Menü öffnen

Wintershall DeaZweifelhafte Steuergelder für Russlandgeschäfte

Menschen in blutbefleckten Maleranzügen vor einem Gebäudeeingang, mit Transparenten in der Hand, auf denen steht: "BASF/Wintershall Dea: Profite um jeden Preis"
Protestaktion von urgewald und Klimagerechtigkeit Kassel im April letzten Jahres vor der Kasseler Zentrale von Wintershall Dea. (Foto: Klimagerechtigkeit Kassel, flickr, CC BY 2.0)

Spät kündigte Wintershall Dea an, aus seinen Russlandgeschäften auszusteigen und prüft, ob der Staat für einen Teil der Milliardenverluste aufkommen soll. Eine entsprechende Absicherung besteht. Doch Umweltverbände bezweifeln deren Rechtmäßigkeit.

10.05.2023 – Anfang des Jahres kündigte der Gas- und Ölkonzern Wintershall Dea an, sich endgültig aus seinen Russlandgeschäften zurückzuziehen. Russlands Angriffskrieg sei nicht vereinbar mit den eigenen Werten, so Vorstand Mario Mehren. Laut eigenen Angaben ging und geht für Wintershall Dea mit Beginn des Krieges in der Ukraine und dem angekündigten Ausstieg ein Verlust von 5,3 Milliarden Euro einher. Auf Anfrage des Norddeutschen Rundfunks erklärte der Konzern zudem zu prüfen, bestehende Garantien und Versicherungen in Anspruch zu nehmen, um Schaden für das Unternehmen abzuwenden.

Es geht um sogenannte Direktinvestitionsgarantien, seitens des deutschen Staates. Erstmals 2006 und zuletzt 2016 hatte Wintershall Dea solche Garantien beantragt, die der Bund auch vergab. Laut dem Konzern seien damit eine Reihe politischer Risiken abgedeckt, wie Enteignung, Verstaatlichung, Krieg sowie Zahlungsembargos oder -einstellungen. Für diese Absicherung habe man jährlich Prämien in Millionenhöhe gezahlt, so Wintershall Dea. Die angekündigte Prüfung Wintershall Deas bezieht sich nun auf ein Geschäft von 2015. Mit mindestens 1,8 Milliarden Euro ist diese wirtschaftliche Aktivität möglicherweise abgesichert und steht dem Konzern aus Steuermitteln zu.  

Die Vergabe der Garantien von 2015 ging auf ein Tauschgeschäft zurück. Die BASF, deren Tochtergesellschaft die Wintershall Dea ist, verkaufte deutsche Gasspeicher an den russischen Staatskonzern Gazprom. Im Gegenzug erhielt Wintershall Dea Zugriff auf ein Erdgasfeld in Sibirien. Das Geschäft ging trotz der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 über die Bühne. Der letzte Höhepunkt einer Reihe wirtschaftlicher Verflechtungen zwischen BASF und Gazprom, die im Namen von Wintershall Dea auch nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine erstmal fortbestand. Und mit denen Wintershall Dea weiter immense Profite machte. Zudem steht der Vorwurf eines Beitrages zum Angriffskrieg Russlands in der Ukraine im Raum.

Soziale und menschenrechtliche Risiken sind ein wichtiger Aspekt der Förderungswürdigkeit

Ein neues Gutachten im Auftrag der Umweltverbände urgewald und Deutsche Umwelthilfe, zweifelt vor diesen Hintergründen die Rechtmäßigkeit der staatlichen Investitionsgarantien an. Laut den Gutachter:innen der Rechtsanwaltskanzlei Günther sei schon bei der Vergabe der Direktinvestitionsgarantien 2015 zweifelhaft gewesen, ob die Kriterien der Förderungswürdigkeit erfüllt seien. Die bezieht sich vor allem auf eine positive Rückwirkung für Deutschland.

Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt dazu: „Zu den positiven Auswirkungen gehören insbesondere die Schaffung sowie der Erhalt von Arbeitsplätzen. Darüber hinaus sind die mit der Investition verbundenen umweltbezogenen, sozialen und menschenrechtlichen Risiken ein wichtiger Aspekt der Förderungswürdigkeit.“ Den Gutachter:innen zufolge sei jedoch nicht nur mit der Annexion der Krim bereits klar gewesen, dass Russland einen Weg beschritten habe, der soziale und menschenrechtliche Aspekte konterkariere. Auch die Warnungen von Expert:innen vor einer deutschen Abhängigkeit von Russlands Energielieferungen würden die Förderungswürdigkeit in Zweifel ziehen.

Weitere Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Investitionsgarantien sehen die Gutachter:innen in den Verwicklungen der Geschäftstätigkeiten von Wintershall Dea, die den russischen Angriffskrieg befördert haben könnten. Es geht um mehrere hundert Millionen Euro an Steuerzahlungen von Wintershall Dea an Gazprom, die die Kriegskasse Russlands füllen. Und es geht um die Produktion von Gaskondensat, dass in Zusammenhang mit Treibstoff für das russische Militär steht. Neue Recherchen von ZDF Frontal erhärten den Verdacht, dass Wintershall Dea über seine bisherigen russischen Beteiligungen an Treibstofflieferungen an das russische Militär beteiligt ist und grundsätzlich über diesen Verwendungszweck Bescheid wusste.

Für dieses Russlanddebakel von Wintershall Dea darf es keine staatlichen Milliardenzahlungen geben

Sonja Meister, Energie-Kampaignerin bei urgewald fordert: „Die Bundesregierung muss jetzt die Hinweise auf mögliche Treibstofflieferungen an das russische Militär untersuchen und alle Ausschlussgründe für die Auszahlung der Garantien prüfen. Für dieses Russlanddebakel von Wintershall Dea darf es keine staatlichen Milliardenzahlungen geben.“ Weitere mögliche Ausschlussgründe sehen die Gutachter:innen in dem spät verkündeten Ausstieg Wintershall Deas aus ihren Russlandgeschäften.

Es sei schwer erklärbar, warum Wintershall den stark unprofitablen Gasbetrieb in Russland fortgeführt und damit den Schaden vertieft habe. Dies könnte auch gegen die Anzeige-, Schadensverhinderungs- und -minderungspflichten sowie Sorgfaltspflichten auf Grundlage der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Direktinvestitionsgarantien verstoßen haben. Zudem müsse vor Auszahlung der Garantien geprüft werden, ob Wintershall Dea nicht vorher mit einer Schiedsgerichtsklage seine Forderungen gegenüber Russland geltend machen müsste. Auch müsse sich die Höhe des Auszahlungsbetrages an dem Zeitwert unmittelbar vor der Enteignung orientieren. Vermögenswerte in den russischen Fördergebieten sollten demnach Ende 2022 für ausländische Investoren von einem starken Wertverlust betroffen sein.

Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz bei der Umwelthilfe, mahnt: „Auch weiterhin möchte Wintershall Dea in die Förderung von Öl und Gas investieren. Das staatliche Geld würde damit zur Förderung weiterer fossiler Projekte beitragen und so die Klimakrise anheizen.“ Inklusive Russland, ist der Konzern bislang Europas größter Gas- und Ölförderer. Letztes Jahr wurde bekannt, dass der Konzern verstärkt in Afrika aktiv werden will. Auch in Mexiko und Norwegen sollen die Förderaktivitäten zunehmen, ebenso in Argentinien. Laut der taz sucht und fördert das Unternehmen derzeit Gas und Öl in elf Staaten. mg


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft