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KlimaschutzWieso ein Kohleausstieg ohne CO2-Preis wirkungslos ist

Der Kühlturm eines Kohlekraftwerks von Innen
Ohne CO2-Preis könnte der Kohleausstieg zu einem Fass ohne Boden werden. (Foto: Zoltan Tasi auf Unsplash)

Damit der Kohleausstieg in Deutschland wirklich etwas bewirken kann, muss er mit einem CO2-Preis kombiniert werden. Ansonsten könnten die klimaschädlichen Treibhausgase sogar ansteigen, zeigt eine Analyse von Potsdamer Klimaforschern.

06.06.2019 – Deutschlands Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung scheint mehr oder wenig sicher. Zu groß war in den letzten Monaten der Druck auf die Politik, beim Thema Klimaschutz etwas zu bewegen. Spätestens seitdem der Bericht der Kohlekommission vorliegt gibt es kein Zurück mehr. So wird die Bundesrepublik wohl bis spätestens 2038 den Kohleausstieg vollziehen – vielleicht auch schon ein paar Jahre früher. Vor allem in den letzten Tagen und Wochen hatten Regierungsvertreter immer wieder darauf verwiesen, dass ja schließlich jetzt der Kohleausstieg angegangen werde und man nicht untätig sei.

Aber: Ist es damit wirklich getan? Raus aus der Kohle, Mission Klimaschutz abgeschlossen? Ganz im Gegenteil, zeigt ein aktueller Bericht von Forschern des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Demnach bietet ein Kohleausstieg keine Sicherheit, dass die CO2-Emissionen auch tatsächlich sinken. Schlimmer noch: sie könnten dadurch sogar steigen.

Steigende CO2-Emissionen durch Kohleausstieg?

Zu dieser kontraintuitiven These kommen die Forscher vor allem aus zwei Gründen:

  1. Sobald in Deutschland Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, sinkt das Angebot auf dem Strommarkt. Es kommt zu einer Verknappung und dadurch zu einem Anstieg des Strompreises. Ab diesem Zeitpunkt können die verbleibenden Kohlemeiler jedoch häufiger kostendeckend produzieren. Für die Betreiber lohnt es sich also eher, die Kraftwerkskapazitäten voll auszuschöpfen.
    Die Folge: Der CO2-Ausstoß steigt.
     
  2. Steigt Deutschland aus der Kohleverstromung aus, sinkt die Nachfrage nach Zertifikaten im Europäischen Emissionshandel. Dadurch verringert sich deren Preis, weshalb Stromproduzenten im Ausland günstigere Emissions-Berechtigungen erwerben können und ihre Produktion erhöhen.
    Die Folge: Der CO2-Ausstoß steigt.

Diese Effekte könnte eine steigende Stromnachfrage auch noch weiter verstärken. Aufgrund einer umfassenden Elektrifizierung des Wärme- und Verkehrssektors prognostizieren die Experten des PIK in unterschiedlichen Szenarien eine Zunahme der Nachfrage. Trotz eines geplanten Ausstiegs aus der Kohleverstromung könnten die CO2-Emissionen durch diese Steigerung der Stromnachfrage noch stärker zunehmen.

Im Europäischen Emissionshandel wurde zwar kürzlich die sogenannte Markt-Stabilitäts-Reserve neu eingeführt, allerdings werde auch diese nicht bei dem Problem helfen. „Hier werden zwar Emissions-Zertifikate vom Markt genommen“, sagt Christian Flachsland, Ko-Autor vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). „Aber dies passiert im Wesentlichen vor 2035 – und erst dann soll der Großteil der Emissionsreduktionen durch den deutschen Kohleausstieg erfolgen. Unter dem Strich kann der Emissionshandel, so wie er heute ist, nicht garantieren, dass der Kohleausstieg wirklich zusätzliche Emissionsreduktionen bringt.“

Kohleausstieg ist ein starkes Signal

Es sei natürlich trotzdem ein starkes Signal, dass ein Industrieland mit hohem Kohleverbrauch wie Deutschland einen Kohleausstieg beschließt, sagt Michael Pahle vom PIK und Leit-Autor der Untersuchung. „Jetzt aber brauchen wir wirksame politische Werkzeuge, damit die nun anstehende Umsetzung des Beschlusses der Kohlekommission auch tatsächlich die klimaschädlichen CO2-Emissionen senkt“.

Ansonsten bestehe das Risiko, dass ein Kohleausstieg allein durch die Abschaltung von Kraftwerken das Gegenteil von der eigentlichen Intention bewirke. „Das wäre für die dringend nötige Stabilisierung unseres Klimas fatal – und es wäre schädlich für das Vertrauen der Menschen in die deutsche Politik und das Ansehen der deutschen Klimapolitik in der Welt. Deshalb sollte man jetzt gegensteuern: mit einer verlässlichen und gerechten Bepreisung von CO2“, so Pahle.

Rebound-Effekt durch CO2-Bepreisung vermeiden

Im April hatte sich schon PIK-Direktor Ottmar Edenhofer in Berlin für eine CO2-Bepreisung ausgesprochen und gleichzeitig vor den möglichen Konsequenzen eines alleinigen Kohleausstiegs gewarnt. Demnach könne durch Ordnungsrecht zwar kontrolliert werden, welche Kraftwerke in welchem Jahr vom Netz gehen. Eine Erhöhung der Kapazität verbleibender Kohlemeiler verhindere man dadurch allerdings nicht. Deshalb sei ein CO2-Preis unablässig, wenn die Politik Treibhausgasemissionen reduzieren wolle. jk

„Ich gebe Ihnen Brief und Siegel darauf: Ohne einen CO2-Preis wird der Kohleausstieg nicht erfolgreich sein. Klimapolitik ohne CO2-Preis ist wie Medizin ohne Penicillin.“ Ottmar Edenhofer


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