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BrasilienZivilgesellschaftlicher Druck mindert Interesse an Öl- und Gas-Förderung

Eine große Ölbohrplattform schwimmt im ruhigen Wasser einer Bucht, rechts im Bild. Im Hintergrund sind weitere Plattformen, Kräne und ein bewaldeter Hügel zu sehen. Links erstreckt sich eine lange Brücke über das Wasser unter klarem, blauem Himmel.
Bau von Ölplattformen in Brasilien (Bild: Vsolymossy, Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Im Widerspruch zu seinem Auftreten als künftiger COP-Gastgeber, will Brasilien die heimische Öl- und Gasförderung exzessiv erweitern. Doch eine diese Woche stattfindende Auktion für die Förderung fossiler Brennstoffe stieß auf geringes Interesse.

19.06.2025 – 172 Explorationsgebiete für Öl und Gas standen diese Woche Dienstag in Brasilien zur Auktion. Die staatliche „Nationale Agentur für Erdöl, Erdgas und Biokraftstoffe (ANP)“wollte diese Gebiete mit einer Gesamtgröße von 145.600 km2 an Öl- und Gaskonzerne versteigern, damit sie die fossilen Brennstoffe dort erschließen und potenziell fördern können. Doch das Interesse war gering. Versteigerten wurden 34 Explorationsgebiete auf einer Fläche von 28.359 km2 und damit gerade einmal 20 Prozent des Gesamtangebots. Für Umweltorganisationen steht die Auktion selbst im Widerspruch zum internationalen Auftreten Brasiliens.

Bei den aktuell laufenden UN-Klimaverhandlungen in Bonn zeigt sich Brasilien als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Der Ausrichter der kommenden Weltklimakonferenz, COP30, im brasilianischen Belém, will es besser machen als seine Vorgänger. Verliefen die vergangenen Klimagipfel in Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Aserbaidschan für die progressiven Staaten und zivilgesellschaftlichen Akteure enttäuschend, soll in Brasilien alles besser werden. Doch der Start der Zwischenverhandlungen in Bonn verlief holprig, die Staaten konnten sich anfangs nicht auf eine gemeinsame Agenda einigen.

Auch auf heimischem Terrain will Brasilien sich der Welt als umwelt- und klimabewusste Nation zeigen. Hatten Holzindustrie und Landwirtschaft unter dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro noch freie Hand bei der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes, gingen die Rodungen unter dem neuen (und alten) Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva innerhalb eines Jahres um fast die Hälfte zurück.

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Lula erhöhte die Budgets für die brasilianischen Umweltbehörden deutlich, wodurch diese schneller gegen illegale Abholzung vorgehen können. Weiterhin verschärfte Lula Gesetze gegen illegalen Landraub und Kahlschlag. Initiativen für nachhaltige Anbaumethoden wie Agroforst, die eine Landnutzung ohne Rodung ermöglichen, finden hingegen finanzielle Unterstützung.

Zugleich aber will Brasilien nicht auf das Geschäft mit Öl und Gas verzichten und die Förderung sogar ausbauen. Besonders kritisch sehen Umweltschützer:innen die Freigabe von Gebieten im Mündungsgebiet des Amazonas (brasilianisch: Foz do Amazonas). Dort wurden bei der Auktion am Dienstag mit 19 von 47 angebotenen Blöcken die meisten Gebiete versteigert.

Fragile Ökosysteme  

„22 Prozent der Gebiete in der Amazonas-Mündung, die für die Öl-Exploration freigegeben sind, sollten unseren Untersuchungen zufolge unter Schutz gestellt werden, da sie fragile Ökosysteme mit einer reichhaltigen Biodiversität, wie etwa Korallenriffe, sind“, sagte Nicole Figueiredo Oliveira, Geschäftsführerin der brasilianischen Umweltorganisation Arayara bei einer digitalen Pressekonferenz letzte Woche. Die Umweltgutachten, die seitens des Staates erstellt wurden, seien nicht ausreichend, so Oliveira weiter.

In der Vergangenheit ging Arayara wiederholt erfolgreich gegen die Erteilung von Konzessionen zur Öl-Exploration vor. So machten sie für einige Gebiete bereits erfolgreich auf Umweltbedenken und Eingriffe in den Lebensraum von Menschen aufmerksam, sodass Öl-Firmen am Ende vom Zugriff in den Auktionen absahen. Zudem habe auch der Staat wegen nachgewiesenen potenziell gefährlichen Eingriffen in schützenswerte Ökosysteme, von der Freigabe einiger Gebiete für Auktionen abgesehen, berichtet Oliveira.

Sollten Konzessionen erteilt worden sein und Öl-Firmen gewillt, die Exploration voranzutreiben, bleibe als letztes Schwert der Gang vor die Gerichte. Auch in Prozessen habe man erfolgreich Einwände gegen die Projekte vortragen können. „In einem Gerichtsurteil wurde die erteilte Konzession wieder zurückgerufen und neue Konzessionen auf dem Gebiet verboten. Das hält auch andere Öl-Firmen davon ab, sich um andere Gebiete zu bewerben, bei denen wir schon vor den Auktionen Einwände vortragen“, so Oliveira.

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Indigene Bevölkerung geschützt

Auch das überraschend geringe Interesse an der Auktion diese Woche, verbucht Arayara als Erfolg der brasilianischen Zivilgesellschaft. Demnach wurde keiner der Blöcke, die sich mit direkten Einflussgebieten indigener Gebiete überschneiden, versteigert. Zudem wurden im „Potiguar“-Becken – zu dem auch die Umgebung des UNESCO-Weltnaturerbes „Fernando de Noronha“ gehört – keine Blöcke versteigert. Von den 118 Blöcken, die Arayara als umstritten identifiziert hatte, wurden nur 23 versteigert. 80,5 Prozent dieser Gebiete würden auch dank des Drucks aus der Zivilgesellschaft weiterhin von Öl- und Gasexploration verschont, so Arayara.

Trotzdem sei Brasilien weiterhin auf dem Weg der viertgrößte Ölproduzent der Welt zu werden, teilt Heffa Schücking von der deutschen Umweltorganisation urgewald mit – eine Partnerorganisation von Arayara. Recherchen von urgewald in der Oil and Gas Exit List zufolge, findet sich Brasilien aktuell auf dem sechsten Platz im globalen Vergleich wieder, wenn es um kurzfristige Expansionspläne für Öl und Gas geht, mit der staatlichen Firma Petrobas als wichtigsten Akteur der Erschließung neuer fossiler Brennstoffvorkommen. „Wir reden hier von einem Zeitraum von 1 bis 5 Jahren, in denen die Öl- und Gasfirmen die Förderung ans Laufen bringen“, so Schücking. Petrobas lege dabei einen Fokus auf den Tiefseebergbau, der mit besonders hohen Risiken verbunden ist.

Die Kritik am brasilianischen Staat und seinen Behörden hält an. Die ANP habe zahlreiche Dialogversuche seitens Arayara ignoriert, so Oliveira, und Brasilien könne keine Führungsrolle in der Klimadiplomatie beanspruchen, wenn es gleichzeitig die Förderung fossiler Brennstoffe ausweitet, wissenschaftliche Grundlagen missachtet und soziale und ökologische Gerechtigkeit verfehlt. Manuel Grisard

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