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EnergiekolonialismusWarnung vor dem Wasserstoff-Hype

Fischerboote in einem kleinen marokkanischen Hafen
Mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff soll aus verschiedenen Ländern der Welt nach Europa importiert werden. Vor Ort bedeutet das starke Eingriffe in Landschaft und Infrastruktur. (Foto: M. Bouyenzar auf Wikimedia / CC BY 3.0)

Milliarden Euro will Europa in Infrastruktur und Produktion von Wasserstoff investieren. Große Mengen des Wundergases sollen importiert werden. Dahinter stehen fossile Lobbyinteressen, die schmutzige Kehrseite dieser Politik wird ausgeblendet.

27.03.2023 – Grüner Wasserstoff in großen Mengen ist ein zentrales Element für die europäische Klima- und Industriepolitik. Energieintensive Prozesse in der Industrie sollen zukünftig mit Wasserstoff laufen, aber auch Mobilität und Wärme sind hungrige Abnehmer des Energieträgers. Wird Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien hergestellt, ist er immerhin nahezu klimaneutral, seine schlechte Wirkungsgradbilanz kann er damit aber nicht aufmöbeln.

Die EU bastelt an einer großvolumigen Wasserstoffstrategie nebst eigener Wasserstoffbank, Deutschland hat in den letzten Monaten bereits Allianzen und Partnerschaften zum Import geschmiedet. Denn die benötigten Mengen können keineswegs in Europa, geschweige denn in Deutschland, hergestellt werden.

Die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) warnt in einem aktuellen Report vor den Schattenseiten dieser Pläne. Deutschland wird voraussichtlich zwei Drittel seines künftigen Bedarfs durch Importe decken und damit Europas größter Importeur werden. Nach anfänglichen 900 Millionen Euro stellt die Bundesregierung inzwischen über 4 Milliarden Euro für das Förderprogramm H2Global bereit, um Exporte von grünem Wasserstoff nach Deutschland anzukurbeln.

Koloniale Muster

Die grünen Wasserstoffprojekte im Ausland folgen kolonialen Mustern, heißt es im Report. Ressourcen werden angeeignet, Umweltschäden und Energieknappheit ausgelagert. Konflikte um Land- und Wassernutzung zeichnen sich bereits ab. Die Lebensgrundlage von Fischerei-Gemeinschaften gerät durch den Bau riesiger Häfen und anderer Exportinfrastruktur sowie durch die Abfälle von Entsalzungsanlagen in Gefahr. Entsalzungsanlagen werden benötigt, um Wasser für die Produktion von grünem Wasserstoff in trockenen Regionen zu gewinnen.

Ein besonders schockierendes Beispiel für Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhangmit grünen Wasserstoffprojekten ist die von Saudi-Arabien geplante Megastadt Neom, in der Thyssenkrupp einen Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff für den Export installieren wird. Menschen wurden gewaltsam von ihrem Land vertrieben, um Platz für Neom zu schaffen. Mehrere Demonstranten wurden wegen ihres Widerstands gegen die Vertreibung zum Tode verurteilt, einer von ihnen wurde im April 2020 von Sicherheitskräften erschossen. Trotzdem sieht die deutsch-saudische Wasserstoffkooperation von 2021 gemeinsame Projekte in Neom vor. Solche Kooperationen stärken autoritäre Regime im Namen der Nachhaltigkeit.

Megaprojekte ohne Teilhabe

Wasserstoffprojekte im globalen Süden sind in der Regel zentralisierte Megaprojekte ohne wirkliche Beteiligung der Menschen vor Ort. Bei einer Bestandsaufnahme in 27 zumeist afrikanischen Ländern konnte kein einziges Wasserstoffprojekt ermittelt werden, bei dem die Bevölkerung vor der Entscheidung über die Durchführung konsultiert wurde. Von solchen Top-down Prozessen wird wahrscheinlich nur eine kleine politische und wirtschaftliche Elite profitieren.

Die Lobbybeobachter aus Brüssel konstatieren, dass hinter Deutschlands Wasserstoff-Boom ein breites Netz von Konzernen, Industrieverbänden und Beratungsfirmen steht. Viele von ihnen kommen aus der fossilen Industrie oder sind mit anderen umweltschädlichen Sektoren verbunden. Sie springen auf den Wasserstoff-Zug auf, um klimaschädliche Infrastruktur sowie Produktions- und Konsummodell abzusichern.

Der Chemieriese BASF beispielsweise, ein großer Nutzer und Hersteller von fossilem Wasserstoff, hatte im Jahr 2021 ein Lobbybudget von 3,8 Millionen Euro und beschäftigt 24 Lobbyist:innen. Deutschlands größter Energie-Lobbyverband BDEW – seine Mitglieder sind
für 90 Prozent des fossilen Gasabsatzes in Deutschland verantwortlich und setzen auf Wasserstoff, um im Geschäft zu bleiben – hat 51 Lobbyist:innen und ein Lobbybudget von 7,1 Millionen Euro. Diese Lobbymacht wird eingesetzt, um Regulierungsprozesse zu beeinflussen.

Wie frühere Regierungen gewährt auch die aktuelle Koalition aus SPD, Grünen und FDP der
Gaslobby, einer treibenden Kraft hinter dem Wasserstoff-Hype, privilegierten Zugang. Von Dezember 2021 bis September 2022 trafen sich hochrangige Regierungsvertreter im Durchschnitt einmal täglich mit Vertretern der Gaslobby. Dabei fanden auch mehrere Gespräche hinter verschlossenen Türen über Wasserstoff statt.

Blauer Wasserstoff ist schlimmer als Nichtstun

Der jüngste Richtungswechsel Deutschlands hin zu blauem Wasserstoff ist einer der größten Erfolge der Wasserstofflobby. Im Gegensatz zur Wasserstoffstrategie von 2020 sieht die überarbeitete Fassung ausdrücklich die Verwendung und öffentliche Förderung von blauem Wasserstoff vor. Blauer Wasserstoff wird aus fossilen Energien hergestellt und das entstehende Kohlendioxid abgeschieden und gespeichert.

Projekte zum Import von blauem Wasserstoff und seinen Derivaten sind bereits in Planung, zum Beispiel mit Norwegen und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Da die Klimabilanz von blauem Wasserstoff schlechter ausfallen kann als bei der klassischen Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, besteht die Gefahr, dass die Hinwendung zu blauem Wasserstoff zu insgesamt höheren Emissionen führt. Einige Expert:innen halten Investitionen in blauen Wasserstoff für schlimmer als Nichtstun beim Klimawandel – nicht zuletzt aufgrund der Ausweitung und des ‚Lock-ins’ von fossiler Infrastruktur.

Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass der sich abzeichnende Wasserstoff-Kolonialismus von EU und Deutschland weder globaler Gerechtigkeit noch dem Anliegen nach Energiedemokratie gerecht wird – und auch nicht seinem Hauptversprechen: einen Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise zu leisten. Stattdessen bestehe die reale Gefahr, dass der Wasserstoff-Hype wichtige Schritte zur Dekarbonisierung der Wirtschaft verzögert, darunter die Steigerung der Energieeffizienz bei Gebäuden, die Transformation der Landwirtschaft und die Verringerung des Verkehrs. pf


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Kommentare

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Juri Hertel 27.03.2023, 12:35:27

Danke fuer die Hintergrundinfos.

Wasserstoff ist als Energietraeger sehr teuer, wir sollten uns bei der Suche nach den Strippenziehern auf die Finanzen konzentrieren. Always follow the money ...

 

Die Ruestungsindustrie hat beinahe unbeschraenkte Prokura ueber die Staatshaushalte, Kosten spielen keine Rolle.Ausschliesslich der Umverteilungsfaktor 'von unten nach oben' ist ausschlaggebend fuer deren Interesse am Wasserstoff.

Der A-Bombenhersteller Raythenon hat eine Briefkastenfirma in Cork/Irland gegruendet um mit diesem Lobbytool Wasserstofftankstellen global zu installieren, autonome Waffensysteme ( https://www.collinsaerospace.com/what-we-do/capabilities/autonomous-operations) sollen damit versorgt werden:

 

https://www.collinsaerospace.com/news/news/2023/03/collins-aerospace-to-lead-the-development-of-thermoplastics-for-liquid-hydrogen-tanks

 

Den Krieg ums Oel damit zu befeuern ist kein Problem, eine halbe Millionen tote jemenitische Kinder interessiert Raythenon nicht.Die unterbildten Iren werden hinters Licht gefuehrt,Raythernon arbeitet mit der staatlichen irischen Stromgesellschaft zusammen um ueber die Foerderung dieses Morwerkzeugs die Voelker zu enteignen:

 

https://esb.ie/media-centre-news/press-releases/article/2022/11/22/esb-and-the-shannon-airport-group-sign-mou-to-explore-hydrogen-potential-in-ireland

 

Shannon ist ein Privatflughafen der der Ruestungsindustrie ebenso dient wie der CIA(Folterfluege):

 

https://www.facebook.com/SToPIreland

 

Es geht um fluessigen Wasserstoff fuer autonome Waffensysteme,

um nichts anderes.Das Volk bezahlt seine Henker, die Politik macht hinter verschlossenen Tueren die Staatskoffer auf.

Im Jemen pausiert der Krieg im Moment,China tritt als Vermittler auf.Das Land der aufgehenden Sonne hat kein Interesse an der Wasserstofftechnolgie, ist der groesste PV-Hersteller.Jedes Panel ist ein Zeichen des Friedens (Franz Alt).


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