Globale WirtschaftWas das neue Lieferkettengesetz für Klima und Umwelt bedeutet

Abgebrannte Waldflächen
Für Lebensmittel, die auf deutschen Tellern landen, werden im Globalen Süden oftmals Waldflächen für die Landwirtschaft gerodet. (Bild: crustmania, flickr, CC BY 2.0)    

Letzte Woche einigte sich die Bundesregierung auf ein neues Lieferkettengesetz. Für Menschenrechte gibt es zaghafte Verbesserungen, Klima und Umwelt finden wenig Beachtung. Besser macht es in dieser Hinsicht das EU-Parlament.

19.02.2021 – Vor einer Woche traten die zuständigen Minister für Arbeit, Wirtschaft und internationale Zusammenarbeit vor die Presse, um nach monatelangen Verhandlungen ein Lieferkettengesetz zu präsentieren. Während Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller sich für ein wirksames Lieferkettengesetz stark machten, dass Unternehmen in Deutschland dazu verpflichtet entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette Menschenrechte und Umweltauflagen zu achten, blockierte Wirtschaftsminister Peter Altmaier monatelang die Verhandlungen.

Altmaier wollte, dass das Gesetz erst ab einer Unternehmensgröße von 5.000 Mitarbeitern greift. Im Einigungsentwurf ist nun von einer Größe ab 3.000 Mitarbeitern ab 2023 die Rede. Ein Jahr später soll das Gesetz dann ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern gelten. Heil und Müller wollten einen Schwellenwert von 500 Mitarbeitenden. Auch hätten sie gerne eine zivilrechtliche Haftung im Gesetz gesehen, die es ermöglicht hätte, dass Betroffene die Unternehmen vor einem deutschen Gericht für Verfehlungen anklagen und auf Entschädigung pochen können.

Doch die zivilrechtliche Haftung fehlt im neuen Gesetz. Lediglich deutsche Nichtregierungsorganisationen dürfen im Auftrag von ausländischen Arbeitern gegen Menschenrechtsverletzungen Klage erheben. Damit stehe der Rechtsschutz weiterhin auf wackligen Beinen, wie Sarah Hoesch vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mitteilt. Gemeinsam mit einem Team hat Hoesch den Entwurf des neuen Lieferkettengesetzes auch hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz untersucht und kommt zu einem niederschmetternden Ergebnis.

Das Gesetz erfasst derzeit ausschließlich eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht

Sarah Hoesch, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)

„Das Gesetz erfasst derzeit ausschließlich eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht. Das heißt Umweltaspekte werden nur dann berücksichtigt, wenn sie in einem gewissen Zusammenhang zu einer Menschenrechtsverletzung, zum Beispiel einer Gesundheitsschädigung, stehen“, so Hoesch auf Anfrage der energiezukunft. So könnte zum Beispiel das Leck in einer Ölleitung dazu führen, dass Boden und Grundwasser verunreinigt werden und Menschen dadurch ihren Zugang zu sauberem Trinkwasser oder ihre Lebensgrundlagen verlieren. Unternehmen müssten dann Maßnahmen ergreifen, um solche Umweltschäden zu verhindern.

Behörden sind laut neuem Gesetzentwurf dazu angehalten, Unternehmen auf die Einhaltung von Menschenrechten entlang ihrer Lieferketten zu prüfen. Bei Verstößen werden die Firmen dazu verpflichtet dem entgegenzuwirken, andernfalls drohen Bußgelder. Die drohen auch, wenn Unternehmen nachweißlich von Menschenrechtsverletzungen wussten und nichts unternommen haben. Auch können Firmen bei Verstößen bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

„Diese Herangehensweise verhindert aber einen umfassenderen Schutz der Umwelt, der auch das Klima und die Biodiversität erfasst“, sagt Hoesch. Der BUND und andere Umweltschutzorganisationen fordern daher eine eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflicht, die sich zudem auf die gesamte Wertschöpfungskette beziehen müsse, sowohl auf direkte als auch auf mittelbare Zulieferer. Doch statt das Gesetz zu verschärfen, droht neuer Streit zum aktuellen Entwurf.

Denn die vorgenommene Ausarbeitung des Gesetzes seitens des Arbeitsministeriums, ist für das Wirtschaftsministerium auf einmal wieder zu streng, wie aus einem Mailverkehr zweier Staatsekretäre aus den beiden Ministerien hervorgeht. Dieser liegt dem Spiegel vor. Doch das Arbeitsministerium sieht den Entwurf im Rahmen der erfolgten Einigung zwischen den Ministerien. Der weitere Ausgang des Streits ist offen. Auch muss der Gesetzentwurf noch zur Abstimmung in den Bundestag. Weitere Konflikte zwischen Befürwortern und Gegnern eines strengen Lieferkettengesetzes drohen.

Der Entwurf des Europäischen Parlaments zum EU-Lieferkettengesetz ist sehr klar: Die Sorgfaltspflicht sollte auch die Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt umfassen

Anna Cavazzini, Abgeordnete der Grünen im Europaparlament

Derweil wird auch auf EU-Ebene über ein wirksames Lieferkettengesetz diskutiert. Im Parlament der Europäischen Union scheint man diesbezüglich weitaus progressiver zu sein. Eine zivilrechtliche Haftung etwa ist im Gesetzesvorhaben vorgesehen, ebenso wie die Beachtung von Umwelt- und Klimaschutz. Anna Cavazzini, sächsische Europaabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen und im Handelsausschuss an den Verhandlungen beteiligt, sagte auf Anfrage der energiezukunft: „Der Entwurf des Europäischen Parlaments zum EU-Lieferkettengesetz ist sehr klar: Die Sorgfaltspflicht sollte auch die Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt umfassen, einschließlich seines Beitrags zum Klimawandel.“

Bereits im Oktober hatte das EU-Parlament in einer Resolution die Europäische Kommission dazu aufgerufen verbindliche Sorgfaltspflichten für entwaldungsfreie Agrarlieferketten zu erarbeiten. Im März wird das Parlament dann einen Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz verabschieden und den Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union vorlegen. Dann sind auch die deutschen Minister am Zug über europäische Lösungen für gerechte und umweltfreundliche Lieferketten zu debattieren. mf     

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