren wir konsequent unsere Geschäftsmodelle und investieren in nachhaltige Prozesse und Lösungen. Die Kombination aus gutausgebildeten Fachkräften, Ingenieurskunst und Kreativität gibt uns in Deutschland alle Möglichkeiten, in der globalen Transformation eine entscheidende Rolle zu spielen“, betont das Unternehmensbündnis.
Doch weder Regierung noch Opposition gelinge es derzeit, diese Chance für Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz, gute Jobs und Wohlstand zu vermitteln. Stattdessen lähme die herrschende Stimmung die Reformbereitschaft im Land. „Andere Staaten wie China und die USA investieren gewaltige Summen in die Transformation. Bei uns dagegen herrschen Unsicherheit und Skepsis“, mahnen die Unternehmer.
Transformation zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft
Deshalb benötige man dringend ein wirtschaftspolitisches Leitbild, das einen Rahmen für Unternehmertum in einem klimaneutralen Deutschland setzt. Der von der Stiftung KlimaWirtschaft initiierte Appell fordert die Bundesregierung auf, eine Transformationskommission einzuberufen. Die Wirtschaft brauche wettbewerbsfähige Energiepreise und eine Weiterentwicklung der Schuldenbremse sowie eine vollumfängliche digitalisierte Verwaltung. Außerdem brauche sie einen Transformations- und Energiekonsens aller demokratischer Parteien, mehr staatliche und private Investitionen in die Klimaneutralität und einen sozialverträglichen Hochlauf grüner Märkte.
„Die Vielzahl und Breite der beteiligten Unternehmen, die sich für die Transformation und klar gegen rechtsextreme Parolen positionieren, sind ein entschiedenes Signal für die Reformbereitschaft und den Optimismus Deutschlands in dieser herausfordernden Zeit“, kommentiert Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft, den Appell. Die Politik müsse jetzt klare Perspektiven für den klimaneutralen Standort Deutschland aufzeigen, staatliche Investitionen verlässlich und langfristig gestalten und Planungssicherheit für Infrastruktur und Energiepreise gewährleisten. „So schaffen wir neue Wachstumsperspektiven und halten rechtsextreme politische Ränder klein“, meint Nallinger. „Deutschland verfügt über alle Möglichkeiten, in der globalen Transformation eine entscheidende Rolle zu spielen. Vor uns liegen große Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, dass wir alle mitnehmen.”
Klimaneutralität wird Business-Case
„Ziel muss es sein, eine wirtschaftlich und sozial verträgliche Transformation in die Wege zu leiten, die zu einer konsequenten Reduzierung der CO2-Emmissionen führt, ohne unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu schaden“, ergänzt der Präsident der Stiftung KlimaWirtschaft und Vorsitzender des Aufsichtsrates der Otto Group, Michael Otto. Dazu brauche es einen konstruktiven, alle Betroffenen integrierenden, ideologiefreien Diskurs. Klimaneutralität sollte dabei „zu einem Business-Case werden, das Wachstum und Wohlstand fördert, motiviert und überzeugt.“
EnBW-Vorstandsvorsitzender Andreas Schell sieht auch die Energiewende in einer kritischen Phase. „Das Projekt Energiewende bietet große Chancen für Innovationen, Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Deutschland“, betont er. „Als Unternehmen gehen wir mit hohen Investitionen in Vorleistung, brauchen aber eine koordinierte Planung und einen klaren Förderrahmen. Wir müssen sicherstellen, dass private Investoren weiter ihr Geld in die Energiewende stecken.“ Die Menschen wären dabei der wichtigste Erfolgsfaktor.
„Nur die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft bietet dauerhaft sichere Wertschöpfung und damit eine stabile Grundlage für unsere freiheitliche Demokratie, sagt Oliver Hummel, Vorstandsvorsitzender des Ökoenergie-Versorgers naturstrom AG. „Um diese Transformation konsequent weiterzuführen, brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen und deutlich schlankere Verwaltungsprozesse. Nur wenn alle die Chance haben zu profitieren, wird die Energiewende als generationenübergreifendes Infrastrukturprojekt zu einem wahren Erfolg.“
Langfristig und verlässlich planen
Transformationsprozesse und die notwendigen Investitionsentscheidungen sind auf 20, 30 oder 40 Jahre angelegt und könnten nicht nach jedem Regierungswechsel angepasst oder gar revidiert werden, heißt es im Appell. „Gemachte Zusagen können und dürfen nicht zurückgenommen werden. Die Politik muss jetzt die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen planbar, konsequent und im Einklang mit den deutschen Klimazielen gestalten“, fordern die Unternehmen.
Effiziente Regulierungen und Standards würden Unsicherheiten reduzieren. „Deshalb fordern wir einen effektiven CO2-Preis und grüne Leitmärkte. Diese müssen international harmonisiert werden, damit Europa nicht die Wettbewerbsfähigkeit verliert. Die Anstrengungen, einen einheitlichen CO2-Preis international einzuführen, müssen intensiviert werden.“ In die öffentliche Beschaffung und staatliche Kapitalanlagen sollten nach Meinung der Wirtschaftsakteure einheitliche Nachhaltigkeitsstandards als Pflichtkriterien für die Vergabe aufgenommen werden. na